Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 28.07.2013

Predigt zu Matthäus 13:44-46, verfasst von Christine Hubka


 

Gewinn ist garantiert

 Ein Mensch macht einen sommerlichen Spaziergang.
Allein streift er über Wälder und Fluren.
Der eine oder andere Acker ist bereits abgeerntet.
Da kann man ohne weiteres auch einmal über die Stoppeln laufen.
Lustvoll stößt der Mensch mit seinem Wanderstab in den Boden.
Mal trifft er auf einen Stein.
Mal sinkt der Stock tiefer ein.
Dann wieder verfängt er sich in einer Schlingpflanze.
Jedes Mal spricht der Acker zu dem Menschen mit einem unterschiedlichen Klang. Das alles ist ganz normal.
Das alles passt zum freundlichen Sommertag.
Aber auf einmal kommt dem Stock ein ganz fremder, unerwarteter Klang entgegen.
Hohl, metallisch tönt es zurück.
Der Wanderer bleibt stehen. Ist irritiert. Verwundert.
Nun stößt er noch einmal ganz gezielt mit dem Stock nach.
Und wieder tönt es anders als gewohnt.
Neugierig geworden kniet sich der Mensch hin und beginnt zu buddeln.
Was er findet, nimmt ihm den Atem.
Ein kleines metallisches Kästchen, ganz verrostet, aber sonst noch intakt,
liegt vor ihm.
Es ist nicht sehr groß. Nicht größer als ein Schuhkarton. Aber sehr schwer.
Er hebt es aus der Erde.
Nimmt es in den Schoß
und öffnet mit seinem Taschenmesser das von Rost geschwächte Schloss.
Er hebt den Deckel und ihm bleibt die Luft weg.
Im strahlenden Sonnenlicht funkeln ihn Goldmünzen an.
Das ganze Kästchen ist bis obenhin angefüllt mit wunderbarem Gold.

Ängstlich sieht sich der Wanderer um.
Hoffentlich ist niemand in der Nähe.
Hoffentlich hat ihn niemand gesehen.
dannn legt der den Schatz zurück in den Acker.
Bedeckt ihn wieder mit Erde und trampelt sie fest.
Er versucht alle seine Spuren zu verwischen.

Die Wanderung führt ihn nun nicht mehr weiter in die Natur,
sondern aufs Grundbuchamt.
Dort eruiert er den Besitzer des Ackers.
Er erkundigt sich über den Verkehrswert von Grundstücken in der Gegend.
Er überprüft seinen Kontostand.
Dann ruft er den Besitzer des Grundstücks an und macht ihm ein Angebot.
Dieser ist überrascht. Weil er aber derzeit knapp bei Kasse ist
und das Angebot fair erscheint, stimmt er dem Verkauf zu.
Ein Notar setzt den Kaufvertrag auf.
Verkäufer und Käufer unterschreiben.
Beim Abschied schütteln sie einander die Hand.

Überglücklich läuft der Mensch zum Acker.
Die Stelle, wo der Schatz verborgen ist, hat er sich gut gemerkt.
Er gräbt.
Er birgt den Schatz vom Acker, der nun sein Acker ist.
Zufrieden trägt er seinen Schatz von seinem Acker nach Hause.
Sein Konto ist nun leer.
Aber der Wert des Schatzes übersteigt den Kaufpreis für den Acker um ein Vielfaches.
Er hat ausgesorgt.

Viel knapper, aber ganz genauso im Verlauf, erzählt Jesus eine ähnliche Geschichte.

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

In der Volksschule habe ich das Gleichnis zum ersten Mal gehört.
Damals hatte ich keine Ahnung von Recht und Besitz.
Aber ganz spontan tat mir der geprellte Landwirt leid,
dem der Acker zuerst gehört hat.
Schon als Kind empfand ich, dass er der rechtmäßige Besitzer dieses Schatzes ist. Ich empfand den glücklichen Finder als Betrüger.
Meines Wissens sieht das unser aktuelles Rechtssystem genauso.

Dieses Gleichnis scheint Jesus gründlich misslungen zu sein,
für sich betrachtet ist es schwierig,
daraus eine Aussage über das Reich der Himmel heraus zu filtern.
Aber hier im 13. Kapitel stehen mehrere Gleichnisse über das Himmelreich,
also über den Herrschaftsbereich Gottes.
Eine Himmelreichskollage hat Matthäus hier für uns gemacht.
Offenbar gibt es sehr viele Aspekte zum Thema Gottesherrschaft.

Um das Gleichnis vom Schatz im Acker zu verstehen, braucht es die nächste Geschichte.

