Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 02.06.2013

Predigt zu Matthäus 9:35-10,7, verfasst von Winfried Klotz

Von der Größe der Ernte: 9,35-38

35 Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden.

36 Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.

37 Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.

38 Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.

Die Wahl der Zwölf: 10,1-4

1 Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.

2 Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes,

3 Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus,

4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn später verraten hat.

 

Anweisung für die Mission: 10,5-15

5 Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter,

6 sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.

7 Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.              

8 Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

 

Liebe Gemeinde!

Welch eine Zeit! Welch eine besondere Zeit ist mit Jesus angebrochen! Er zieht durch die Städte und Dörfer, lehrt in den Synagogen, verkündigt das Evangelium von Gottes Herrschaft, heilt alle Krankheiten und Leiden.

Klingt das nicht märchenhaft, ist uns das nicht fremd?

Es ist messianische Zeit, Hoch-Zeit. Jesus vergleicht einmal seine Zeit mit der Zeit im Leben der Menschen, wenn der Bräutigam die Braut nach Hause holt (Mk. 2, 19); das ist ja die schönste Zeit im Leben von zwei Menschen.

So geschieht es jetzt durch Jesus: Er holt Gottes Braut, das Volk Israel, nach Hause, er sammelt jetzt das Volk für seinen Gott.

Messianische Zeiten, Hochzeiten, gibt es auch im Leben von Einzelnen und von Gemeinden. Wenn Menschen erfahren, Gottes Wort in der Bibel redet mich an und Gott ihnen wirklich wird, wenn sie umkehren und einen guten Weg einschlagen im Vertrauen auf Jesus, dann ist Hoch-Zeit des Glaubens. Wenn trotz Krankheit und Not Menschen ein reiches Maß an Trost erfahren, dann ist Hoch-Zeit des Glaubens. Wenn Verfeindete der in Christus erschienenen Liebe Gottes folgen und sich miteinander versöhnen- ein Schritt der Demut und Vernunft, dann ist Hoch-Zeit des Glaubens. Wenn eine Gemeinde, Kirchenvorstand und Mitarbeiter, PfarrerInnen, nicht nur ihren Dienst tun, sondern aus Liebe und Gehorsam zu Jesus fragen, was ist dein Plan und Weg für uns, wenn also ein Geist des Gebetes dazu treibt, Gottes Weg zu suchen, dann beginnt die Hoch-Zeit des Glaubens. Unser Predigttext will uns doch nicht nur an vergangene goldene Zeiten erinnern. Er will uns Lust machen darauf, auch heute Gott in Jesus zu suchen und mit Gottes Möglichkeiten zu rechnen. Es soll doch auch heute etwas vom Reich Gottes unter uns sichtbar werden! Was ist das für eine Christenheit, die sich damit begnügt, dass der Glaube Sinn und Lebensdeutung gibt? Das Vertrauen auf Jesus Christus verändert, weil Jesus mich mit Gott verbindet. Das Vertrauen auf Jesus Christus öffnet die Augen für Mitmenschen und Welt, vor allem aber für Gottes Willen und sein Handeln. Das Vertrauen auf Jesus Christus macht mich barmherzig und demütig gegenüber meinen Nächsten. Glaube als Sinn und Lebensdeutung führt zu einem selbstgenügsamen Christsein. Gott aber will seine Leute senden.

