Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 21.07.2013

Predigt zu Matthäus 7:15-21 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Niels Henrik Arendt


 

Es waren einmal zwei Könige, die in einen Krieg ziehen wollten, wird im AT erzählt. Bevor sie jedoch ihre Pläne verwirklichten, wollten sie Kunde über ihre Chancen einholen: würde der Krieg mit einem Sieg oder mit einer Niederlage enden? Der eine König hatte eine große Schar von Propheten in seinem Dienst, sozusagen eine Art professioneller Jasager, deren Aufgabe darin bestand, dem König ununterbrochen wegen seiner guten Einfälle zu schmeicheln. Die Propheten versammelten sich nun, und als sie gehört hatten, worum es sich handelte, zollten sie umgehend ihren Beifall: der geplante Feldzug werde mit einem unermesslich großen Sieg enden.

Nur ein Prophet war der Versammlung ferngeblieben; ihn hatte der König gar nicht erst eingeladen, weil er immer widersprach. Als aber der Verbündete des Königs darauf bestand, alle anzuhören, wurde auch dieser Mann herbeigerufen. Er riet auf das bestimmteste von dem Kriegsplan ab und sagte ein großes Unglück voraus, wenn man in dieser Angelegenheit vom Willen Gottes abweichen und die eigenen Pläne durchführen würde. Nun folgten die beiden Könige allerdings nicht dem Rat dieses einen Propheten, man warf ihn stattdessen, wie man hätte voraussehen können, ins Gefängnis. Und dann befolgten die Könige den Rat der Mehrheit; sie zogen in den Krieg - mit katastrophalem Ergebnis. Die Könige mussten teuer bezahlen, dass sie auf falsche Propheten gehört hatten.

Wenn man diese Geschichte und viele ähnliche in der Bibel gelesen hat, ist man klüger geworden, was ein wahrer und was ein falscher Prophet ist, ja, als Leser und Zuhörer weiß man es fast schon om Voraus: Der wahre Prophet ist derjenige, der den Mut hat, allein dazustehen und auf der Wahrheit zu bestehen, auch wenn ihm das keinen Vorteil bringen würde, und den Menschen nicht nur nach dem Munde zu reden und zu sagen, was die Leute gern hören wollen. Und der Maßstab ist eigentlich sehr gut, wenn man unter den vielen Angeboten sortieren will, die man tagtäglich bekommt. Wir bekommen unglaublich viel Geschwafel zu hören, Botschaften, deren Verbreitung nichts kostet, Botschaften, die der Eitelkeit der Leute schmeicheln sollen, Botschaften, die vor allem der Bedetung und der Position dessen dienen sollen, der sie verkündet.

Trotzdem verzichten wir allzu oft auf unseren Sinn für Kritik und hören, wie die beiden Könige, auf das, was wir gern hören möchten, und beugen uns denen, die sich am besten als Autoritäten aufspielen können.

Aber wenn wir zu Jesu Warnung an seine Zuhörer vor den falschen Propheten kommen, dann bedeutet das, dass die Aufgabe an uns zurückverwiesen ist, die Aufgabe zuzuhören, Stellung zu beziehen, sich zu entscheiden, - zugeich ist das aber auch eine ungleich schwierigere Aufgabe. Denn während man kein feines Ohr braucht, um den falschen Ton der Schmeicheleien der alten Propheten für die Könige herauszuhören, und während es auch keiner besonderen Begabung bedarf, um Vieles von dem politischen und sonstigen Geschwafel zu beurteilen, mit dem wir konftontiert werden, scheint es ungleich schwieriger zu sein, dass wir feststellen, an wen Jesus mit seiner Warnung eigentlich gedacht hat.

Es geschieht zwar nicht allzu selten, dass man Ross und Reiter nennt. Schon von Anfang an hat man auch in der Kirche die Worte Jesu über die falschen Propheten dazu benutzt, sich gegenseitig zu bezichtigen, und noch heute gibt es Menschen, die es als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, vor anderen zu warnen, und denen es verblüffend leicht fällt, Leute zu benennen, vor denen man sich zu hüten hat. So etwas wird doch einem selbst Autorität verleihen.

Man kann nicht bestreiten, dass es auch angenehm wäre, wenn die Worte Jesu so konkretisierbar wären, wenn der Pastor in seiner Predigt sagen könnte: die und die Menschen, vor denen müsst ich euch hüten. Das wäre ganz angenehm für Prediger und Gemeinde. Für den Pastoren würde es bedeuten, dass er oder sie seine oder ihre eigenen Sympathien und Antipathien mit einer gewissen Autorität untermauern könnte. Und für die Gemeinde würde es bedeuten, dass es ihr erspart wäre, selbst Stellung zu beziehen, und dass vielleicht so manche sich ganz angenehmerweise in ihrer Einstellung bestätigt fühlen würden, wobei es nicht darauf ankäme, ob man nun mit seinem Pastoren einig wäre oder nicht.

