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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach dem Christfest, 30.12.2012

Predigt zu Johannes 12:44-50, verfasst von Manfred Wussow

Die Weihnachtsgeschichte – von hinten gelesen

Liebe Gemeinde,

30.12.2012. Ein Sonntag. Ein normaler Sonntag. Dass wir das noch erleben dürfen! Nachdem doch am 21.12. die Welt untergehen sollte. Es wurden sogar Untergangspartys gefeiert – habe ich gehört. Jetzt ist die Zeit, die untergegangene wie auch die gefundene,  schön eingerahmt: von Weihnachten und vom Neuen Jahr, von Festtagsstimmung  - und dem großen Glück, noch viel Zeit geschenkt bekommen zu haben.

Morgen wird dann noch einmal die Nacht hell gemacht.  So mancher Euro verglimmt am Himmel. Aber auf unseren Tischen liegt, dass jeden Tag viele kleine Welten untergehen, Menschen fallen gelassen werden und Hoffnungen ins Leere gehen. Apokalyptische Szenarien sind bei vielen Menschen in.  

Gott aber gibt die Welt, immerhin: seine Schöpfung, nicht verloren. Er liebt sie. Er liebt so sehr, dass er sogar seinen Sohn gibt – wie es im Evangelium heißt. Seinen einzigen, seinen einzigartigen Sohn. Luther hat dann immer betont: für mich.  Das schenkt noch einmal einen besonderen Blick auf die Welt. Einen liebevollen!

 

Heute lesen wir im Johannesevangelium:

Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.

Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.

Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.

Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette.

Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.

Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll.

Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.

„Jesus aber rief“. Steht da, kein Zweifel. Dabei habe ich immer noch das kleine Kind im Kopf, das in seiner Krippe liegt, von Hirten besucht, von einem König verfolgt, von Weisen gefunden wird. Jetzt hat er das Wort. Gewichtig hört es sich an, gewichtig ist es. „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleiben“

Heute wird uns die Geschichte von Weihnachten von Jesus selbst gedeutet und erzählt. Er schaut auf ein großes Stück seines Weges zurück. Er ist Menschen begegnet, er hat Menschen verwandelt. Wenig später wird er seine Abschiedsrede halten. Er wird nach Jerusalem gehen, er wird am Kreuz sterben. Es ist, als ob wir seine Geschichte von hinten lesen sollen. Und uns langsam nähern, anschleichen, herantasten.

Als die Engel bei den Hirten erschienen und ihnen die frohe Botschaft verkündigten, dass ihnen – heute – der Heiland geboren sei, war der Himmel voller Lobgesang – die Nacht einem Tag gleich: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallenes – oder auch einfach: den Menschen ein Wohlgefallen. Ein anderes Wort dafür , dass wir geliebt werden – und hoch geachtet. Von Gott. Ich kann es nicht fassen, verstehen schon gar nicht. Ich kenne mich doch – und die Menschen auch. Sage ich mir, bilde es mir vielleicht auch nur ein.

Aber Jesu Wort ist in der Welt: „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“

Jetzt geht uns ein Licht auf. Es wird hell bei uns. Nach Weihnachten sehen wir das noch klarer, deutlicher, scharf umrissen. Es ist ein weiter Blick. Sozusagen aus der Geschichte Jesu heraus auf unser Leben. Und auf die Welt.

Erfahrungen von Licht und Finsternis

Ich habe mich gefragt, was denn eigentlich heute das Stichwort ist. Der rote Faden. Der springende Punkt. Erst war ich ganz im Bann des Wortes „Licht“. Es ist schön, wenn es überall hell ist. Vielleicht nicht zu grell – aber hell. In den letzten Tagen haben wir ziemlich viel Licht beschworen – und besungen. Ist es heller geworden? Manchmal verzage ich, dass zuviel Licht, Entschuldigung, auch Gerede von Licht, die Dinge wieder dunkel macht. Den Blick trübt.  Meine Wahrnehmung zudeckt. Aber die Sehnsucht, dass die Welt hell wird, in ein liebevolles Licht gerückt wird, noch einmal ganz anders leuchten kann, ist so groß, dass sie kaum in mein Herz passt. Ich bitte um den Mut,  es mit der Finsternis aufzunehmen.

Im Einzelfall kann es schwer sein, Finsternis zu benennen. Sogar Helles, Aufgehelltes, Verklärtes kann finster sein – und finster machen. Die Worte sind so eindeutig nicht, wie sie sich geben. Was ist finster?

Ich denke an Herrn X – Namen darf ich nicht nennen. Er schimpft nur über die Welt. Über die anderen. Nichts, was nicht negativ ist – oder eine Schlagseite dazu hätte. Da bekommen Schwule und Lesben ihr Fett ab, die Politiker  so wie so,  die Pfaffen dann auch – wenn er einmal redet, wird er von seinen eigenen Worten weggetragen. Es ist wie eine Flutwelle. Ist das nicht vielleicht auch – ein Weltuntergang? Manchmal verspüre ich, wenn ich mit ihm rede, die Verbitterung. Er ist nicht zu Hause in der Welt. Aber wo soll, wo kann er wohnen – wenn nicht in dieser Welt? Mit, bei anderen Menschen, die anders sind als er, anders sein dürfen als er?

