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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmarum: 6. Sonntag nach der Passionszeit, 24.03.2013

Predigt zu Matthäus 21:1-9 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Michael Wagner Brautsch


Wirklich viele Juden waren es, damals vor 2000 Jahren und jetzt, die erwarteten, wenn der Messias kommt, dann würde es mit einer militärischen Übermacht geschehen, die erschlagen kann - und zwar damals die römischen Besatzungstruppen und heute: Israel vom Unglauben reinigen und die Grenzen sichern, mit einem guten breiten Sicherheitsabstand zu allen Nachbarsländern. Keine Weltherrschaft, aber ein freies Groß-Israel, in dem Mlich und Honig und Orangensaft frei fließen. Und in dem Gott der Herr selbst Wohnung nimmt.

Die Juden warten also immer noch.

Man könnte fragen, warum es so wichtig ist, von diesem Einzug Jesu in Jerusalem zu hören, wenn er doch nicht recht zu etwas führte. Ist der Sinn der, die Volksmenge bloßzustellen, die also am Sonntag „Hosianna in der Höhe!" ruft, und am Freitag „Kreuzige ihn!"? Oder soll gezeigt werden, dass wir Menschen Opportunisten sind und uns leicht verführen lassen; schwach und gebrechlich wie Simon Petrus, der als erster von den Aposteln bekennt: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes" und später verspricht, dass er seinen Heiland nie verleugnen werde, der sich dann aber trotzem durch ein paar Leute von der Straße bedroht fühlt und schwört, dass er diesen Jesus von Nazareth nicht kennt.

Sind wir Menschen bloß Sklaven unserer Begierden, und ist der Einzug in Jerusalem nur als ein Beispiel für die grenzenlose Heuchelei der Menschen zu betrachten?

Warum sollen wir vom Einzug Jesu hören, wenn ER den Einzug zu rein gar nichts nutzte? Er hätte doch die Stadt nur ganz unbemerkt mit seinen Jüngern betreten können, denn das schließliche Ergebnis war doch schon gegeben: Er wusste, dass ER zu Ostern nach Jerusalem kam, um zu sterben!

Wir sollen die Geschichte hören, weil sie ein Bild dafür ist, was tagtäglich geschieht, wenn ein Mensch Jesu Wort hört oder liest: Jesus ritt in Jerusalem ein wie ein König; und SEIN Wort erreicht uns heute, um über uns zu herrschen. Wie sich ein Volk einem irdischen Herrscher unterwerfen kann, so müssen wir uns Jesu Wort unterwerfen.

Und das Wort Jesu handelt von dem allmächtigen Gott, der in Liebe und gegenseitiger Loyalität wie ein Vater für uns sein will - uns also eine Liebe erweisen will, die wir sonst nur von unseren Eltern kennen: die Liebe, die nichts anderes erwartet als angenommen zu werden. Und Jesu Wort handelt von unserer Seligkeit und Erlösung und vom Tod des Todes, aber auch von unseren Pflichten dem Nachbarn und dem Nächsten gegenüber. Dass nur der, der frei ist von Schuld, sich erlauben kann, den ersten Stein auf diejenigen zu werfen, die sich versündigen.

Jesu Wort an uns ist die Verkündigung, dass das Reich Gottes gekommen ist und mitten unter uns ist, auch heute im Jahre 2013 - wir müssen nur unsere Augen, Ohren und Herzen öffnen. Jesu Wort spricht von Demut und Feindesliebe, aber auch von der Notwendigkeit des Gesetzes - wenn es die Liebe zwischen Menschen fördert.

Das Wort Jesu kommt heute zu uns, um über uns zu herrschen. Aber wie das christliche Ostern zeigt, vermögen wir uns nicht nach dieser Anweisung zu richten. Das bringt Karfreitag an den Tag, wenn der Mensch sich, anstatt dem König zu gehorchen, gegen IHN erhebt, ja sich in wahnsinniger Wut zum Richter über IHN aufwirft und IHN umbringt.

Warum nur? Weil seine Forderungen von einer anderen Welt waren. Sie waren - im Namen Gottes - an einen jeden Menschen gerichtet; nicht unterstützt durch glitzernde Verheißungen von Wohlstand und Demokratie, sondern geltend gemacht als Recht Gottes. Darum hält er seinen Einzug als der ohnmächtige König.

Hätte Messias Jerusalem mit starker militärischer Macht invadiert, dann hätten die Pharisäer und die Schriftgelehrten wie auch die römischen Behörden Grund zur Furcht gehabt. Jetzt aber kam ER nur auf einem Esel reitend, und das löste während des Prozesses keinen Respekt aus, sondern im Gegenteil Verachtung, Zorn und Verärgerung.

Welch frecher Spott gegen Gott: zu behaupten, man komme vom Allmächtigen, und sich gleichzeitig wehrlos sich selbst hinzugeben! Das erklärt, dass die Huldigung nicht das letzte Wort war, sondern nur zur Einleitung des Hasses und Mordes von Karfreitag wurde.

