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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

13. Sonntag nach Trinitatis, 02.09.2007

Predigt zu Matthäus 6:1-4, verfasst von Jasper Burmester

Liebe Gemeinde,

Tue Gutes und sprich darüber! Von diesem Motto leben Kirchen und Sozialverbände, Sportvereine und Umweltschutzorganisationen, und sie leben davon nicht schlecht, denn wir sind ein spendenfreudiges Volk, und Vieles, was sinnvoll und nötig im sozialen, kulturellen oder sportlichen Bereich hierzulande geschieht, würde ohne Spenden und Sponsoren und die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit und Reklame unterbleiben müssen. Tue Gutes und rede darüber. Aus der Bibel kommt ein störender Zwischenruf Jesu. Ich lese aus der Bergpredigt, was Matthäus im 6. Kapitel schreibt:

Habt acht auf eure Gerechtigkeit, daß ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.

Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Liebe Gemeinde,

als ich vor vielen Jahren mich in unserer Gemeinde bewarb, wurde ich während des Bewerbungsgesprächs von einem Mitglied des damaligen Kirchenvorstands gefragt, was ich denn von Sponsoring halten würde. Ich antwortete, dass ich nichts dagegen hätte, solange ich nicht mit einem Werbe-Aufkleber am Talar predigen müsste. In der Tat hat auch unsere Gemeinde Spenderinnen und Spendern kleiner und großer Summen Geldes viel zu verdanken. Wir könnten in diesen Wochen nicht das fünfjährige Bestehen unserer schönen neuen Orgel feiern, denn ohne die großzügige Bereitschaft vieler Menschen gäbe es hier weder eine neue, große Orgel noch fähige Kirchenmusiker, deren Gehalt ebenso wie das der Jugenddiakonin teilweise aus Mitteln der von Gemeindegliedern ins Leben gerufenen Stiftung getragen wird. Unsere Gemeinde hat vielen Menschen Vieles zu verdanken. Unsere Kirche ebenso. Auch Greenpeace oder der Tierschutz, das Rote Kreuz oder die Rettung Schiffbrüchiger könnten nicht wirken, ohne das Menschen bereit sind, ihnen dafür Spenden oder Beiträge zu geben. Das ist alles auch gut so. Tue Gutes und rede darüber. Fast täglich können wir in der Zeitung von solchen Taten lesen, wenn eine Firma oder ein wohlhabender Mensch bei der Überreichung eines Schecks fotografiert und darüber berichtet wird. Es ist bei diesen Zuwendungen -oft genug- wie bei einem üblichen Geschäft zwischen Partnern: Man gibt etwas und man bekommt etwas. Man gibt Geld und bekommt Reklame. Was diese Hamdlungen von einem normalen Geschäft auf Gegenseitgkeit -Ich gebe Geld und bekomme Brötchen- unterscheidet ist eigentlich nur der damit verbundene innere Anspruch: Die Menschen sollen sehen, dass ich etwas Gutes tue. Jesu Worte hinterfragen diese Haltung. Jesu Worte sind - in diesem Bereich des sozialen und kulturellen Marketing, des Sponsoring und Fundraising - geradezu geschäftsschädigend. Und wenn ich als Kirchenmann und beruflicher Nutznießer all dieser Geschäfte darüber nun -angetrieben von diesem Bibeltext- Kritisches sagen soll, dann als der, der im Glashaus sitzt und mit Steinen werfen muss. Und weil uns diese Worte Jesu so unmittelbar angehen, lohnt es sich, sie genau zu hören und zu bedenken.

Jesus sagt: Habt acht auf eure Gerechtigkeit, daß ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.

Jesus wendet sich nicht an Menschen, um sie zu einer Handlung zu bewegen, seine Worte rufen nicht zum gerehten Tun auf. Er spricht zu Menschen, denen es selbstverständlich ist, Gerechtes zu tun, ihre Frömmigkeit zu leben. Worum es geht, entfaltet er im Folgenden an drei für die damalige -und vielleicht auch heutige- Frömmigkeit alltäglichen Beispielen: Dem barmherzigen Geben von Almosen, dem Beten und dem Fasten. Hier geht es um das Geben von Almosen. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Das Geben von Geldgaben an arme, bedürftige Menschen gehörte zur Zeit Jesu zu den selbstverständlichen religiösen Pflichten. Ihm geht es nicht um das „Ob" einer solchen zuwendenden und spendablen Haltung, sondern um das „wie" und viel mehr noch um das „warum". Das Geben soll diskret geschehen, um den Empfänger des Almosens nicht zu beschämen. Schon diese Rücksichtnahme verbietet es, eine solche Hamndlung groß herauszustellen, auszuposaunen. Mehr noch als um diese Frage nach dem „wie" des Gebens geht es Jesus um das „warum". Geschieht es, um selber gut dazustehen, um groß herauszukommen, um öffentlich gesehen und als gut angesehen zu werden, so ist auch das nicht grundsätzlich verwerflich und schlecht, nur: Der Lohn dafür wird nicht von Gott kommen, der kommt von den Menschen. Das trifft ja ziemlich genau unser heutiges System des Sponsoring, der Spenden von Firmen und Einzelnen, kleineren und größeren, die dann mit dankbarer Erwähnung auf Spendertafeln oder mit einem Werbeeffekt vergolten werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt, sagt Jesus dazu und meint das gute Ansehen bei den Menschen, bei den Kunden oder Geschäftspartnern, die das Geleistete sehen und sehen sollen. Wer aber aus seinem veröffentlichten, aus seinem „herausposaunten" Tun mehr als diesen Lohn der Menschen erwartet, also vielleicht noch so eine Art „himmlisches Guthaben", eine Belohnung von Gott, den nennt Jesus einen Heuchler oder Schauspieler.

