Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit: 1. Sonntag in der Passionszeit, 17.02.2013

Predigt zu Lukas 22:31-34, verfasst von Helmut Brendel

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater

und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Sängerinnen und Sänger,

früher, als die Menschen noch ihr täglich Brot selber backen mussten, da begann diese Arbeit mit dem Sieben des Getreides. Mit einem Scheffel wurde das Korn in ein grobes Sieb geschüttet. Das wurde geschüttelt und zurück blieb die Spreu, die so vom Weizen geschieden wurde. Aber zurück blieben auch das berüchtigte schwarze Mutterkorn und der Dreck, den die Mäuse hinterlassen haben. An dem Mutterkorn haben sich die Menschen durch die Jahrtausende schwerste Vergiftungen zugezogen. Die berühmteste Kreuzigungsdarstellung der Kunstgeschichte, der Isenheimer-Altar im Unterlinden-Museum in Colmar im Elsass, zeigt den Gekreuzigten nicht als Pestkranken, sondern mit den Symptomen dieser grässlichen Vergiftung. Der Antoniterorden hatte im Mittelalter die Versorgung der Menschen übernommen, die am sogenannten Antoniusfeuer litten. So nannte man die grässlichen Vergiftungserscheinungen durch das schwarze Mutterkorn. Für dessen Spital in Isenheim hatte Matthias Grünewald diesen Altar geschaffen.

Liebe Freunde, in unserm Bibeltext spricht Jesus den Petrus nicht mit dem Namen an, den er ihm gegeben hat. Er nennt ihn nicht Petrus, den Felsen, auf den er seine Kirche gründen will. Sondern er nennt seinen ursprünglichen Namen Simon: Simon, siehe der Satan begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Damit spricht er ihn nicht als den Träger eines Amtes an, sondern als einfachen Menschen. Er spricht ihn an in seiner Stärke, aber auch in all seiner menschlichen Schwachheit. Dass er wie alle Menschen beide Seiten hatte, das war bei ihm exemplarisch ausgeprägt. Dafür hat er unter Theologen auch den Spitznamen der Wackelfels erhalten. Jesus spricht ihn damit an, dass er nun auf dem Kreuzweg Jesu sich nicht nur seiner Stärke, sondern auch seiner menschlichen Schwachheit bewusst sei solle. Wie am Anfang der Hiobgeschichte bezieht er sich auf den Satan, der den frommen Hiob in Versuchung führen sollte. Diese Szene hat dann Goethe angeregt zur berühmten Szene zum Eingang seines Faust. Auch dort bekommt der Satan von Gott Erlaubnis, den Hiob in Versuchung zu führen. So wird der Satan nun die Jünger auf der Via Dolorosa Jesu in Versuchung führen. Damit soll er die Spreu vom Weizen trennen.

Liebe Freunde, damit spricht Jesus ein menschliches Grundproblem an. Wir alle haben zwei Seelen, ach, in unserer Brust. So formuliert es Goethe in seinem Faust. Wir alle haben einen Kraftmeier in unserer Brust, aber zugleich einen Schwachmatikus. Für dieses menschliche Grundproblem ist Petrus die Symbolgestalt.

Liebe Freunde, und wie das so typisch für ihn ist, protzt er nun los, wie wir es aus der Matthäus-Passion besser kennen. „Und wenn ich mit dir sterben müsste, so will ich dich doch nicht verlassen!“ Ob er sich dabei bewusst war, was er da Jesus versprach? Ich wage es zu bezweifeln. Was aus dem Geist des Widerspruchs geboren ist, hält in der Regel nicht, was es verspricht. Der Widerstand ist ein schlechter Ratgeber. Er ist aus Trotz geboren. Er will nicht wahrhaben, dass unsere Kraft Grenzen hat. Das wäre peinlich und beschämend oder gar traurig. All das sind die Gefühle, die wir gerne vor uns und anderen verbergen. Umso erstaunlicher war es in der vergangenen Woche, dass der Papst, der bisher ein Mann starker Worte und harter Entscheidungen war, sich der Schwachheit seines Alters beugte und seinen Rücktritt ankündigte. Darin erwies er als ein echter Nachfahre Petri. Aber ohne Spott und Schadenfreude empfand ich es als eine echte Bekehrung. Das entsprich dem, was Jesus in unserm Text zu Petrus sagte: Wenn du dich bekehrst, so stärke deine Brüder. Damit kann man unter Menschen wirklich punkten, viel mehr als mit Großsprecherei. Die stärkt eher die falsche Seite in uns die Seite, mit der wir mehr sein wollen als wir sind. Gegen die Großmäuligkeit des Petrus interveniert Jesus. In der Matthäus-Passion entgegnete er ihm: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Damit rettete Petrus ohne Frage sein Leben. Aber damit verriet Petrus auch seinen Herrn. Ohne es selbst zu wissen, wurde er damit aber auch zum Vollstrecker des göttlichen Heilsplans, wie z.B. auch Judas, der Verräter. Angesicht solcher Doppeldeutigkeit der biblischen Botschaft müssen wir uns fragen: Ist es möglich dem Zwiespalt in uns zu entrinnen? Müssen wir sozusagen gespalten bleiben? Müssen wir Kraftmeier und Feigling zugleich sein und bleiben?

Liebe Freunde, für die Frommen in und unter uns ist das eine schwere Anfechtung. Aber es gilt, was der Apostel Paulus unübertrefflich genau formuliert hat: Das Gute, das ich will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Der Apostel Paulus stand menschlich auf der anderen Seite als der Apostel Petrus. Der eine war der Kraftmeier, der sich seiner Schwachheit schämte und der andere war der Schwachmatikus, der sich seiner Schwachheit rühmte. Wir sind und bleiben mit allen überzeugenden Gestalten der Bibel „der Mensch im Widerspruch“ im Zwiespalt. Das gilt von Adam und Eva über die Väter des Alten Testaments und dem König David bis zu Jesus. Der Zwiespalt, in dem wir stecken, ist nicht zu überwinden. Wir stecken in ihm fest. Das ist der unübertreffliche anthropologische Realismus der Bibel. So ist der Mensch.

Aber liebe Freunde, so ist er nicht schlecht, der Mensch. Schlecht wird er erst, wenn er diesem Zwiespalt zu entrinnen versucht. Wenn er versucht, in eine bessere Welt und in ein besseres Menschenbild zu fliehen. Dann versucht er dem zu entrinnen, wie Gott ihn geschaffen hat. Er hat uns in diesem Zwiespalt geschaffen. Aber er hat uns auch in diesem Zwiespalt erlöst. Das Problem ist nur, dass wir uns nicht selbst davon erlösen können. Alle Selbsterlösungsversuche enden in der Katastrophe, in der der Mensch dann seine Begrenztheit erlebt. Dann muss uns der Tod als ein Werk des Teufels erscheinen. Dass uns Gott so geschaffen hat, mag keiner so recht glauben.

Aber erst, wenn wir uns im Kreuz Jesu festmachen können, dann können wir von dieser Katastrophe erlöst werden. Dann erst kann Gottes Werk der Versöhnung des Menschen mit sich selbst in der Passion Jesu gelingen. Und wenn sie gelingt, ist sie nicht von uns gemacht. Sondern dann dürfen wir sie als Gottes Geschenk annehmen. Dann dürfen wir mit Jesus von den Toten auferstehen in ein Leben, befreit von der teuflischen Todesangst, ein Leben in Frieden und Freiheit. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 

 



Pi.R. Pastoralpsychologe Helmut Brendel
Celle
E-Mail: hedabrendel@t-online.de

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