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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2013

Predigt zu Matthäus 2:1-10, verfasst von Reinhard Gaede

 

Liebe Gemeinde!

In vielen Familien stehen heute noch der Weihnachtsbaum und ebenso die Krippe mit dem Christkind. Um die heilige Familie stehen die Hirten, von denen Lukas erzählt. Aber auch die Weisen aus dem Morgenland, von denen Matthäus erzählt. Und hier in der Kirche kann sich die Andacht auf die Weihnachtskrippe von Laar richten, die der Holzschnitzer Guido Moroder aus St. Ulrich in Südtirol geschaffen hat.

Der Epiphaniastag mit seiner Erzählung vom Stern und den Weisen aus dem Morgenland bringt die Fortsetzung des Weihnachtsgeschehens in Erinnerung. In vielen Krippenspielen wird er mitbedacht. Epiphanias, der Tag der Erscheinung des „wahren Lichts" (1.Joh. 2, 8b), auch Drei-Königs-Fest genannt, ist eigentlich gegenüber Weihnachten das ältere Fest und entstand in der Ostkirche schon im 2. Jahrhundert. Weihnachten ist auch bei den orthodoxen Kirchen des Ostens am 25. Dezember. Der 25. Dezember des julianischen Kalenders, nach dem diese orthodoxen Kirchen die Kirchenfeste begehen, fällt jedoch im 20. und 21. Jahrhundert auf den 7. Januar unseres, des gregorianischen, Kalenders. Für über 3,5 Millionen armenische Christen ist Epipanias mit dem Weihnachtsfest identisch. Die katholische Kirche hat die Erinnerung an die Heiligen Drei Könige lebendiger erhalten als die protestantische durch den Brauch der Sternsinger.

Textlesung Matth. 2, 1-10

Eine reiche kirchliche Geschichte von Kunstwerken hat versucht, das Wunder der Erscheinung Gottes in Christus ihrer Zeit zu verkündigen. Besonders wertvoll ist der Dreikönigsaltar des Rogier van der Weyden, gemalt 1460 auf Eichenholz, heute zu sehen in der alten Pinakothek München.

Die Drei-Königs-Figuren von Laar erzählen vom Kommen der Könige und von ihren Gaben nach Matthäus: „Sie taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe." Drei verschiedene Gefäße mit kostbaren Gaben tragen die Könige von Laar. Gold und Weihrauch sind Zeichen königlicher Würde. So ehren sie das arme Kind, das in der Krippe im Stall geboren ist, als den verborgenen, aber doch wahren König der Welt. Matthäus denkt an die Erfüllung der alten Weissagung im dritten Teil des Jesaja-Buchs (Tritojesaja). Mit Kamelen werden sie „aus Saba alle kommen, gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen" (60,6). Dieser König der Welt ist aber zugleich der Arme und Leidende. Myrrhe, das wertvollste Parfüm in biblischer Zeit, war eine Essenz, mit der man die Toten zum Begräbnis salbte, so auch Jesus am Karfreitag (Joh. 19,39). Auf das ganze Evangelium von Geburt bis zum Sterben und Auferstehen des Erlösers verweisen also prophetisch die Geschenke. Von der Geburt des Königs am Anfang bis zur Verheißung seiner Gegenwart „alle Tage" am Ende - alles ist schon in dieser einzigartigen Eingangsgeschichte des Evangeliums schon enthalten.

In der Geschichte der Kunst verkörpern die Könige jeweils ein verschiedenes Lebensalter. „Sie fielen nieder und beteten" das Kindlein an, erzählt Matthäus. Der erste König, der voll Ehrfurcht kniet, mag der Älteste sein. Lang und dicht fällt sein Bart übers Kinn; während er seine Gabe bringt, ruht sein Blick auf dem Kind. Hinter ihm steht der zweite König, auch er mit Bart und dichtem Haar. Mit der rechten Hand trägt er sein Geschenk. Auch sein Blick sucht das Kind in der Krippe, seine Handbewegung ist wie eine Antwort auf die Gebärde der Maria, zur Andacht innehaltend. Ihm folgt der junge König. Gekleidet ist er wie seine Gefährten mit langem Gewand und Mantel, sein Haar ist kurz und dicht unter der Krone; er trägt Ohrringe, keinen Bart. Der Tradition nach ist er der Mohrenkönig.