Es geht bei alle dem auch um eine Frage, die in unserem Alltagsleben eine der wichtigsten ist, die Frage: Lohnt sich das? Nützt mir das? Was hab ich davon? Sie begegnet uns schon bei unseren Kindern und Enkeln, wenn sie uns auf eine Bitte unsererseits die Gegenfrage stellen „Und was krieg ich dafür?" und begleitet uns dann ein Leben lang. Oft genug ist es diese Frage, die uns, um beim Beispiel des Spendens zu bleiben, daran hindert, etwas zu geben, oder, was uns als Kirchen besonders betrifft, weiter Mitglied zu bleiben und Kirchensteuern zu zahlen.

Will Jesus das nicht? Verbietet er die Frage nach dem Lohn, die Frage nach dem Nutzen? Nein. Er verbietet nicht die Frage. Er verbietet nur, dass unsere Entscheidung, Gutes zu tun, Almosen zu geben, in der Kirche zu bleiben, oder sonst von unserem Geld und unserer Kraft und unserer Zeit etwas zu geben, von dieser Frage zu sehr bestimmt und gesteuert wird. Wir dürfen diese Frage stellen, aber wir sollen nicht soviel davon abhängig machen. Wir sollen frei werden, immer darauf schielen zu müssen, was andere von uns halten, ob wir auch gut aussehen, gut dastehen. Wir sollen frei werden, immer rechnen zu müssen, ob sich das, was unser Herz oder Gewissen, was unser Mitleid oder unsere Liebe zu tun anschicken, auch auszahlt. Wir dürfen und sollen Gutes tun. Aber eben: Nicht aus den falschen Gründen. Sondern um der Sache willen, um der Liebe und der Barmherzigkeit willen und nicht wegen unserer Sorge um den guten Ruf. Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Lass deine lienke nicht wissen, was die rechte tut. Die linke Hand - die auf der Seite des Herzens, die soll sich nicht von der rechten Hand, der Seite der Vernunft und des Berechnens, beeinflussen lassen.

Aber auch bei den Dingen, die wir ohne Berechnung, ohne Fragen nach Nutzen und Lohn, einfach so aus Liebe oder um der Sache willen tun, ist von einem Lohn die Rede, freilich einem, der weniger vergänglich ist als die Erwähnung einer Spende in der Zeitung. Dazu sagt Jesus: dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Wie das? Wie kann das zugehen? Nun, manchmal funktioniert es auch mit Geld, aber öfter noch mit anderem, was mit Geld gar nicht zu bezahlen ist. Denn unser Tun der Liebe kann auch mit anderem geschehen als mit Münzen und Schecks. Wenn es ums Schenken und Geben geht, sind manchmal noch viel kostbarere Dinge gefragt, als das, was in unserem Geldbeutel steckt. Kostbareres, Unersetzliches. Zum Beispiel: Zeit, die wir in einem unbezahlten und meist eher stillen Tun für Andere einsetzen. Da gilt dann das, wie Jesus es nennt „Ins Verborgene sehen" Gottes. Und ein Lohn, an den wir bei unserer Entscheidung für das Spenden von Zeit oder Geld überhaupt nicht gedacht haben, weil es uns um die Sache selber geht, den schenkt er uns oft nicht erst im Reich Gottes, sondern gleichsam im Vollzug unseres Gebens - es macht einfach Freude, etwas sinnvolles zu tun, etwas für Andere zu tun. Ich weiß es aus eigener, ehrenamtlicher Erfahrung: Der Einsatz zahlt sich aus. Nicht in Ehre und gutem Ruf, nicht in klingender Münze, sondern in diesem tief befriedigenden Gefühl, in solchen Begegnungen vom Gebenden zum Empfangenden zu werden, dass die von mir vermeintlich Beschenkten in Wahrheit mich bereichert, angerührt, beschenkt haben. Die leuchtenden Augen der Kinder, der dankbare Händedruck des Nachbarn, das überraschte Lächeln im Gesicht des Obdachlosen, die stumme Umarmung des Einsamen, der eine Zeit seiner Einsamkeit entkommen ist - alles mehr, als wir uns je für Geld kaufen könnten. Und die Frage "Was bringt's?" wird immer leiser werden, bis sie eines Tages ganz verstummt. Denn einst, im Reich Gottes wird nicht mehr gerechnet. Dort ist alles Liebe und alles Geschenk. Amen



Pastor Jasper Burmester
Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hamburg Volksdorf
E-Mail: Jasperbu@aol.com

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