Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit: 1. Sonntag in der Passionszeit, 17.02.2013

Predigt zu Matthäus 4:1-11 (dän.Perikopenordn.), verfasst von Eberhard Harbsmeier



Manchmal kann es von Vorteil sein, die Bibel auf Dänisch zu lesen, denn ich finde, dass das Evangelium, das wir gehört haben und das davon berichtet, wie der Herr in der Wüste versucht wurde, eigentlich auf Dänisch besser klingt als auf Griechisch. Denn da kommt ein kleines Wort vor, das wir vielleicht gar nicht bemerken, das aber in Wirklichkeit das wichtigste ist, das Wort, das sagt, was Versuchung und Sünde im Grunde ist: es ist das Wort „hvis" (deutsch: wenn). Hvis hvis. Es ist so hübsch auf Dänisch - auf Griechisch klingt es nicht so gut, da steht nämlich e„ (e-i = wenn), denn woran man denken mag, wenn man immerzu dieses „hvis" hört, ist doch die Schlange im Paradies, die Adam versucht: Hvis hvis hvis. Eigentlich ist es ja ein hässliches Wort, und genau da fängt das Böse an: Hvis (= wenn) du Gottes Sohn bist... Hvis (wenn) du Gottes Sohn bist; man fühlt förmlich körperlich, wie sich die Bosheit einschleicht - allein mit diesen Worten.

Ich habe mir gedacht, heute eine Predigt nur über dieses kleine - und gefährliche - Wörtchen zu halten. Warum ist es so gefährlich, so zersetzend, „wenn" zu sagen? Warum fängt die Versuchung zum Bösen mit diesem Wort an? Sollte es denn so schlimm sein, „wenn" zu sagen? Nun finde ich ja nicht, dass der Gebrauch des Wortes an sich schon Sünde wäre, aber der Geist, der sich darin ausdrückt, ist gefährlich, wenn dieses „wenn" zu einer Lebenshaltung wird. Denn dies kleine Wort sät Zweifel, untergräbt unser Vertrauen zu anderen Menschen, das Vertrauen zum Leben, zu dem, was uns im Leben und im Tod trägt. Es klingt ja ganz harmlos - aber es nimmt ein schlimmes Ende, wenn wir diesem „wenn" nachgeben. Es untergräbt das Vertrauen von Menschen zueinander und das Vertrauen zu Gott und dem Leben gegenüber.

Es fängt eigentlich harmlos an. Aber es ist zersetzend, dieses „wenn". Damit fängt es an. Zweifel zu säen. Ich stelle mir den Teufel eigentlich nicht als Mann mit Pferdefuß und Hörnern vor, der nach Schwefel riecht. Ich ziehe eigentlich das alttestamentliche Bild von der Schlange vor, die ununterbrochen zischelt oder eben „hvis hvis" sagt. Vielleicht - so haben wir es uns wohl vorzustellen - war es draußen in der Wüste eine innere Stimme, die sagte: „Hvis nu...", „wenn nun..." Das Böse fängt nämlich nicht an, wenn man dumm ist; das glaubten die Griechen, sie meinten, das Böse sei eine Form von Dummheit und Primitivität.

Das aber ist nicht das Böse im christlichen Sinne - das Böse fängt dort an, wo man superklug sein will. Es ist nicht dumm sein, es ist vielmehr klüger sein wollen als der Herrgott, klüger als das Leben, klüger als die Wahrheit. Genau das tut man doch, wenn man alles in Zweifel zieht, wenn man immer nur „wenn wenn wenn" sagt.


II

Das griechische Wort, das wir mit Versuchung übersetzen, bedeudet eigentlich etwas anderes. Unter Versuchung verstehen wir ja wohl verführt zu werden von etwas, was verlockend ist, was hübsch und schön - und doch gefährlich ist, wir denken am ehesten an so etwas wie schöne Frauen, verführerische Getränke. Als wäre es hübsch und festlich, wenn man sündigt. Aber das ist es doch nicht, das Böse ist hässlich, und das griechische Wort für Versuchung peiramos bedeutet eigentlich „auf die Probe stellen", „versuchen", „examinieren", ja, man kann das Wort auch mit „experimentieren" übersetzen. Das ist es, was die Schlange - oder der Teufel - tut: anstatt in Vertrauen und Glauben das von Gott geschenkte Leben zu leben, experimentiert er mit ihm, man will sozusagen klüger als das Leben sein. Steine in Brot zu verwandeln, Wunder zu tun, das ist die Versuchung, klüger sein zu wollen als Gott - denn das ist doch der wesentliche Punkt in der letzten Frage des Teufels: Was ist nun, wenn das Böse in Wirklichkeit für etwas gut ist? Mit dem Teufel einen Pakt zu schließen. Die Dinge auf den Kopf zu stellen, so dass das Böse plötzlich zu etwas gut wird. Es fängt harmlos an, als ein Gedankenspiel - aber es hat ein schlimmes Ende. Das ist die Geschichte der Sünde. Zweifel säen, mit dem Leben experimentieren, mit anderen Menschen - zuerst in Gedanken, dann in Wirklichkeit, das ist der Ursprung alles Bösen. Das Böse untergräbt alles ehrliche Zusammenleben, alle Freude und alles Vertrauen auf das Leben - mit ihm zu spielen anstatt es zu leben, mit ihm zu experimentieren anstatt es aus der Hand Gottes zu empfangen, alles verbessern zu wollen. Es ist die Grenzenlosigkeit, die böse ist, alles aufs Spiel zu setzen und sich zum Herrn über das Leben zu machen. Davon zischelt die Schlange, das zischelt der Böse Jesus ins Ohr.


