Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit: 1. Sonntag in der Passionszeit, 17.02.2013

Predigt zu Lukas 22:31-34, verfasst von Paul Kluge

Liebe Geschwister,

das letzte Abendmahl ist vorüber, berichtet das Lukasevangelium. Dass die Jünger keinen Wein mehr trinken würden, bis das Reich Gottes gekommen sei, sagt Jesus während des Mahls. Die Jünger verstehen das als Signal, dass es in den nächsten Tagen so weit sein wird, endlich so weit sein wird. Welche Strategie ihr Meister verfolgen, welche Taktik er anwenden wird, wissen sie nicht.

Dann löst Jesus mit seiner Ankündigung, dass einer der Jünger ihn verraten wird, eine lebhafte Diskussion unter ihnen aus. In kleinen Grüppchen stehen und sitzen sie beieinander und tuscheln mehr als dass sie reden. Jeder verdächtigt jeden. Doch über Verdächtigungen kommen sie nicht hinaus. So verebbt dies Thema und ein anderes nimmt Raum:

Dass sie als seine engsten Vertrauten in dem neuen Reich wichtige Rollen spielen, bedeutende Ämter innehaben werden, ist ihnen fast selbstverständlich. So entsteht ein Streit darüber, wer wohl was werden wird. Petrus in seiner Unbescheidenheit beansprucht für sich, der Erste gleich nach Jesus zu sein. Darüber empören die anderen sich, hat doch Petrus keinerlei besonderen Verdienste erworben, sich allenfalls durch Selbstüberschätzung hervorgetan. Manche nennen ihn – hinter vorgehaltener Hand – ein Großmaul.

Jesus, der sich in eine dunkle Ecke des Raums zurück gezogen hat, fährt nun verärgert dazwischen und weist seine Zwölf zurecht: „Keiner von euch ist mehr und keiner ist weniger als die anderen! Ich als euer Herr habe euch immer wieder auch gedient. Und so macht ihr das gefälligst auch unter einander. Wer der Erste sein will, soll Letzter werden, wer Herr sein will, Sklave.““

Betreten schweigen die Jünger, nur Petrus wendet noch ein „Aber …“ ein. „Kein Aber“, bringt Jesus ihn zum Schweigen. Petrus wendet sich ab, doch Jesus ruft ihn zu sich. Aufreizend langsam geht Petrus zu ihm. Die anderen bilden in einiger Entfernung einen lockeren Halbkreis hinter Petrus.

Jesus redet ihn mit „Simon“ an. Mit seinem ursprünglichen Namen. Manche der Jünger erschrecken, andere grinsen mit Häme in sich hinein: Diese Anrede ist eine Degradierung. Der so gern der Größte wäre, wird hier klein gemacht. Die Jünger verstehen die Lektion. Sie bedauern ihren Streit um Posten und schämen sich deswegen. „Was ihr da gerade veranstaltet habt“, müssen sie hören, „ist geradezu teuflisch. Wie Spreu seid ihr, und die gehört vom Weizen getrennt. Ihr seid der Versuchung erlegen, die diese Stunde mit sich bringt.“

Jesus macht eine Pause, die Jünger senken die Köpfe. Auch Petrus. Denn er hat überhört, dass Jesus alle Jünger anredet. Sie wieder einander gleich macht, gleich klein, gleich versuchbar, gleich zerbrechlich in ihrem Glauben.

„Dir, Simon“, fährt Jesus nun fort, „dir traue ich zu, dass dein Glaube nicht aufhört. Du hast manche gute Seiten. Doch leider auch manche dunklen. Und von denen lässt du dich oft mehr steuern als von den guten. Das muss anders werden, Simon, und ich weiß, dass du anders kannst. Du hast sogar das Zeug zum Vorbild. Doch bis dahin liegt noch ein langer und schwerer Weg vor dir. Deine Schattenseiten gehören zu dir wie deine Sonnenseiten. Doch welche du lebst, musst du in jeder Situation neu entscheiden. Das kann dir niemand abnehmen.

Freilich - die guten Seiten zu leben, ist oft anstrengender als den dunklen zu folgen. Aber die Anstrengung lohnt, und je länger du dich darin übst, umso mehr wird es dir gelingen.“

Die anderen Jünger blicken Jesus erstaunt an. Einige finden, dass Simon das schon viel früher hätte hören müssen. Andere finden die Worte Jesu noch viel zu mild. Noch andere befürchten einen Wutausbruch Simons. Alle aber nehmen sich die Worte auch selber zu Herzen. Ihnen ist klar und oft genug haben sie es erlebt: Was Jesus einem der Ihren sagt, gilt allen. Und sie wissen auch sich selbst unterwegs zu einem festen Glauben. Ahnen, dass in den nächsten Tagen ihr Glaube sich wird bewähren müssen. Kennen die Versuchung durch die eigenen Schattenseiten.

Manche Erinnerung steigt in ihnen auf, Erinnerungen an Situationen aus ihrer bisherigen Zeit mit Jesus, wo sie nicht ihm, sondern ihren dunklen Seiten gefolgt sind. Erinnerungen auch aus der Zeit davor, wenn sie – manchmal sogar bewusst – gegen das Gebot verstoßen hatten, Gott und den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Sie möchten es gern ungeschehen machen. Doch das geht nicht; sie müssen mit ihrer Vergangenheit leben. Können nur versuchen, aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen.

Während Jesus und Simon schweigen, reden sie miteinander leise darüber. Das tut ihnen gut, erleichtert und stärkt sie. „Herr, ich bin bereit“, hören sie Simon mit fester Stimme sagen und wundern sich über seine Einsicht, über seine Bereitschaft zum Umdenken. Einige wollen schon zu ihm gehen und ihn umarmen, als er weiter spricht: „Ich bin bereit, dir ins Gefängnis und sogar in den Tod zu folgen!“

Die Jünger erstarren: Petrus stellt sich auf eine Stufe mit Jesus! Der ist, wie es ihnen scheint, fertig mit Petrus. Tiefe Enttäuschung schwingt in der Stimme Jesu, als er sagt: „Du kennst mich nicht. Und das wirst du noch in dieser Nacht, noch bevor es tagt, öffentlich bekennen. Wird dann noch ein Hahn nach dir krähen? - Und jetzt“, wendet er sich an alle, „ist es Zeit. Seid ihr bereit?“

Zaghaft nicken die Jünger, denn sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Noch weniger wissen sie, wie sie sich verhalten werden. Petrus, das ist ihnen klar, ist der Letzte, auf den sie sich verlassen können. Auf sich selbst müssen, und auf Jesus können sie sich verlassen. Das ist genug. Amen

 



Landespfarrer a.D. Paul Kluge
Leer (Ostfriesland)









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