Wir werden nie damit fertig, die Osterereignisse zu durchleben, denn zwar können wir an Huldigungen für Jesus als den Sohn Gottes teilnehmen; aber im nächsten Augenblick sind wir dann selbst dabei, IHN zu kreuzigen, wenn wir versuchen, die Kontrolle über unser eigenes Leben in die Hand zu bekommen.

Das Wort Jesu hier in der Welt ist noch immer ein ohnmächtiges Wort, das blinden Glauben daran verlangt, dass das, was es sagt, wahr ist. Aber es gibt niemanden, der uns zwingen würde. Das Evangelium ist ohne jedes Machtmittel. In gewissem Umfang ist es uns ungeschützt ausgeliefert - genau wie Jesus den hasserfüllten Übergriffen des Volkes ausgeliefert war. Wenn es manchmal so aussehen kann, als hätte das Christentum einen gewissen Einfluss, so ist das darum in Wirklichkeit nur eine menschliche Erfindung, um die es sich dabei handelt: die Kirche als Organisation hat möglicherweise eine gewisse Macht, nicht aber das Evangelium, denn es hat nichts in dieser Welt, worauf es sich stützen könnte, und ist fortwährend der Verleugnung durch Menschen ausgesetzt.

Denn noch immer regieren Geld, Macht und Schlauheit. Man kann das Evangelium auf mancherlei Weise totschlagen, überall aber steht derselbe Unglaube dahinter. Das müssen wir uns klarmachen, und darum gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Menschen von damals und uns heute.

Und dennoch: wenn wir uns in SEINER Kirche hier auf Erden versammeln, haben wir eine neue Möglichkeit, eine neue und gestärkte Hoffnung geschenkt zu bekommen. Jesus begab sich als Erlöser nach Jerusalem, und bis heute gilt, dass SEIN Wort die Hoffnung auf Erden ist. Die Hoffnung ist für einen jeden Menschen: für den glücklichsten und den unglücklichsten, den Besten und edelsten Menschen und den geringsten und dürftigsten.

Aber warum ist dann SEIN Wort ohnmächtig? Warum lehnen Menschen es ab? Wollen wir mitten in diesem gefährlichen und unablässig vom Tode bedrohten Leben denn etwa nicht gern erlöst werden? Ist Hoffnung nicht genau das, was wir brauchen - mehr als irgend etwas sonst?

Wenn ER denn nur mit einer Hoffnung für einige Menschen gekommen wäre: etwa nur für die Kommunisten oder die Pazifisten oder Humanisten oder Nationalisten oder Moralisten; dann könnte man die Ablehung ja verstehen. Aber Jesus kommt mit einer Hoffnung, die für jeden ist. Ob wir sie nun entdecken können oder nicht. Warum verwerfen wir sie dann?

Wir verwerfen es ja eben deshalb, weil es ohnmächtig ist. Weil es nicht erfüllt, was wir von ihm erwarten. Denn das tut das Wort Jesu nicht. Eine Hoffnung, die keinen Frieden in die Welt bringt, die für uns, die wir auf der Erde leben müssen, kein sorgenfreies Dasein liefert oder uns doch wenigstens die Sicherheit gibt, dass wir zurecht kommen.

Das ist eine Hoffnung, die eigentlich nichts anderes sagt, als dass wir niemals von Gott und unserer Verantwortung vor IHM loskommen werden, weder im Leben noch im Tod. Eine Hoffnung, die sagt, dass wir uns mit der Gnade Gottes Sündern gegenüber begnügen sollen. Ist das eine Hoffnung? Für Gott ist das mehr als eine Hoffnung: es ist ein Evangelium, dh. eine frohe Botschaft.

Und das lehnen wir dann ab. Zwar jubelt das Volk am Anfang, aber sobald klar ist, dass der König, den sie in Jesus bekommen, ein König ist, der in dem ohnmächtigen Wort der Vergebung über sie herrschen wird, da wird die mit Friedenspalmen übersäte Stadt zu einer Stadt von Mördern. Und Jesus wusste es. Er hatte seinen Tod bereits vorausgesagt. Aber an dieser Stelle kommt das Wichtigste:

Auch wenn wir die Hoffnung verwerfen wollen, so wird die Hoffnung nicht uns verwerfen. Sie kommt zu uns, sanftmütig in unsere Welt reitend. Sie aufersteht von den Toten, jedesmal wenn wir sie erschlagen. Denn als Menschen Christus getötet hatten, da auferstand ER und fuhr in Fürbitte für uns auf zu seinem himmlischen Vater.

Für Fleisch und Blut kann es schwer zu begreifen sein, aber das ist so einzig und allein, weil es nicht von Fleisch und Blut ausgedacht ist, sondern direkt von Gott kommt. Zu dir und zu mir.

Amen



Pastor Michael Wagner Brautsch
DK 6700 Darum v/Esbjerg
E-Mail: mwb@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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