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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Rogate, 05.05.2013

Predigt zu Matthäus 6:5-15, verfasst von Thomas Jabs



Das Gebet meines Lebens
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Mt 6,5-15
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten in
den Synagogen und an den Ecken auf den Gassen, auf dass sie von den Leuten gesehen
werden, Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin.
Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu
deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird
dir's vergelten.
Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie
werden erhört, wenn sie viel Worte machen.
Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Euer Vater weiß, was ihr bedürfet ehe ihr ihn bittet.
Darum sollt ihr also beten:
Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Unser täglich Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Denn dein ist die
Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Denn wenn ihr den Menschen ihre Übertretungen vergebet, so wird euch euer
himmlischer Vater auch vergeben.
Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Übertretungen
auch nicht vergeben.
Liebe Gemeinde!
Christen beten. Das weiß jeder. Das ist manchmal das Einzige, was andere von uns
wissen. Es ist kennzeichnend für uns. So etwa wie: Menschen können sprechen, daran
kann man Menschen von anderen Lebewesen unterscheiden.
Christen beten. Daran erkennen uns Menschen, die nicht glauben.
Christen beten das Vaterunser. Daran erkennen wir uns als Schwestern und Brüder egal
welcher Konfession - daran erkennen uns Gläubige anderer Religionen.
Als Christ kann jede und jeder sagen: „Das Vaterunser ist das Gebet meines Lebens."
Es begleitet mich überall hin, so wie heute viele Menschen ihr Telefon begleitet und es gibt
mir Geborgenheit, wie die Wohnung, in der ich wohne, oder das Haus, in dem ich zu
Hause bin.
Telefon und Haus, diese beiden Bilder gebe ich Ihnen heute mit.
Als erstes: beten ist wie telefonieren. Heute wird überall telefoniert. Im Auto mit
Fernsprecheinrichtung - hoffentlich, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf der Straße,
dem Schulhof, im Büro, beim Essen, beim Arbeiten, beim Fernsehen - überall und
während vieler anderer Beschäftigungen.
Es ist sinnlos dagegen anzukämpfen und es gibt wohl nur ein stichhaltiges Argument
dagegen: Es ist unhöflich dem Gesprächspartner gegenüber beim telefonieren Auto zu
fahren, zu lesen, zu essen, in die Bahn zu steigen oder was auch immer. Es ist unhöflich,
ihr oder ihm nicht volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Das gilt sicher nicht immer. Für: „Ich komme 14:00 Uhr. Tschüss.", gilt es sicher nicht, doch
für jedes persönliche Gespräch. Jedes Gespräch in dem sich ein Mensch einem anderen
anvertraut, ist damit gemeint. Vertrauensvolle, vertraute Gespräche führt man in der Regel
nicht in Bus und Bahn und den Fernseher sollte man auch ausschalten.
Am besten telefoniert es sich zu Hause im Zimmer, Fenster zu, Fernsehen und Radio aus,
dann kann man richtig zuhören, sich auf seinen Gesprächspartner konzentrieren, wenn
man ihn schon nicht sieht, die Nuancen besser heraushören.
Beten ist ein persönliches vertrauensvolles Gespräch mit Gott ohne ihn zu sehen oder
noch genauer: ein Gespräch Gottes mit uns. Darum brauchen wir das stille Kämmerlein.
Deshalb heißt es im bayerisch-thüringischen Gesangbuch:
„Gleich wie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt,
kann sie in einem bewegten rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden, auch
erwärmt sie es nicht so sehr. Darum willst auch du erleuchtet und warm werden durch das
Evangelium, göttliche Gnade und Wunder sehen, dass dein Herz entbrannt, erleuchtet,
andächtig und fröhlich werde, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz
fassen kannst, da wirst du finden Wunder über Wunder."
Noch kürzer und einfacher sagte es Jesus: Wenn du aber betest, so geh in dein
Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und
dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.
In der Kürze liegt die Würze auch gerade beim Beten. Das sagt uns Jesus.
Beten ist noch in einer weiteren Hinsicht wie Telefonieren.
Wenn ich eine Firma irgendwo anrufe dann meldet sich dort eine Stimme: Firma so und
so Frau S. Frau S. Rechnet damit, dass der Anrufer sie nicht kennt und nennt darum Ihren
Namen und den der Firma.
Viele melden sich am Handy einfach mit Ja oder mit Hallo. Sie gehen davon aus, der
Gesprächspartner erkennt mich an meiner Stimme. Darum machen sie weniger Worte. Sie
vertrauen darauf sich gut zu kennen.
So geht es in jedem Gespräch. Wenn ich jemanden gut kenne, dann komme ich gleich zur
Sache. Hallo guten Tag, ich möchte ...
Spreche ich aber mit jemandem mit dem ich nicht vertraut bin, dann versuche ich erst mal
ins Gespräch zu kommen, also Nähe, Vertrauen herzustellen, einschätzen, wie wird sie