Das Gleichnis von der kostbaren Perle:
Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Als Kind dachte ich mir:
Wie dumm, jetzt hat er eine schöne Perle, vielleicht die schönste auf der Welt.
Aber wenn er dafür alles gegeben hat, was er hatte,
kann er sich jetzt nichts zu essen kaufen. Er hat kein Haus mehr. Nichts.
Den Wert der Perle habe ich nicht verstanden.

Gemeinsam erzählen mir heute, wo ich erwachsen bin, die beiden Geschichten allerhand
Über uns hier und übers Himmelreich:
Du kannst lange und bewusst danach suchen.
Hier fragen und da fragen.
Das eine oder das andere religiöse Angebot ausprobieren.
Am Markt der religiösen Möglichkeiten herum naschen, von allem kosten.
Du kannst unermüdlich unterwegs sein, um endlich das Reich Gottes zu finden.
Eines Tages wirst du ans Ziel kommen.
Du kannst aber ganz zufällig darauf stoßen,
ohne irgendetwas mit dem Himmelreich im Sinn zu haben.

Auf die eine oder auf die andere Weise sind wir alle hier
auf die Botschaft von der beglückenden Herrschaft Gottes gestoßen.
Manche haben lange und mühsam suchen müssen.
Andere sind mehr oder weniger drüber gestolpert.
Beides hat seine Berechtigung.
Keins davon ist mehr oder weniger wert.
Warum ein Mensch erst nach langem Suchen findet,
und der andere bei einem kleinen Spaziergang etwas vor die Füße gelegt bekommt,
was er gar nicht gesucht hat, erklärt Jesus nicht.
Der eine ist jedenfalls nicht besser als der andere.
Sondern Gottes Wege sind so verschieden, wie wir Menschen sind,
wenn er sich von uns finden lässt.

Die Herrschaft Gottes in der Welt, in meinem Leben unter uns zu entdecken,
ist auf jeden Fall ein Schatz.
Nicht der Zeitgeist herrscht.
Nicht der Mammon herrscht.
An nicht die, die so tun als hätten sie alles im Griff und uns in der Hand.
Auch Sachzwänge herrschen nicht unter uns, obwohl das manche meinen.
Sondern Gott herrscht.
Wir leben nicht irgendwo und irgendwie.
Wir leben als Getaufte bereits jetzt im Reich Gottes.
Das erzählen uns beide Gleichnisse.
Und sie lassen keinen Zweifel daran,
dass sich nach dieser Entdeckung alle Werte verschieben.
Beide Entdecker verkaufen alles, um den Schatz für immer zu besitzen.

Diesen radikalen Perspektivenwechsel konnte ich als Kind nicht verstehen.
Ich denke, dass diese Geschichten Kindern auch nicht erzählt werden müssen.
Aber wir Erwachsenen können gut nachvollziehen,
was bei diesem Perspektivenwechsel so alles mit dabei sein kann,
denn wer schon ein wenig länger auf der Welt ist,
hat solche Momente schon erlebt, wo sich die Wertigkeit umdreht:
Nach einer schweren Krankheit bekommt Gesundheit einen höheren Stellenwert,
als in den Zeiten, wo man den eigenen Körper gar nicht wahrnimmt,
weil er so funktioniert, wie wir meinen ein Recht drauf zu haben.
Welchen Wert eine Beziehung für mich hat spüre ich manchmal erst beim Abschied. Und mit der Zeit haben wir alle hier wohl die Bedürfnisse und Forderungen ans Leben aufgegeben, die wir als Jugendliche noch hatten.

Das ist die Herrschaft Gottes im Leben: Wenn alle meine Sorgen und Ängste,
alles, was mich belastet und beschwert immer überboten wird vom Vertrauen,
dass ich in jedem Moment in Gottes Hand bin.

Das ist die Herrschaft Gottes in meinem Leben: Wenn das, was mir täglich gegeben ist schwerer wiegt als das, was ich entbehre. Wenn das Brot, das ich esse, beim Heurigen in Form eines Kornspitzes oder hier in der Kirche als Oblate mich beglückt und dankbar macht, weil ich täglich satt werde.

Das ist die Herrschaft Gottes im Leben: Wenn ich gemeinsam mit anderen esse und dadurch auch das einfachste Mahl zum Fest wird. Hier in der Kirche oder auch an jedem anderen Ort.

Das Himmelreich gleicht einem Schatz,
Das Himmelreich gleicht einer Perle, sagt Jesus.

Und jeder von uns hat diesen Schatz bei seiner Taufe geschenkt bekommen.
Wie wir ihn wahrgenommen und gefunden haben, ist verschieden.
Aber es gibt nicht einen, nicht eine einzige, für die er nicht bereit liegt.
Und wer ihn findet, für den ist Gewinn garantiert.

Dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.

 



Prf.i.R., Dr. Christine Hubka
1160 Wien
E-Mail: christine.hubka@gmx.at

Bemerkung:
! Zu Beginn nicht vorlesen!!


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