Jesus, so sagte ich, sammelt Gottes Volk für seinen Gott. Jesus holt Gottes Braut nach Hause. Aber was ist los mit Gottes Braut, was ist los mit Gottes Volk? Es ist nicht frisch gewaschen und gekleidet, es ist nicht wunderschön geschmückt, es ist elend, abgemattet, wie Schafe ohne Hirten. Um im Bild von Schafen zu bleiben, die Haut hängt in Fetzen durch die vielen Dornen, Ungeziefer hat sich in die Wunden gesetzt, manche kommen gar nicht mehr auf die Beine, niedergeworfen durch Krankheit und Schwäche. So sieht Jesus das Volk, die Menge an Männern, Frauen und Kindern. Was Jesus sieht, sehen andere nicht; er sieht die Menschen mit den Augen der Barmherzigkeit Gottes und er sieht sie nach dem, was Gott aus ihnen machen möchte. Man kann Menschen sehr unterschiedlich sehen, das weiß jeder, der mal verliebt war oder eine heftige Auseinandersetzung hatte. Liebe deckt die Fehler und Mängel des anderen zu, Streit macht aus kleinen Fehlern große Verfehlungen. Jesus ist barmherzig in Gottes Weise, er ist nicht blind für die Verfehlungen der Menschen, er ist nicht blind für Schuld und Verantwortung, aber er ist doch gesandt zu retten, zu befreien, zu erneuern. Er weiß, wie gebunden die Menschen sind, wie unfrei, wie getrieben. Jesus ist nicht von Gott gesandt, um die paar Gerechten aus der Masse der Verdorbenen auszusortieren, sondern um alle, die sich rufen lassen, durch die enge Tür des Vertrauens auf Gottes Gnade in ein neues Leben zu führen. Ein Leben, das nicht bestimmt ist vom Misstrauens und Aufbegehren gegen Gott, sondern vom Frieden mit Gott.

Darin erweist sich Jesus als der Messias, der Christus, der Retter, dass durch ihn jeder zum Frieden mit Gott kommen kann, der sich rufen lässt und sein Vertrauen auf Jesus setzt.

Das nennt Jesus die große Ernte. Es geht dabei nicht nur darum, dass jetzt Viele zu Gott und in sein Reich kommen werden, weil sie kommen dürfen, es geht um diese unfassbar große Macht des Erbarmens Gottes. Von Gott her geschieht ein Neubeginn für alle Menschen; er geschieht nicht, weil die Menschheit sich zu Gott hochgearbeitet hat, er geschieht nicht, weil wir Menschen uns  evolutionär zum Guten entwickelt haben, sondern er geschieht in der Nacht der Welt- damals wie heute- allein aus Gottes Erbarmen. Wer sich durch Jesus und zu ihm rufen lässt, findet Gottes Erbarmen, das ihn befreit aus seiner Schuld, aus der Verfehlung des Guten. Verfehlung bedeutet: durch mein Tun wird eigenes und fremdes Leben gemindert und zerstört. Gemeinschaft wird zerbrochen, Trennung und Gegeneinander bestimmen mich. Wenn Gott uns unsere Schuld vergibt, dann geht es nicht nur um innere Ausgeglichenheit, um den Frieden der Seele, das kann man vielleicht eher durch Meditation und Yoga erreichen, sondern die Verfehlung und ihre Wirkung wird aufgedeckt, durch Gottes Erbarmen aber nicht bestraft, sondern vergeben. So wird die versklavende Macht der Schuld gebrochen. "Das eben ist der Fluch der bösen Tat, // dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären." So bei Friedrich Schiller, Wallenstein, nachzulesen. (Die Piccolomini, V,1 / Octavio Piccolomini) Gottes Vergebung überwindet den Fluch der bösen Tat, selbst wenn sie für den Täter noch Folgen hat, wie z. B. die Bestrafung vor einem Gericht. Vergebung führt in die Gemeinschaft mit Gott und mit all denen, die auch Vergebung in Anspruch nehmen. Sie ist der Beginn eines neuen Lebens.

Groß ist die Ernte, die ansteht, Viele braucht es, die als Gottes Boten die gute Nachricht von Gottes Erbarmen ausrichten. Jesus fordert dazu auf, Gott um Arbeiter in seiner Ernte zu bitten. Während heutige Christen und Kirchen zuerst in Gremien und Ausschüssen die Lage analysieren, dann die Finanzen überprüfen und dann vielleicht Schritte unternehmen, fordert Jesus zum Gebet auf. Während wir heute die Zukunft der Kirche im Odenwald in einer breit besetzten Zukunftskonferenz beraten, fordert Jesus nur zum Gebet auf. Die Zukunft des Reiches Gottes ist Jesus gewiss, die Zeichen der befreienden Herrschaft Gottes geschehen, die Ernte ist groß. „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ So einfach ist das mit der Ernte, aber auch so unverfügbar. Denn wer Jesu Aufforderung zum Bitten um Arbeiter ernst nimmt, gibt doch zu erkennen: Gott, wir haben die Zukunft deines Reiches und die Zukunft der Kirche nicht in der Hand, nicht mit all unserer Klugheit. Kirche ist deine Sache, die Berufung der Boten und ihre Aussendung ist deine Sache. Von dir kommen Auftrag und Vollmacht. Ich plädiere, um es klar zu sagen, nicht für eine Kirche, die nicht mehr über die Zukunft nachdenkt, aber für eine Kirche, die vor allem Nachdenken betet und die auch weiß, was beten ist: Nicht das Vortragen von Gebetstexten, sondern das Reden zum Herzen Gottes!

