Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag nach Trinitatis, 23.06.2013

Predigt zu Lukas 6:36-42 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Lasse Rødsgaard Lauesen


 

Zuerst eine Warnung:

Das Evangelium für heute ist ein Maßstab, mit dem wir nur uns selbst messen dürfen und niemand sonst.

Zu Hause im Kinderzimmer hängt eine Messlatte, ein Maßstab.

Ein hölzerner Stab mit Zahlen darauf, so dass man auf der Latte eintragen kann, wie groß das Kind ist, wenn es sich an die Wand stellt. Mädchen zeichnen wir mit Rot ein und Jungen mit Blau. Hat man mehr als ein Kind, kann man damit vergleichen, wer am größten ist. Was für eine Freude ist das nicht, wenn der sogenannte kleine Bruder fünf Millimeter größer ist als seine Schwester.

So ein Ereignis wird eines von vielen Ereignissen im Leben der Kinder sein, bei denen das Stichwort der Vergleich ist; später in der Schule kommen dann die Zensuren und mit ihrer Hilfe kommt der Vergleich mit den Kameraden dazu. Vergleichen ist das, was wir Menschen tun, wenn wir einen Maßstab haben wollen, wie gut es uns geht. Der Strich auf der Messlatte soll am liebsten so wenig über den Strichen der anderen zu stehen kommen, dass wir im Stehen auf sie runtersehen können. Das fängt schon im Kinderzimmer mit den fünf Millimetern an, und es wird später dann zu Autos, Arbeitsplatz, Ehefrauen, Zeiten bei Marathonlauf usw.

Dass der Vergleich in Wirklichkeit die Ursünde des Menschen ist, davon handelt im Grunde die Geschichte von Kain und Abel. Die beiden Brüder bringen Gott Opfer, aber Gott nimmt nur das Opfer des einen Bruders an. Kain erzürnt und senkt seinen Blick, denn er kann nicht verstehen, dass Gott das Opfer seines Bruders annimmt, aber nicht das seine. Da ist an den Opfern der beiden Brüder kein Fehler, jedenfalls nicht solange, bis Kain mit dem Vergleichen anfängt. Und zum ersten Mal den Schluss zieht, der nirgends in der Bibel steht, der aber für Kain und für uns so selbstverständlich ist, dass wir einfach glauben, er stünde in der Bibel, nämlich dass Gott Abel lieber mag.

Der Vergleich kann uns dazu bringen, allenthalben Splitter zu sehen, die uns irritieren, und das kann uns mit Blindheit für uns selbst schlagen.

Wie etwa in der Erzählung von König David, der doch so viele Frauen hatte, dass man nicht einmal die genaue Zahl bekommen kann. Eines Tages aber geriet er in die Situation, dass er sie mit der Frau des Urias verglich. Und da musste er auch sie bei sich haben, und er stellte Urias auf einen Posten, an dem das Gewerbeaufsichtsamt lange nicht gewesen war. So konnte er dann die Frau des Urias in seinen Harem einreihen. Eines Tages aber hört er die Geschichte von einem Mann, der ein einziges Lamm besaß. Das Lamm nahm ihm ein reicher Mann weg und schlachtete es für ein Fest, das er feiern wollte. David weiß genau, was er mit diesem Dieb machen würde, aber als er erfährt, du bist der Mann: was dann?

Der Vergleich macht es möglich, dass er den Balken in seinem eigenen Auge sieht, aber auch, dass er einsehen muss, dass er sich selbst nicht mit demselben Urteil richten kann, das er über den Dieb gefällt hatte.

Die Warnung kommt hier noch einmal: Das Evangelium von heute ist ein Maßstab, mit dem wir nur uns selbst messen können. Er ist nicht dazu zu verwenden, dass wir uns mit anderen vergleichen, sondern er ist so zu gebrauchen, dass wir auf den Balken in unserem eigenen Leben aufmerksam werden.

Wenn jemand von euch trotzdem Lust zum Konkurrieren verspüren sollte, dann sind es also nicht die anderen Menschen, mit denen wir konkurrieren und uns vergleichen sollen, sondern Gott. Jesus sagt doch im Evangelium nicht, sei barmherzig wie dein Nachbar barmherzig ist, sondern „sei barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist".