Also, von Königen zu reden, war der bildhaften Tradition geläufig. Aus der Art der Geschenke schloss man auf die Geber. Matthäus selbst erzählt nur von Weisen. Sie sind nicht an sich interessant, sondern nur, weil sie auf dem Weg nach Bethlehem sind. Wer waren sie? Die fremden Weisen oder die weisen Fremden verkörpern eine Botschaft, ohne die das weihnachtliche Geschehen unvollständig wäre. Die Fremden stehen für fremde Völker und Kulturen, die bisher keine Beziehung hatten zu Israel und der Geschichte Gottes mit seinem Volk, so wie unser Volk, das sich von den Germanen und deren Vorfahren herleitet, ursprünglich auch mit diesem Geschehen nicht verbunden war. Aber durch die Weisen aus dem Morgenland werden fremde Völker mit einbezogen in die Heilsgeschichte des Neuen Bundes, den Gott mit den Menschen schließt. Also auch wir werden einbezogen. Im fernen Osten warteten Menschen auf einen Weltenkönig, der das goldene Zeitalter bringen sollte. Sie warteten auf die Zeit, in der die Menschen glücklich, leicht und friedevoll miteinander leben sollten. Das goldne Zeitalter  χρýσεον γÝνος, (chrýseon génos )‚Goldenes Geschlecht‘, lateinisch aurea aetas oder aurea saecula ‚(Goldenes Zeitalter‘) ist ein Begriff aus der antiken Mythologie. Er bezeichnet die als Idealzustand betrachtete friedliche Urphase der Menschheitsgeschichte, die durch die entstehende Zivilisation beendet wurde. Die Idee der Wiederkehr dieser idealen Verhältnisse in der Gegenwart taucht in der Antike erstmals bei Vergil (70- 19 v. Chr.) auf, in der berühmten vierten Ekloge. Dort verkündet der Dichter den Anbruch einer neuen, mit der Geburt eines mysteriösen Knaben beginnenden Zeit, welche die bisherige eiserne Epoche ablöst. Der Evangelist erzählt nun, wie Menschen die Erfüllung ihrer Sehnsüchte erwarteten. Dass sie finden, was sie suchen, ist aber nicht ihrer Weisheit zuzuschreiben. Gott selbst kommt und lässt sich finden von allen, die sehnsüchtig suchen. Das ist die Botschaft der Epiphanie, der Erscheinung Gottes nach Matthäus. Alte Privilegien fallen. Ja, „die letzten werden die ersten sein". Die den weitesten Weg haben, dürfen Gott finden. Die den nächsten Weg haben, Herodes und die Schriftgelehrten, finden vor lauter Machtgier und Starrheit Gott nicht. Gott kommt und lässt sich finden von denen die sehnsüchtig suchen.