Jesus, so macht der Zusammenhang der Verse in unserem Predigttext deutlich, hat selbst intensiv gebetet bevor er die Zwölf berufen und ausgesandt hat. Sie sind, und andere mit ihnen und nach ihnen, Arbeiter in Gottes Ernte. Ihnen gibt Jesus Vollmacht zum Dienst der Befreiung und Heilung. Während modernes Denken sich über die Austreibung von unreinen Geistern mokiert - Heilung lässt sich ja noch im Bereich von ärztlichem Dienst und Krankenpflege verorten - will ich nur daran erinnern, wie unfrei Menschen manchmal sind und wie sehr ein lösendes Wort, wenn es denn gesprochen wird, zum Leben befreien kann. Jedenfalls gilt: die Arbeiter in Gottes Ernte sind nicht dazu gesandt, die Menschen christlich und religiös zu machen, sondern durch ihr Wort sollen Menschen frei werden zum Leben, versöhnt mit sich selbst, mit dem Nächsten, mit Gott. Das schenkt Gott allen, die auf Jesus vertrauen.

Ich schließe mit einer Geschichte:

Ein Chinese erzählte, warum er Christ geworden sei:

Ich war in eine tiefe Grube gefallen, aus der ich mich nicht mehr befreien konnte. Da kam Konfuzius vorbei und sprach: „Mein Sohn, wenn du meiner Lehre gehorcht hättest, würdest du jetzt nicht in der Grube sitzen!” - „Das weiß ich”, schrie ich, „aber das hilft mir nicht. Hol mich heraus, und ich will dir folgen!” Aber Konfuzius ging fort und ließ mich ohne Hoffnung zurück. Da schaute Buddha über den Rand. Er kreuzte die Arme und sagte: „Mein Sohn, alles Leben ist Leiden; nur wenn du die Arme kreuzest und die Augen schließest und in einen Zustand völliger Ruhe und Unterwerfung kommst, wirst du einmal das Nirwana erreichen. Du musst dich gleichgültig verhalten in allen äußeren Umständen, so wirst du Ruhe finden.” Mit stürmischen Schritten kam Mohammed, beugte sich über den Grubenrand. „Mann, mache keinen solchen Lärm. Gewiss, du bist in einer elenden Lage. Aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Es ist Allahs Wille. Sprich das Bekenntnis aus: Allah ist groß, und Mohammed ist sein Prophet. Sage dies Bekenntnis, bis sich dein Mund für immer schließt. Hernach wirst du das Paradies doppelt genießen.” Und Mohammed ging fort.

Da hörte ich eine liebevolle Stimme: „Mein Sohn!” Jesus sah meine Not und kam sofort zu mir in die Grube hinab. Kein Vorwurf, keine Redensarten. In seiner Liebe umfasste er mich und hob mich aus der Grube heraus. Dort nahm er meine schmutzigen Kleider ab und gab mir reine, neue Sachen. Dann stillte er meinen Hunger und Durst und sprach zum Schluss: „Folge mir nach. Ich werde dich von nun an leiten und dich vor einem solchen Unglück bewahren!” Darum wurde ich Christ und folgte Jesus nach.

Amen



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König
E-Mail: wkl-bad.koenig@t-online.de

Zusätzliche Medien:
Axel Kühner, Textarchiv, Nr. 600


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