Aber wir geben in dieser Predigt keine Adressen, wer die wahren und wer die falschen Propheten sind. Der eine Grund ist Jesu Betonung der Tatsache, dass die wahren und falschen Propheten nicht so einfach voneinander zu unterscheiden sind. Sie haben weithin dasselbe Aussehen, und sie sagen auch dasselbe. Sie gehen alle in Schafskleidern, und sie nennen Jesus den Herren. Aber wenn man bei ihnen keinen Unterschied hören oder sehen kann, wie soll man sie dann überhaupt auseinander halten? Jesus kommt dieser Frage mit den Worten zuvor, dass man die Propheten an ihren Früchten erkennen solle. Das heißt: im Zusammenhang des Lebens soll deutlich werden, was wahr ist, und das heißt in diesem Zusammenhang: was von Gott ist und was nicht von Gott ist.

Die Wahrheit ist nicht verborgen, aber es gibt auch im Voraus keine Fazitliste. Und deshalb lässt sich von der Kanzel auch heute keine solche Fazitliste ausrufen. Die Wahrheit kommt in der Begegnung der Worte und deines eigenen Lebens ans Tageslicht. In deinen eigenen Erfahrungen, im Zusammenhang deines eigenen Lebens hast du das zu tun. Wir werden nicht mit einer Warnung im Stich gelassen, die wir zu nichts gebrauchen können. Sondern wir werden auf das Leben verwiesen als den Ort, an dem sich das Wort bewähren soll. Und dein Leben ist nicht mein Leben.

Und dies heißt dann gerade, dass sich niemand dem entziehen kann, selbst zu finden, was tragfähig ist und was nicht. Und zwar die ganze Zeit mit der Möglichkeit, dass man fehlgeht.

Warum ist die Kirche nicht mehr prophetisch, könnte man fragen. Warum kann sie nicht ein für allemal feststellen, was man in allen möglichen Fragen zu meinen und zu glauben hat? Hat sie nicht den Mut, den Leuten zu widersprechen, hat sie die Rolle der Schmeichlers, des Mitläufers übernommen - anstatt die Rolle des Propheten? Die Frage muss gestellt werden, und darin ist ein weiterer Grund enthalten, weshalb wir heute keine genauere und konkrete Adresse bekommen. Jedesmal wenn Jesus ein warnendes Wort sagt, ist es nämlich nicht nur ein Wort, mit dem man die anderen prüfen und messen kann, sondern es ist immer auch - und vielleicht sogar in erster Linie - ein Wort zur Selbstprüfung: bist du selbst der falsche Prophet? Nimmst du selbst die frommen Worte in den Mund - und eben nur in den Mund?

Die Frage muss jeder Christ und natürlich nicht zuletzt ein Pastor an sich selbst richten. Und dann kommt man sozusagen nicht weiter. Dann bleibt man stehen. Man hört auf, eine Autorität darstellen zu können. Man muss dann Gott die Entscheidung überlassen. Dann ist da kein Platz mehr, über die anderen zu wachen.

Auf der einen Seite kommt niemand von uns - weder Ihr noch ich - darum herum, selbst Stellung zu beziehen, eine Entscheidung zu treffen; auf der anderen Seite wird uns unmittelbar jegliche Selbstsicherheit genomen, jede Möglichkeit, uns zu Herren der Wahrheit zu machen, alles besser zu wissen.

Die Kirche ist nicht Herr über die Wahrheit, sondern sie dient ihr. Sie kann Gottes Barmherzigkeit verkündigen, aber sie kann sie nicht verwalten. Die Kirche kann niemandem seine Verantwortung abnehmen oder die Entscheidung wegnehmen. Aber sie kann einen jeden Menschen, der zweifelt, auf das Versprechen verweisen, das in Jesu Warnung von heute verborgen liegt: dass sich Gott selbst der Wahrheit annehmen will, dass er uns nicht der Falschheit und dem Verderben überlassen will.

Diese Verheißung liegt in den Worten Jesu, dass die Früchte offenbaren werden, was wahr und was falsch ist, dass die Wahrheit von der Barmherzigkeit Gottes nicht dem Gutdünken von Menschen und ihrem Schalten und Walten und ihrem Gebrauch und Missbrauch überlassen ist. Die Gnade Gottes wird sich dennoch zu erkennen geben, an den Tag kommen. Wir werden erfahren, dass Gott uns gut ist. Unsere Entscheidung ist schwankend, unsicher, angefochten. Aber seine Entscheidung ist die, auf die es ankommt.

Amen



Pastor Niels Henrik Arendt
6990 Ulfborg
E-Mail: nha@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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