Wie lässt Gott sich finden? Rund um die Erde ist sein Stern sichtbar. Der Stern. Astronomen haben Theorien aufgestellt, welche Konjunktion sichtbar gewesen sein soll. Etwa die Jupiter-Saturn-Konjunktion im Tierkreis-Zeichen der Fische im Jahr 7 vor unserer Zeitrechnung. Aber solche Theorien, die zugleich das Datum der Geburt Jesu feststellen wollen - nach der Perspektive: Die Bibel hat doch recht - erfassen nicht die Absicht des Evangeliums. Matthäus möchte auf das Wunder zeigen: Gott selbst führt die sehnsüchtig Suchenden wunderbar. Wie der Stern rund um die Welt sichtbar ist, so ist Gottes Liebe für alle Welt sichtbar. Im Licht des Sterns sehen wir Fremden die neue Welt Gottes in diesem Kind, dem Christkind, beginnen. Durch dieses Kind scheint Gottes Licht für alle Menschen. Epiphanias, dieses griechische Wort für Erscheinung, sagt über dieser Geschichte: Gottes Liebe erscheint in menschlichem Antlitz. Der Stern als kosmisches Ereignis sagt: Weltweit gilt dieses Ereignis, ökumenisch; es betrifft die ganze bewohnte Erde, eben das bedeutet das griechische Wort οκουμÝνη oikoumene, ergänze gä (Erde). Kein Volk darf man aus diesem Geschehen ausschließen, ohne die Liebe Gottes gegen seinen Willen zu zerteilen. Die Tradition vom Mohrenkönig hat hier ihren berechtigten Sinn: Auch die fremden Christen aus anderen Ländern werden uns zugeführt.

Immer wieder wird deshalb diese Geschichte zur Herausforderung an die christliche Gemeinde, provinzielle Enge zu überwinden und rassistische Ideologien zurückzuweisen. 1937 verboten Nazis die „Mohrenlegende" von Gertrud Fussenegger (1912-2009). Sie handelte von einem Mohrenkind. Zur Zeit der Kreuzzüge, in denen sich Abenteuerlust, Geld- und Machtgier und Hass gegen Fremde unheilvoll verbanden, wurde ein Mensch anderer Hautfarbe nicht anerkannt. So wurde dieses Mohrenkind in seinem Dorf verachtet, diskriminiert und mit einem Tier verglichen, schließlich weggejagt und in den sicheren Tod geschickt. Aber im Sterben hatte es eine Vision vom schwarzen König und erfuhr so, dass es vor Gott den gleichen Wert wie andere Menschen hat.

Dasselbe Motiv im bayerischen Milieu gibt Hans Habe, eigentlich János Békessy (1911-1977) wieder. Er erzählt, wie ein schwarzer Junge in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wird zu der Zeit, als beim Drei-Königs-Singen sich alle wieder an die Rolle des Mohrenkönigs erinnern und man einen echten schwarzen Spieler nahm, nachdem der angemalte Spieler wegen Krankheit ausgefallen war.

Immer wieder wird die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland eine Mahnung bleiben, die Kirche möge sich ihres Herrn wegen ihrer Bindung an die Christen in anderen Völkern erinnern.

Und wie aktuell ist diese Mahnung! Im August 2012 jährte sich zum 20. Mal der rassistische Brandanschlag auf das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, in dem 1992 die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber(innen) für Mecklenburg-Vorpommern und ein Wohnheim für Vietnames(innen) untergebracht war. Die Neonazis konnten unbehelligt, ja mit Beifall von Zuschauenden das Wohnheim in Brand setzen. Sämtliche Bewohner(innen) und Unterstützer(innen), die sich im Sonnenblumenhaus aufgehalten haben, konnten sich nur mit Mühe und viel Glück über das Dach retten. In Gedenken an dieses Pogrom fand eine Reihe von Veranstaltungen aller politischen Richtungen statt.

Christinnen und Christen sollen bereit sein zur Überwindung von Hass und nationaler Engstirnigkeit, bereit sein zur Hilfe und Barmherzigkeit gegenüber Notleidenden, bereit sein zu lernen vom Bekenntnis fremder Christinnen und Christen.

Wer ist Gott seit Epiphanias? „Ich hab's oft gesagt", sprach D. Martinus Luther, „und sag es noch: Wer Gott erkennen und ohne Gefahr von Gott spekulieren will, der schau in die Krippe, heb unten an und lerne erstlich (erstens) erkennen der Jungfrau Marien Sohn, geboren zu Bethlehem, so (wie er) der Mutter im Schoß liegt und säugt (saugt) oder am Kreuz hängt, danach wird er fein lernen, wer Gott sei. Solches wird alsdann nicht schrecklich, sondern aufs Allerlieblichste und Tröstliche sein. Und hüte dich vor den hohen fliegenden Gedanken, hinauf in den Himmel ohne diese Leiter zu klettern, nämlich den Herrn Christus in seiner Menschheit, wie ihn das Wort fein einfältig darstellt. Bei dem bleibe und lass dich von der Vernunft nicht davon abführen!"