III

Was soll man also mit dieser Versuchung machen? Einerseits ist die Antwort ja ganz einfach, es geschieht ja jedesmal das, was wir heute gehört haben, nämlich, wenn wir die heilige Taufe feiern, die ja mit einem Nein beginnt, oder besser mit einer Entsagung. Mit dem Teufel kann man nicht argumentieren, so wahr der Weg in die Hölle mit guten Argumenten gepflastert ist. Nein zu sagen, das ist das allererste.

Aber haben wir die Kraft dazu? Können wir uns selbst sicher sein, dieses Nein sagen zu können? Ja, man könnte genau wie die Schlange fortfahren: Was ist, wenn die Versuchung zu stark ist? Sind wir dieser Anfechtung und Versuchung gegenüber nicht wehrlos, werden wir bei diesem Examen nicht durchfallen?

Ich kann mich an die Geschichte von einem Mann erinnern, der sein theologisches Examen bestanden hatte. Ein Fest wurde gefeiert, und der Mann hatte an der Seite eines alten Propstes Platz genommen. Der sagte zu dem jungen Mann: Ja, jetzt haben Sie Ihr Examen bestanden - aber das war nicht Ihr letztes Examen - was jetzt auf Sie wartet, ist das Examen des Lebens. Ich hätte dem alten Propst antworten wollen: Nein, das Leben ist kein Examen - nur ein Pharisäer kann behaupten, dass er mit Glanz das Examen des Lebens würde bestehen können. Da fallen wir doch gewissermaßen alle durch. Dazu will uns doch der Teufel oder die Schlange bringen: Das Leben zu einem Examen zu machen, das man bestehen kann, oder zu einem Kampf, den man gewinnen kann. Klüger zu sein als Gott.


IV

Die Evangelien erzählen die Geschichte von Jesus in der Wüste ja nicht, um uns schamloserweise einen Einblick in Jesu Innenleben zu gewähren. Wir wissen in Wirklichkeit nichts darüber. Sondern sie wollen sagen, dass es - christlich verstanden - einen Kampf gibt, den nicht wir bestehen sollen, sondern den Christus für uns gewonnen hat. Wir singen heute das Lied, das zu diesem Sonntag gehört: Ein feste Burg ist unser Gott. Man hat das Lied oft missverstanden, als wäre es ein Kampflied, wobei sich der Christ gegen alle Feinde und Anfechtungen standhaft behauptet. In Wirklichkeit ist es kein Kampflied, sondern ein Trostlied - für den Menschen, der eine Niederlage fühlt, der die Sorge hat, dass er das Examen des Lebens nicht bestehen kann. Luther schrieb das Lied in einer Situation, in der er Angst hatte. Überall gab es Streit, die Reformation war festgefahren, er geriet mit seinen besten Freunden in Konflikt, wurde krank und wurde das Opfer einer tiefen Depression. Was ist dann, wenn (dieses „hvis hvis hvis" der Schlange) - wenn Gott mich verlassen hat, wenn die Anderen recht haben? In dieser Lage schrieb Luther das Lied, und seine Botschaft ist kein Kampfruf, sondern Trost: Diesen Krieg sollst du gar nicht gewinnen, Christus hat ihn für dich gewonnen. Nicht du sollst stark sein, sondern Christus in dir. Du sollst nicht die Sache - und das Leben - in die eigene Hand nehmen, sondern es Christus überlassen, dich Christus ergeben, der für dich gewonnen hat. Es ist ja wahr, was wir vor der Predigt gesungen haben: „Doch sicher ist: verloren hat,/ wer Streit mit Gott gewagt." Aber auch der verliert, der Streit mit dem Teufel wagt. Christus ist es, der für uns in den Krieg zieht.

Selbst das Böse besiegen, ausrotten zu wollen, macht das Schlimme nur noch schlimmer - sich Christus zu befehlen, der für uns den Teufel besiegt hat - das ist der Sieg des Glaubens.

 



Rektor Professor Eberhard Harbsmeier
DK–6240 Løgumkloster
E-Mail: eh@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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