Dann kommt mir eine Frau in den Sinn, die ein hartes Schicksal hinter (oder über) sich hat. Bevor sie fliehen konnte, wurde sie vergewaltigt – weggeschmissen. Kriegsopfer. Es hat lange gedauert, bis sie den Mut fand, über die schrecklichen Zeiten in ihrem Leben zu reden. Die kleine, vertraute, liebgewordene Welt ihrer Kindheit – zerschossen. Es ist lange her. Aber sie sagt, dass sie Frieden gemacht hat. Die armen Teufel – sie seien auch nur Opfer, Beute des Krieges gewesen. Seit langem hat sie auch eine neue Heimat gefunden. Menschen, die sie mag, die sie mögen, Menschen, die sie zumindest in Ruhe lassen. Wenn sie erzählt, hat die dunkle Welt – um es einmal so sagen – helle Flecken bekommen.

Zwei Beispiele. Es gibt noch viele andere. Sie haben bestimmt auch noch Beispiele, die Sie erzählen können. Die große Welt – am Ende haben wir viele, unendlich viele Beispiele, Geschichten und Erfahrungen aneinandergereiht. Wir stoßen auf Liebe, wir stoßen auf Hass. Wir stoßen auf Versöhnung, wir stoßen auf Verbitterung.

Gerettete Welt

Im Evangelium hören wir Jesus, wir hören ihm zu. Egal, wie Johannes es formuliert, färbt, in Worte kleidet: Jesus spricht nicht nur davon, dass er als Licht gekommen ist – er legt das auch aus. Er ist gekommen, um die Welt zu retten. Dabei haben ihm schon viele die Aufgabe zugeschrieben, die Erwartung geradezu auf den Leib geschneidert, dass er doch die Welt richten möge. Endlich! Endgültig!

Ich weiß: wer die Welt nur böse nennt, auch nur das Böse in ihr findet, wird ihre keine Zukunft geben. Wer Menschen schlecht macht, ihnen auch alles Schlechte  zuschreibt, wird ihnen keine Zukunft geben. Wer sich selbst fallen lässt, wer alle Schuld auf sich lädt, gibt sich keine Zukunft. Aber wer hat denn das letzte Wort? Das Böse? Der Böse?  Ich? Zugegeben: das Böse ist manchmal übermächtig, aber können wir uns ihm ausliefern? Viele Menschen bleiben in der Finsternis, manche haben sich sogar in die Finsternis verliebt. Der Weltuntergang ist dann nicht weit, Prophezeiungen hin, Verwerfungen her.

Im Evangelium begegnet uns die Welt Gottes. Wir hören, wir sehen sie - geliebt, gerettet! Zunächst und vor allem: Jesus steht mit seinem Leben für sein Wort ein. Es ist ein Wort, ein Leben, das die Welt verwandelt, neu macht. Viele Menschen konnten, viele Menschen können ein Lied davon singen! Jetzt kann, jetzt darf ich die Welt nicht mehr preisgeben. Wer Jesu Wort bewahrt, weiß die Welt als eine geliebte und angenommene zu nehmen. Wer Jesu Wort bewahrt, schenkt ihr Liebe.

Zu dieser Liebe gehört auch, die dunklen Seiten ernst zu nehmen, anzusprechen und ihnen Paroli zu bieten. Liebe lässt sich nicht klein machen. Liebe gibt nicht auf.

Denken wir noch einmal an den Weltuntergang. Für den 21.12. gab es eine solche Prophezeiung, wenn auch falsch verstanden, medial inszeniert und den Mayas übergestülpt.  Nur:  So abwegig ist der Gedanke nicht, dass die Welt untergehen kann. Menschen tuen sehr viel dazu – oder unterlassen viel. Oft sogar besseren Wissens.  Dabei ahnen wir mit vielen Menschen, wie zerbrechlich die Welt ist. Sie wehrt sich. Wir verstehen sie nicht. Sie sucht Verbündete. Wir nehmen sie aus.

Heute vertraut uns Jesus die Welt neu an.

Bewahrtes Wort

Das Evangelium hat uns heute noch einmal das Licht sehen lassen, das mit Jesus in die Welt gekommen ist. In diesem Licht sehen wir die Liebe, die die Welt rettet.  Dass wir Jesu Wort bewahren, wird uns heute zugetraut – und zugemutet.

Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.

Hier will ich schließen. An diesem 30.12.2012.

Übrigens: in der alttestamentlichen Lesung, die für heute vorgesehen ist, die uns heute geschenkt wird, werden wir zur Freude eingeladen:

Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden.

Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen.

Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen.

Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.

(Jes. 49,13-16)

Ein schönes Bild am Ende dieses Jahres: in die Hände gezeichnet.

Amen

 

     Und der Friede Gottes,
     der höher ist als alle Vernunft,
     bewahre unsere Herzen und Sinne,
     in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

 



Manfred Wussow
Aachen
E-Mail: M.Wussow@gmx.de

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