Wir sollen uns also nicht mit anderen guten Menschen verleichen und dann ein bisschen besser sein, sondern wir sollen nach dem Besten streben und uns mit Gott vergleichen.

Gott ist es, den wir in guten Werken übertreffen wollen, und das gelingt uns ja ganz leicht. Was von uns verlangt wird, ist also ganz ohne Vergleich.

Wir sollen barmherzig sein, wie Gott. Darum dürfen wir weder urteilen noch verurteilen, und wie Gott gibt und vergibt, sollen auch wir denen geben und vergeben, die unserem Maßstab nicht genügen, wie Gott uns vergibt, die wir unserem Maßstab nicht genügen.

Ob wir auf diesem Gebiet einmal ausgelernt werden oder uns immer wieder darin greifen müssen, dass wir Vergleiche benutzen möchten, um uns selbst an anderen vorbeizuschieben, auf diese Frage habe ich keine sichere Antwort.

Wir werden sicherlich immerfort Jünger oder Lernende bleiben. Denn es gibt viel zu lernen. Der Splitter im Auge deines Bruders ist doch einfach leichter zu entdecken als der Balken in unserem eigenen Auge?

In jedem Wettbewerb können wir von Strategien sprechen, und ich sehe zwei Möglichkeiten, wenn wir uns mit dem Besten vergleichen. Entweder können wir uns niederwerfen und geschlagen geben, denn wir können ja sowieso nicht an seinen Maßstab heranreichen, oder wir können mit unserem Wettstreit fortfahren.

Die erste Strategie.

Ich gebe mich geschlagen: Wir können es genauso gut seinlassen, unsere Kraft daran zu verschwenden, uns mit Gott zu messen, denn wir können nicht anders als das Ziel verfehlen. Das geschieht, wenn wir einsehen, dass wir nichts vermögen, dass wir nur gewinnen, wenn wir um Hilfe bitten für das, was wir nicht können. Denn dann wird Gott uns das dazugeben, was wir selbst nicht haben, das, was wir in unserer gewöhnlichen Sprache Vergebung nennen.

Die Gefahr ist dabei, dass es mit den guten Werken nie zu etwas wird, weil wir ja wissen, dass sie nie gut genug sind.

Wer von euch kleine Geschwister hat, weiß ja wohl auch, dass sich die Kleinen nie geschlagen geben. Ich glaube also nicht recht an die erste Strategie.

Die zweite Strategie:

Wir wollen es probieren und immer wieder von neuem probieren.

Wir wollen uns mit dem Besten vergleichen, um so gut zu werden, wie wir nur können; auch wenn er uns immer überlegen ist, werden wir ihm unmittelbar auf den Fersen sein. Uns ist klar, dass wir uns mit Gott nicht messen können; aber wir wollen es dennoch versuchen, wir wollen versuchen zu vergeben und nicht zu verurteilen. Wir können nicht barmherzig sein wie er, aber wir können doch immerhin gut im Vergeben werden.

Wenn wir mit unserer zweiten Strategie scheitern, müssen wir wie bei der ersten das dazugegeben bekommen, was wir nicht selbst haben. Wir wollen es probieren und immer wieder von neuem probieren, und jedesmal, wenn wir scheitern, auf die Vergebung Gottes hoffen.

Die Gefahr dabei ist, dass wir, wenn wir einhalten und uns mit denen vergleichen, die uns auf den Fersen sind, dann fangen wir an, uns einzubilden, dass wir ziemlich gut sind. Denn wir sollen nicht ziemlich gut sein, sondern die besten, und deshalb sollen wir auf den kucken, der auf dem ersten Platz liegt, und nicht auf die, die hinter uns liegen.

Eigentlich gibt es überhaupt nur einen, der dem Maß genügt hat, nämlich Jesus, der das Ziel erreicht hat.

Er hat seinen Sieg mit uns geteilt und uns ein paar Zenteimeter auf der Messlatte dazugeben (oder vergeben) und uns eingeladen auf den Schemel seines Sieges. Denn Jesus erkennt unsere Versuche an, ins Ziel zu gelangen, auch wenn wir nie so weit kommen. Aber wir wollen es immer wieder von neuem versuchen, und wenn es nicht gelang, so haben wir doch ihn, an den wir uns halten können, ihn, der all denen von uns Platz gibt, die die Zweitbesten sind.

Amen

 



Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen
DK-5210 Odense NV

E-Mail: lrl@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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