Glücklich und selig der, dessen Suche beendet ist. Unaussprechliche Freude erfüllt die Weisen, als sie vor dem Kind stehen. Sie fallen in Ehrfurcht nieder. Nun sind Ort und Zeit gefunden, von denen aus sich alles erschließt: das eigene Leben, das Leben der anderen.

Am Ende unseres Lebens kommen wir nicht weiter als die Weisen. Viele gehen erst durch Irrungen und Wirrungen, bis sie sich wieder dem Geheimnis nähern, von dem die Kinder (mit Paul Gerhard, EG 36,2) singen: „Gott wird Mensch, dir Mensch zugute" und mit Martin Luther (EG 23,6) „Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm". In diesem kleinen Kind wird die Liebe Gottes Person. Es offenbart sich die Macht der Liebe. Ohnmächtig ist sie, klein und zart ist das Kind, arm seine Eltern. In Zukunft wartet das Kreuz, wie das Altarbild des Rogier van der Weyden zeigt. Entlegen ist der Geburtsort. Doch mächtig ist der Kommende, sodass ihm Geschenke wie sonst für Könige gebracht werden sollen. Gold und wohlriechende Harze als Zeichen der Huldigung. Der wahre König soll so sein, wie die Propheten es erwartet haben: Er soll Gottes Volk „weiden". Der gute Hirte wird er sein (V.6). Menschen bekommen unter seine Leitung erst Orientierung, wissen, wofür sie arbeiten, lernen, Gutes zu tun, lernen das Glück kennen, finden mit Gott auch den Weg zum Mitmenschen. Der wahre König der Welt ist der Barmherzige. Im Lichte der Wahrheit erst gibt es Sinn, dass die knienden Weisen in der kirchlichen Tradition Könige sind. Denn er ist der Herr der Könige und der Bruder der Elenden. Mit seiner Geburt beginnt die Hoffnung auf eine neue Erde, auf der die Sanftmütigen herrschen wie Könige (5,5). Macht bekommt in der Nachfolge Jesu eine Wirkung, die stützt und trägt. Es ist die Macht, die das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht (12,20).

Hier wird die Geschichte von der Erscheinung der Macht der Liebe zur Gegengeschichte. König genannt wird ja der brutale König Herodes, von dem Mordbefehle gegen drei seiner Söhne bekannt sind, der kurz vor seinem Tod noch mit Mordplänen befasst war, der - nach Matthäus - vor dem Mord an Bethlehems Kindern nicht zurückschreckte. Der Schreckenskönig, ein Terrorist im öffentlichen Dienst, wird durch den König der Barmherzigkeit in Frage gestellt. Auch heute noch stellt er alle bösen Herrscher vor seinen Richterstuhl. Vergeblich sucht der böse Herrscher Herodes religiöse Absicherung. Ohne Willen und Wissen müssen seine Hofpriester bestätigen, dass die Geburt Jesu ein Eingreifen Gottes zugunsten des armen gequälten Volkes ist. Christi Sanftmut wird dem Größenwahn der mit Massenvernichtung Herrschenden gegenüberstehen. Statt Schrecken wird er „Ruhe" für die „Mühseligen und Beladenen" bringen.

Glücklich und selig, wer sein Leben mit Arbeit und Mühe in den Dienst des erschienen Königs der Welt stellen will! Er findet, sie findet, was die Weisen finden: „Sie wurden hoch erfreut."

Amen

 



Pfarrer i.R. Dr. Reinhard Gaede
32052 Herford
E-Mail: reinhard-gaede@gmx.de

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