Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiscere: 2. Sonntag der Passionszeit, 24.02.2013

Predigt zu Matthäus 15:21-28 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Birgitte Graakjær Hjort


Zu Gott beten nützt! Die Gebete, die wir beten, sind keine gleichgültigen, ins Blaue gesprochenen Merkverse. Es sind Notrufe, die Gott berühren – und sie können IHN zum Eingreifen bewegen. Das ist die Botschaft in der hier folgenden Predigt.

Und nun kann es sehr wohl sein, dass man denkt: „Es mag manchmal so sein, dass Beten nützt. Aber wir haben auf jeden Fall auch das Gegenteil erlebt – dass gar nichts geschah, nachdem wir gebetet hatten.“

Viele von uns haben gewiss versucht, Gott um etwas zu bitten, und dann erlebt, dass überhaupt nichts geschah. Die meisten Menschen, die zu Gott beten, kennen das: wir haben gebetet, weil wir SEINE Hilfe sehr nötig hatten. Aber ER hat uns keine Antwort auf unser Bitten gegeben. Jedenfalls keine Antwort, die wir hätten hören können. Und ER hat für das Problem, das wir hatten, keine Lösung geschickt.

Vielleicht haben wir uns sogar in einer Lage befunden, in der wir Gottes Eingreifen so verzweifelt nötig hatten, dass wir IHN geradzu angefleht haben, ER möge uns helfen. Weil die Lage, in der wir uns befanden – oder in die dienenigen geraten waren, für die wir beteten, fast nicht mehr zu ertragen war.

Vielleicht haben wir für Bekannte gebetet, die von ernsthaft krank waren. Wir haben wiederholt dafür gebetet, dass der Betreffende gesund werden möge. Aber so kam es nicht. Der Bekannte starb an seiner Krankheit.

Oder wir sind an unserem Arbeitsplatz gekündigt worden. Die Finanzkrise hat sich ausgewirkt. Und die Zahl der Mitarbeiter musste um die Hälfte reduziert werden. Und wir gehörten zu denen, die nicht mehr gebraucht wurden. Vom einen Tag auf den andern hatte sich unser Leben völlig geändert, und unser Selbstwertgefühl war auf einen Tiefpunktg gesunken. Wir haben fieberhaft eine neue und sinnvolle Arbeit gesucht. Und wir haben auch zu Gott gebetet, dass er uns helfen sollte. Aber wir haben keine Antwort bekommen. Gott schwieg und war stumm.

Oder wir haben des Nachts schlaflos im Bett gelegen und uns pausenlos von der einen auf die andre Seite gewälzt, weil wir ein Kind hatten, das ernsthaft erkrankt und ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Wir haben Gott inbrünstig um Hilfe gebeten. Aber es trat keine Besserung ein. Und unser Kind schwebte zwischen Leben und Tod.

Eine solche Verzweiflung hatte die kanaanäische Frau heimgesucht. Ihre Tochter war schwer krank und litt an furchtbaren Schmerzen. Vielleicht war sie sogar so krank, dass ihre Mutter Angst hatte, sie zu verlieren. Sie suchte verzweifelt Hilfe. Deshalb lief sie zu Jesus und schrie, ob er ihre Tochter nicht gesund machen wolle. Er war doch Gottes Sohn, und er konnte heilen.

Und was tat Jesus? Ja, zuerst überhörte und übersah er sie ganz. Er „antwortete ihr kein Wort“, haben wir eben gehört.

Es ist ja nicht gerade diese Reaktion, die wir von Seiten Jesu gewohnt sind. In den meisten Fällen ließ Jesus alles stehen und liegen, was er gerade in Händen hatte, und tat alles, um zu helfen. Er schob auf, was er gerade vorhatte, wenn jemand ihn akut nötig hatte. Aber diesmal schwieg er und sagte kein Wort.

Und es wurde noch schlimmer, denn als die Frau nicht aufgab, sondern neben Jesus stehen blieb und an seine Hilfsbereitschaft appellierte, sagte er mit dem Gestus der Ablehnung zu ihr, dass er gar nicht zu solchen Menschen wie sie gesandt sei. Er sei nur zum Haus Israels gesandt. D.h. zu den Juden. Sie war ja kein Jude, sondern Kanaanäerin. Sie gehörte einfach nicht in die Kategorie seiner Zielgruppe.

Und Jesus fügte sogar noch ein äußerst provokantes Bild hinzu. Denn er sagte zu der Frau, man dürfe den Kindern nicht ihr Brot nehmen und es vor die Hunde werfen. Die Frau und auch alle anderen, die keine Juden waren, wurden also mit Hunden verglichen. Und Jesus konnte doch das Brot, das den Kindern – also den Juden – gehörte, nicht nehmen und es solchen Hunden wie der Frau geben.

