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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Tag der Auferstehung des Herrn: Ostersonntag, 31.03.2013

Predigt zu Johannes 20:11-18, verfasst von Winfried Klotz

 

Die Erscheinung Jesu vor Maria aus Magdala:

Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. (11-18) Mt 28,9f; Mk 16,9-11
12 Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. 
13 Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
14 Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
15 Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
16 Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Mk 10,51
17 Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
18 Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.

Liebe Gemeinde!

Nicht mit Jubelgeschrei und Siegesgesten beginnt Ostern für die erste Zeugin der Auferstehung, sondern mit Trauern, Bangen, Ungewissheit. Mit der Erfahrung, dass das Grab leer ist, was bei Maria von Magdala die Not noch größer macht: Jesus ist nicht mehr da, nun gibt es keinen Ort mehr, an dem sie um ihn trauern kann.

Trauer an Gräbern gab es zu allen Zeiten, auch die tiefe Not, dass es keinen Ort für die Trauer gibt, weil der Ort des Grabes unbekannt ist oder weil nicht nur das Leben eines geliebten Menschen, sondern auch sein Leichnam vernichtet wurde. Bis heute liegt diese Not auf den Nachkommen der Opfer des Holocaust, deren Leiber in den Verbrennungsöfen vernichtet wurden. Für religöse Juden eine besondere Qual, weil sie glauben, dass es für die, deren Leiber verbrannt wurden, keine Auferstehung gibt.

Trauer an Gräbern, eine schmerzhafte Wunde im Herzen empfinden, weil der Tod einen geliebten Menschen weggerissen hat, so geht es Maria Magdalena. Es geht ihr wie es allen Liebenden geht, sie weint um den geliebten Menschen, sie weint um Jesus. Sie ist gebunden an Jesus, den toten Jesus und entsetzt über das Verschwinden seines toten Leibes. Maria Magdalena ist an den Tod gefesselt und das ist in unserer Welt die Normalität! Rainer Maria Rilke beschreibt die Normalität des Todes in seinem Herbstgedicht so: „Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen."

Maria Magdalena steht am leeren Grab und weint, ratlos, hoffnungslos, tief traurig. Über ihren Augen liegt ein Schleier aus Tränen, so dass sie die beiden hellen Gestalten im Grab nicht erkennt. Weder erschrickt sie noch nimmt sie Kontakt zu ihnen auf. So tief ist sie gefangen in ihrer Trauer. Es sieht aus, als würden die beiden Totenwache halten; aber der Tote liegt ja nicht mehr in seiner Grabhöhle. „Frau, warum weinst du?" fragen die Engel aus dem Grab heraus. „Man hat meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat", ihre Antwort.

Nichts verändert sich für Maria durch die Gestalten im Grab. Kein Hauch des Lebens von Gott rührt sie an, obwohl doch die beiden Engel Boten des Lebendigen sind. Jesus ist weg, das ist eine Katastrophe für Maria, aus der sie auch die Erscheinung von Engeln nicht rettet. Man möchte Maria schütteln und sagen: Schau, da sind doch schon Boten des Lebens im Grab, sei doch nicht so entsetzlich tief gefangen in deiner Trauer! Lass doch eine kleine Blume der Hoffnung aufkeimen! Kann man denn so tief gefangen sein in Trauer und schmerzhaftem Verlust wie Maria?

Ja, man kann! Der Tod und die Trauer um unsere Toten sind unabweisbare Wirklichkeit und für manchen gibt es hier gar keinen Weg zu Trost und Hoffnung. Menschen bleiben stecken in der Trauer, der Tote regiert ihr Leben, er gewinnt so eine Art göttliche Herrschaft über sie, zerstörerisch für sie selbst.

„Frau, warum weinst du? Wen suchst du?" Die gleiche Frage, noch verstärkt, wird Maria wieder gestellt, diesmal von einer Person hinter ihr. Maria hat sie schon gesehen, aber nicht erkannt. Sie wendet sich um, aber auch jetzt sieht sie durch den Schleier ihrer Tränen nur jemanden, der vielleicht verantwortlich ist für das Dilemma des leeren Grabes: „Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen."

Was sagt uns die Geschichte bis hierher? Liebe macht blind, sagt man, aber Trauer auch! Maria ist so blind wie man nur sein kann. Alle Vorzeichen des von Gott kommenden neuen Lebens übersieht sie.

Aber das muss so sein! Denn das Gott Jesus auferweckt hat, ist ja eine ganz fremde, nicht in unsere Welt passende Wirklichkeit. Das überschreitet völlig den Horizont alles Irdischen, ja es bezeichnet sein Ende. Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, er ist nicht ins irdische Leben zurückgekehrt, ER wurde verwandelt ins göttliche Leben. Jetzt wird offenbar: Jesus gehört unbedingt zu Gott. Gott hat ihn zum Herrn gemacht.

Wenn die Auferstehung Jesu alles Irdische überschreitet, dann ist sie auch nicht fassbar, beweisbar, festzuhalten mit unseren Händen. Dann gibt es keinen Weg zur Gewissheit, außer der Auferstandene tritt in unser Leben hinein und gibt sich zu erkennen. Genau das geschieht hier: Jesus ruft Maria bei ihrem Namen und da erkennt sie ihn. Rabbuni, mein Herr, mein Lehrer, antwortet sie und darin liegt schon so etwas wie eine tiefe Beugung ihres Herzens vor Jesus.