oder er es aufnehmen, langsam herantasten, kurz: viele Worte machen. Dasselbe, wenn
ich zwar nicht meinen Gesprächspartner wohl aber die Sache, um die es geht, für eine
Vertraute halte, dann erwähne ich kurz worum es geht.
Denke ich aber, die anderen wissen davon noch nichts, überlege ich wie ich den
Sachverhalt einführe und erkläre, dann miteinander durchgehe und auf eventuelle Fragen
reagiere.
Bin ich mit jemandem oder mit einer Sache nicht vertraut mache ich ihm gegenüber oder
über diese Sache viele Worte.
Mancher versucht auch mit vielen Worten andere einzulullen oder sich wichtig zu machen.
Beten ist wie telefonieren. Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden;
denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viel Worte machen. Darum sollt ihr ihnen
nicht gleichen. Euer Vater weiß, was ihr bedürfet ehe ihr ihn bittet.
Heiden, sind die, die mit Gott nicht vertraut sind, die ihm nicht zutrauen, verstanden zu
werden. Gott aber kennt uns, ist vertraut mit uns und unseren Anliegen. Vertrauen wir
darauf. Und übrigens, Gott lässt sich sowieso nicht einlullen, so wie man es zu Jesus
Zeiten durch wortreiche Magie versuchte, und wichtig machen brauchen wir uns vor Gott
auch nicht. Kommen wir mit wenigen Worten vertrauensvoll zu ihm. Wir sind ihm ja
wichtig, dass hat er uns am Kreuz bewiesen.
Darum sollt ihr so beten! Jesus gab uns das „Vater unser".
Hier ist nicht Raum und Zeit, über jede der sieben Bitten zu predigen. Jetzt noch ein Bild
über das „Unser Vater" als ganzes Gebet.
Das Vaterunser ist wie ein Haus, wie mein Haus.
In diesem Gebet bin ich vertraut mit Gott, in diesem Gebet bin ich still mit ihm verbunden,
zurückgezogen von jederlei Absicht anderen gegenüber.
Dieses Gebet ist mir vertraut von Kindesbeinen an, in ihm höre ich Jesus, wie er selbst zu
seinen Jüngern sprach. Im Vaterunser höre ich Gott und höre auf ihn.
Im Laufe des Lebens werden Menschen immer wieder andere Bitten dieses Gebetes
besonders wichtig, ein besonderes Herzensanliegen.
Wer noch seinen Weg sucht, welchen Beruf soll ich lernen, wie mich verhalten? In der Zeit
solcher Fragen ist wichtig: „Dein Wille geschehe."
Menschen voller Schuldgefühle, die nach Hilfe greifen, Vergebung brauchen: „Vergib uns
unsere Schuld."
In Zeiten der Begeisterung: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit".
Das Unser Vater, das Herrengebet gibt allen Situationen unseres Lebens einen Raum. In
diesen Räumen können wir uns bergen. Es vermag alle unsere Not und Freude
auszudrücken, in diesem Gebet spricht Gott zu uns in jeder Situation, in jedem Alter.
Darin ist es das Gebet meines Lebens. Darin ist es auch das Gebet der Kirche - unser
Gebet. Wir sind hier zusammen als Menschen unterschiedlichen Alters in ganz
unterschiedlichen persönlichen Verhältnissen und Situationen, mit eigenen Ängsten und
Nöten mit eigenen Hoffnungen und Freuden. Verbunden sind wir alle im „Vater unser", weil
wir in ihm verbunden sind: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. (Joh. 14,2)
sagt Christus. Das Vaterunser ist so ein Gotteshaus mit vielen Wohnungen in dem jeder zu
Wort kommt und zu seinem Recht.
Und es ist sogar wie Gottes großes Haus, seine Schöpfung. Es umfasst die ganze
Heilsgeschichte. Gott hat uns geschaffen zu seinem Bilde und um ihn als unseren Gott zu
finden und mit ihm vertraut zu sein.
Wir beten: Vater!
Schon mit diesem einen Wort ist dieses Vertrauen da.
Gott hat uns die Welt anvertraut zur Speise und Wohnung und Freude. Noch ist das Brot
nicht gerecht verteilt. Doch wir beten: Gib uns unser täglich Brot. In diesem Uns
verbinden wir uns schon mit allen, die nach Brot und Gerechtigkeit hungern.
Jesus ist für uns gestorben hat uns mit Gott versöhnt. Noch ist unsere Treue zu ihm nicht
durchgestanden. Wir beten: Vergib uns unsere Schuld. Schon ruft er uns in Erinnerung: Er
hat unsere Schuld vergeben.
Gott hat uns ewiges Leben verheißen. Noch leben wir mit Krankheiten und Leiden. Wir
beten: Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Schon wird durch dieses
Gebet Gottes Herrschaft Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist:
Denn wenn ihr den Menschen ihre Übertretungen vergebet, so wird euch euer
himmlischer Vater auch vergeben.
Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Übertretungen
auch nicht vergeben.
Doch wer kann ernsthaft voll Vertrauen im stillen Kämmerlein mit ganzem Herzen beten:
„Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern" und sollte es nicht
tun?
Schon während wir beten, lernen wir vergeben und erfahren Vergebung. Schon während
des Herrengebetes ist Gottes Reich unter uns.
Das ist unser Kennzeichen, Christen beten und in diesen Momenten ist Gottes Reich
spürbar, für jeden der betet und deshalb von Herzen einstimmt in den Satz:
Das Vater unser ist das Gebet meines Lebens.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus unserem Herrn. Amen

Pfarrer Thomas Jabs
12623 Berlin
E-Mail: [Pfarrer.Jabs@kirche-mahlsdorf.de

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