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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstsonntag, 19.05.2013

Predigt zu Johannes 14:21-31, verfasst von Thomas Reinholdt Rasmussen


 

Eine der schönsten Jahreszeiten ist und bleibt die Pfingstzeit. Eine Zeit, in der sich die Welt von neuem entfaltet und Kraft und Leben auf die Erde zurückkehren.

Und Pfingsten ist ein sehr wesentlicher Teil des Kirchenjahres. Denn hier geschieht alles, was geschehen ist, auch für uns - für dich. Denn die Kirche ist kein Museum, das Geschehnisse und Traditionen vergangener Zeiten zu pflegen hätte. Die Kirche ist Gegenwart und Zukunft. Wenn die Kirche nur in Tradition und Geschichte versinken und verschwinden würde, dann wäre sie kein Teil von Pfingsten und damit auch kein Teil der drei großen Feste des Jahres.

Das Kirchenjahr hat bekanntlich drei Feste. Darin werden vor allem Konfirmanden intensiv unterrichtet und geübt, denn sie kennen die Feste nicht, wenn sie zum Konfirmandenuntericht kommen. Sie müssen aber die drei großen Feste können, um ein Fundament zu haben, auf dem sie den christlichen Glauben verstehen können. Darum sind die Feiertage auch so wichtig, weil sie die Bibel der Armen sind - wobei „arm" nicht finanziell zu verstehen ist.

In der Kirche des Mittelalters sorgten Fresken in den Kirchen dafür, dass die Menschen an der biblischen Geschichte teilhatten und mit ihnen vertraut waren, und heute erzählen die Feiertage den Leuten vom Verlauf des Christentums. Die Feiertage sind die Bibel der Armen.

Und deshalb ist es fundamental wesentlich, dass man Feste kennt. Dass wir Weihnachten, Ostern und Pfingsten kennen. Die meisten Menschen können sicher das Weihnachtsfest erklären: dass Jesus auf der Erde in einem Stall in einer Krippe geboren worden ist. Und die meisten Menschen wissen auch, was Ostern bedeutet: dass Jesus am Kreuz stirbt und von den Toten aufersteht. Aber Pfingsten? Was bedeutet Pfingsten?

Pfingsten hat etwas mit dem Heiligen Geist zu tun, sagt man dann. Aber das ist doch kaum eine Erklärung, denn was soll das bedeuten? Heiliger Geist bedeutet in aller Kürze, dass wir Gott verstehen können, d.h. dass wir die Erzählung verstehen können, die Gott in Jesus und dessen Leben erzählt.

Denn Geist ist Verstehen. Pfingsten ist Verstehen. Und darum ist es ein wenig beunruhigend, dass wir nicht verstehen, was Pfingsten ist. Denn Pfingsten ist Verstehen. Heiliger Geist ist Verstehen.

Geist ist, dass man versteht. Wenn zwei Kinder einander nicht verstehen, kann der eine von ihnen leicht ein bisschen unhöflich zum andren sage: du bist bescheuert! Also im Sinne von „schwach im Geiste". Geist ist Verstehen, und wenn man im selben Geist miteinander redet, versteht man einander. Wenn wir Gott im Heiligen Geist begegnen, dann verstehen wir Gott. Geist ist Verstehen. Geist ist: sich in einem verstehenden Verhältnis zu etwas andrem befinden.

Deshalb könnten wir sagen, dass Pfingsten Weihnachten und Ostern verständlich macht. Im Lichte von Pfingsten sagt man, dass die Ereignisse von Weihnachten und Ostern niemals nur historisch sein können, sondern auch gegenwärtig sein müssen. Dass sie auch für uns heute von Bedeutung sind.

Darum kann die Kirche nie ein Museum sein, wenn man an Weihnachten, Ostern und Pfingsten als drei gleichrangigen Festen festhält. Nur dort, wo man Pfingsten vergessen hat oder nicht versteht, ist die Kirche zu einem Museum ohne Durchschlagskraft in der Gegenwart geworden. Deshalb ist es Besorgnis erregend, dass wir Schwierigkeiten haben, wenn wir formulieren wollen, was Pfingsten ist, wenn doch sozusagen die ganze Durchschlagskraft hier liegt.

Also: Heiliger Geist ist Gott verstehen. Luther sagt in seinem Kleinen Katechismus, Heiliger Geist ist, dass ich durch eigene Vernunft oder Kraft nicht an Jesus Christus glauben kann, sondern dass der Heilige Geist mich ruft. Es ist also der Heilige Geist, der es überhaupt möglich macht, Gott nahe zu sein. Das mag wohl ein wenig verwunderlich klingen, aber es ist doch in Wirklichkeit eine ganz gewöhnliche und alltägliche Erfahrung. Stellt euch einmal vor, ihr begegnet einem Mann in der Eisenbahn. Ihr seid ihm vorher nie begegnet, aber plötzlich fängt er an, euch eine Geschichte zu erzählen. Eine ganz unglaubliche Geschichte aus seinem eigenen Leben. Und dann kann zweierlei passieren: entweder glaubt man dem Mann nicht und wendet sich von ihm ab, oder aber seine Erzählung weckt Glauben in uns, und wir glauben ihm. Was geschieht dann hier?

Seine Erzählung schafft Glauben in uns. Wenn wir ihm nicht glauben, dann können wir uns nicht zwingen, ihm zu glauben. Denn das wäre reine Heuchelei. Seine Erzählung schafft Glauben in uns. Die Worte schaffen Glauben in uns. Und wenn die Worte Glauben in uns schaffen, dann sprechen wir von Geist. Dass wir im rechten Geist miteinander sprechen. Und genau hiervon spricht Luther in seinem Katechismus: dass wir Gottes Wort begegnen, das Glauben in uns schafft.

Und wo begegnen wir nun dem Wort Gottes? Ja, das geschieht doch in den Erzählungen über Jesus. Schwieriger ist es also nicht. Indem wir die Berichte über sein Leben und seine Taten hören, kann Glauben in uns geweckt werden, wenn der Geist mit dabei ist. Indem man in den Feiertagen, die über das Jahr verteilt sind, mitlebt, lebt man in der Erzählung. Und dadurch wird uns ein fantastischer Bericht erzählt, wie bei dem Mann im Zug, der von unserem gemeinsamen Menschenleben erzählt und der Bedeutung für uns hat. Und wenn das geschieht, dann wird es auch für uns Pfingsten. Wenn es geschieht, dass Wort und Geist miteinander verschmelzen, dann ist es Pfingsten für uns. Wenn das geschieht, dass das Wort und der Geist den Glauben in uns hervorrufen, dann ist Pfingsten für uns.

Und deshalb lauten die Worte auch von Jesus im Evangelium von heute: „Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe." Also: die Erzählung von Christus hören heißt, dass Christus zu uns kommt, und die Erzählung kommt, indem wir im rechten Geist auf die Worte hören. Das Entscheidende muss also sein, seine Ohren zu öffnen und die Erzählung von Jesus Christus zu hören. Dessen sind wir ja wohl bis zu einem gewissen Grad Herren: die Ohren aufzumachen und zu hören. Für alles übrige sorgt Gott.



Pastor Thomas Reinholdt Rasmussen
Tversted, DK-9881 Bindslev
E-Mail: trr@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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