Zweierlei ist mir jetzt wichtig für uns:

1. Wir dürfen aufhören, uns zum Glauben an Jesus, den Auferstanden zu zwingen. Keiner kann das ergreifen aus seiner eigenen Glaubenskraft.

2. Jesus ist auferstanden, so sagt die Bibel insgesamt. Und als der Lebendige redet er uns an durch sein Wort. ER ruft uns bei unserem Namen. Er ruft nicht nur seine Freunde, er ruft auch seine Feinde, wie wir am Apostel Paulus sehen. Er ruft ganz unterschiedlich: bei Maria, die ihn mit ganzem Herzen gesucht hat, reicht es, dass er ihren Namen nennt. Und sie erkennt ihn und wird durch und durch erlöst aus ihrer Trauer und Trostlosigkeit. Einem Saul von Tarsus sagt er: „Saul, Saul, was verfolgst du mich!" „Wer bist du, Herr? Ich bin Jesu, den du verfolgst", so die Antwort. (Apg. 9, 4f) Diese Begegnung zerreißt Paulus Leben und er braucht einige Tage, bis er ein „JA" zum gekreuzigten und auferstanden Jesus findet und sein Zeuge wird.

Es kann sein, dass der auferstandene Jesus uns anredet und den Finger in eine Wunde unseres Lebens legt; ich denke an das Gespräch zwischen Jesus und der Frau am Jakobsbrunnen (Joh 4). So erkennt sie Jesus und das ist ihr Heil.

Der Auferstandene redet hinein in unser Leben, im Gottesdienst, aber auch im Alltag, wenn wir uns nur anreden lassen! Manchmal redet er auch auf ungewöhnliche Weise und überschreitet das Normalmaß unseres westlichen Christentums, so wie es ja ständig in den biblischen Berichten von den Erscheinungen des Auferstandenen geschieht. Gewiss haben diese Geschichten etwas Einmaliges, und doch finde ich Ähnliches in Berichten aus Afrika oder Asien, wo der lebendige Herr sich Menschen bekannt macht durch ein direktes Reden aus der unsichtbaren Welt oder durch Träume.

Sowenig wir den Auferstandenen fassen können, so sehr führt uns doch die unser Leben verändernde Begegnung mit ihm durch sein Wort zur Gewissheit: Jesus Christus lebt, Gott hat ihn auferweckt.

Unsere Geschichte hat einen überraschenden Schluss: Jesus sagt zu Maria Magdalena:

„Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott."

„Halte mich nicht fest", ja, das hätte sie bestimmt gerne getan, Jesus umarmt, Jesus wie vorher den Irdischen, in ihr Leben eingefügt als festen Baustein. Aber Jesus ist jetzt derselbe und doch zugleich ein ganz anderer. Niemand kann ihn noch festhalten, an sich fesseln, wie die, die ihn verhaftet haben, oder seine Schüler, die ihn als Lehrer brauchten. Was Maria jetzt erlebt ist einmalig, unwiederholbar, sie kann Jesus nicht festhalten. Jesus geht zum Vater, was doch bedeutet, ER ist nun Mittler und Fürsprecher beim Vater für die Seinen. Und darin ist er ganz eng verbunden mit seiner Gemeinde: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott." Durch den gekreuzigten und auferweckten Jesus ist sein Vater unser Vater, sein Gott unser Gott! Überwunden ist unsere Trennung von Gott, das ist uns geschenkt und darin leben wir.

Schließlich: Maria von Magdala geht und berichtet den Schülern Jesu: „Ich habe den Herrn gesehen! Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte."

Maria ist erste Botin und Zeugin für den auferstandenen Jesus und es ist ziemlich gleichgültig, ob die Jünger ihr dieses Zeugnis abnehmen. Es ist ziemlich gleichgültig, ob man gegen die damaligen Sitten ihr geglaubt hat oder nicht. Vom Unglauben der Jünger gegenüber dem Zeugnis der Frauen erzählt Lukas (24,11). Maria tut, was Jesus ihr aufgetragen hat, und wenn einer der Jünger nach Beweisen gefragt hat, wie später Thomas, dann hatte sie keine vorzuweisen, aber davon ist die Wahrheit ihres Zeugnisses auch nicht abhängig. Nehmen wir heute ein bisschen vom Mut der Maria mit nach Hause und in unseren Alltag und richten wir aus, dass ER lebt und unser Mittler ist zum Vater im Himmel, wenn denn Jesus uns darin gewiss gemacht und damit beauftragt hat,. Richten wir aus, dass der lebendige Herr Jesus Menschen frei macht von der Herrschaft des Todes, von Trauer und Angst, von Schuld und Sinnlosigkeit. Bringen wir die frohe Botschaft zu unseren Nächsten! Aber zwingen wir niemandem uns zu glauben, geben wir stattdessen dem Auferstanden die Möglichkeit durch unser Zeugnis Menschen zum Glauben zu rufen. Amen.

 



Pfarrer Winfried Klotz
64732 Bad König
E-Mail: winfried.klotz@badkoenig-lebt.de

Bemerkung:
Die Predigt ist nach dem 31. 3. zu hören unter:
http://badkoenig-lebt.de/ (Gottesdienst-Predigtarchiv)


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