Wie konnte Jesus nur so etwas sagen? Wie konnte er darauf verfallen zu sortieren, und dadurch einen Menschen abweisen, der in Not war? – Predigen wir denn nicht ununterbrochen genau dies, dass es bei Gott keinen Unterschied zwischen den Menschen gibt? Dass bei ihm alle willkommen sind? Ja. Das tun wir, und es gilt auch immer noch. Aber der Grund, warum Jesus so sprach, war der, dass er zuerst zu den Juden gesandt war. Danach würden dann erst die Heiden an die Reihe kommen. Die Juden zuerst. Und dann: der Rest der Welt.

Und hier wollen wir gleich etwas sehr Entscheidendes in Erinnerung rufen: Jesus lehnte es in Wirklichkeit nicht ab, der Frau Hilfe zu gewähren. Sondern er sagte, dass sie warten müsse. Denn sie war noch nicht an der Reihe.

Und was tat die Frau daraufhin? Ja, sie gab nicht auf. Sie tat etwas andres. Sie fing an, Jesus zu plagen. Sie fuhr beharrlich fort, ihn um Hilfe zu bitten. Sie drängte sich auf und flehte ihn an, doch einzugreifen. Denn sie konnte der Lage ohne seine Hilfe nicht Herr werden. Und mit ihrer Plage wurde sie zu einem Vorbild für uns.

Ihre wiederholte Bitte führte dazu, dass Jesus sagte, sie habe einen großen Glauben. Ihre Beharrlichkeit und ihre Argumentation ließen Jesus eingreifen. Als sie ihre Not geklagt und alle Gründe für ihre Sache vorgetragen hatte, blieb Jesus stehen. Ihre Lage beeindruckte ihn. Und so handelte er. „Frau, dir geschehe, wie du willst!“ Und zur selben Stunde wurde ihre Tochter gesund.

Was haben wir aus diesem Bericht zu lernen? – Wir sollen lernen, dass wir fortfahren, zu Gott zu beten, wenn wir Hilfe brauchen. Es nützt. Bete noch einmal. Wir dürfen plagen und flehen, wenn wir völlig verzweifelt sind. Ja, wir dürfen es nicht nur, wir werden geradezu dazu aufgefordert. Gib nie auf, auch wenn wir erleben, dass Gott schweigt. Ja, auch dann, wenn wir finden, dass es so aussieht, als wolle ER uns gar nicht helfen, – auch dann sollen wir trotzdem im Gebet ausharren. Denn Gott lässt sich von unserer Not beeinflussen.

Aber ist es jetzt nicht, wie wenn hier irgendwas nicht ganz stimmt? Denn würde es nicht bedeuten, dass es bloß eine Frage der Häufigkeit des Gebets oder der Intensität ist, mit der wir Gott plagen, oder eine Frage, ob wir auch gut genug sind, Gott gegenüber zu argumentieren, ehe er nachgibt? Ist Gott so einer, der sich umbesinnen und seine Pläne ändern kann, je nachdem, wir sehr wir zu ihm beten?

Das ist nun mehr, als wir beantworten können. Wir können nicht alle Dinge verstehen und im Einzelnen erklären. Und wir können im Einzelfall nicht sagen, warum Gott eingriff, oder warum ER nicht eingriff. Aber wir können sagen, dass uns der Bericht, den wir heute gehört haben, dazu auffordert, mit dem Beten fortzufahren und darin auszuharren. Und es gibt in der Bibel manche Beispiele dafür, dass Gott sich bewegen lässt und eingreift.

Es gibt den Bericht aus dem AT über Jakob, der eine ganze Nacht lang mit Gott ringt. Jakob wollte nicht ablassen, ehe Gott ihn segnete. Und am Ende bekam er den Segen. Auch im Buch der Psalmen gibt es Beispiele, dass Menschen ihre Not geklagt und um Hilfe gefleht haben, und wo der Psalm dann damit endet, Gott zu danken und zu sagen: „Du hast mir geantwortet.“

Wir verstehen es nicht völlig. Und niemand von uns hat die Offenbarung erfahren, wie es sein kann, dass unsere Gebete manchmal den allmächtigen Gott zum Eingreifen bewegen können, wenn wir unafhörlich plagen. Und wir verstehen noch weniger, warum er dann nicht eingreift, wenn ER doch die Macht und Möglichkeit dazu hat.

Aber uns bleibt die Tatsache, dass Gott keine unbewegliche Maschine ist. Es ist Gott nicht egal, wie es uns geht. Die Gebete, die wir beten, sind keine gleichgültigen, ins Blaue gesprochenen Merkverse. Es sind Notrufe, die Gott berühren und IHN zum Eingreifen bewegen können. Und damit sind wir wieder da, wo wir angefangen haben.

Darum lautet die Botschaft dieses Gottesdienstes: Wir dürfen und sollen mit dem Beten fortfahren, auch wenn wir finden, von Seiten Gottes hätten wir bis jetzt nur Schweigen erfahren. Wir müssen noch einmal beten in der Hoffenung, dass ER uns eines Tages antworten wird. Gott lässt sich durch das Gebet von Menschen bewegen. Darum nützt es zu beten.

Amen





Pastorin Birgitte Graakjær Hjort
DK-8200 Århus N
E-Mail: bgh@christianskirken.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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