Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 28.07.2013

Predigt zu Lukas 11:1-13, verfasst von Richard Hartmann

 

 

Vater unser

„Wer sagt heute denn noch „Vater"? Hey Dad, hallo Papa, Daddy oder Paps, so heißt das bei uns."

„Als Einzelkind kenne ich nur meinen Papa!"

Geheiligt werde dein Name

„Geheiligt - klingt ganz schön altmodisch! Wenn ich etwas besonders zeigen will, stelle ich es auf einen besonderen Platz. Alle sollen sehen, was mir wichtig ist."

„Welcher Name?" Ich habe einen Namen, der mir zur Geburt gegeben wurde. Viel wichtiger ist aber mein Username, mit dem mich meine Freunde in facebook kennen. Wie heißt Gott denn da? Gehört er auch zu den Usern?"

Dein Reich komme

„Welches Reich? Ich kenne das Wort aus dem Geschichtsunterricht - von den Römern oder vom dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte her!"

„Weltumspannend sind heute Netzwerke, die Freunde sammeln und verbinden."

„Wie wäre es denn mit „godnet" oder „saintbook"?"

Dein Wille geschehe

„Ich habe auch einen Willen!"

„Immer tun, was andere wollen? Eltern, Lehrer - ihr Wille zählt und bestimmt."

Wie im Himmel, so auch auf Erden

„Was meint „Himmel"? Weltraum - Universum - aliens - oder: Glück, chillen ohne Ende, Flatrate, Party?"

„Gottes location - wo ist Gott?"

Unser tägliches Brot gib uns heute

„Neulich einen Film gesehen, in dem LKW-weise Brot vernichtet wurde!"

„Tägliches Brot ist das noch der Stoff, den wir täglich brauchen?"

„Wie gibt denn Gott?"

„Heute - das meint doch jetzt!"

„24 Stunden online"

Und vergib uns unsere Schuld

„Die göttliches Reset-Taste. Egal, welchen Mist ich verbockt habe - Reset und ich fange wieder neu an!"

Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

„Vergeben heißt schwach sein, sagen meine Kumpels."

„Du bist mir was schuldig!"

Und führe uns nicht in Versuchung

„Versuchungen kenne ich viele: Alkohol, Drogen, einfach etwas mitnehmen, Mitschüler moppen..."

„Manchmal sind es die besten Kumpels, die mich zu etwas anstiften."

Sondern erlöse uns von dem Bösen

„Der Tod ist manchmal auch eine Erlösung."

„Mein Freund ist bei einem Unfall umgekommen, weil einer ihn besoffen mit dem Auto umgefahren hat."

„Das Böse ist manchmal ganz nah und nicht nur im Film. Das macht mir Angst."

Amen

„Kapiert!" „Gebongt!"

„Da weiß ich, was ich gebetet hab!"

Klaus Becker Dialogtext aus: Materialbrief Gemeindekatechese, Heft 1 (2013)

 

Predigt

  1. Haben Sie schon mal gezählt, wie oft sie das Vater unser gebetet haben? Bei mir ist es sicher mehr als 25.000 mal. Ein tägliches Gebet, ein Gebet im Rhythmus des Tages und der Woche, ein Gebet in Gemeinschaft und im Privaten. Es ist Teil von mir. Dann tut es gut, ab und zu vertieft dieses Gebet zu meditieren. Teilaspekte anzuschauen und sie neu durchzubuchstabieren.

  2. Dazu werde ich Ihnen heute Material anbieten, „Stoff, der selber durchdrungen werden soll". Das ist reizvoll, weil wir heute im Lukasevangelium eine andere Fassung hörten. Unser gelerntes Gebet ist an den Evangelisten Matthäus angelehnt: Lukas ist knapper, setzt ausgewählte Akzente. Sieben dieser Akzente vertiefe ich mit Ihnen:

  3. Ein Dialogtext von Klaus Becker hat mir dabei geholfen, manches auf den Punkt zu bringen.

    1. Vater, unser Vater, so sprechen wir, da brauchen wir uns nicht daran abarbeiten, welche persönliche Geschichte wir zum je eigenen Vater haben: Er ist der Vater des ganzen Volkes oder auch die Mutter, mit dem weiten Zugang, der Zuwendung und Sorge um uns, seine bzw. ihre Kinder.

    2. Und darin suchen wir ihn persönlich, mit seinem Namen: Was ist sein Name für uns, sein „Username" in dem Netzwerk meiner Kontakte, ein Name mit dem ich ihn immer erreiche, wo er online ist, weil er seine Heiligung, seinen Segen nicht von mir nimmt. Es gibt keinen wichtigeren Namen für mich, keinen Namen, der mir heiliger wäre. Ob das stimmt, ob er wirklich so hoch in meinem Alltagsgebrauch ist, oder ob nicht doch manchmal vordergründig „nützlichere Namen" einen Vorrang haben? Und wenn Gott in der Konkurrenz steht zu dem Menschen, mit dem ich eine treue und außergewöhnliche Beziehung habe? Das ist nicht schlimm, denn der liebste Mensch ist für mich ein Bild, ein bleibendes Zeichen der göttlichen Präsenz.

    3. Dein Reich komme, ein Reich, das nichts mit Machtmissbrauch zu tun hat, ein Reich, in dem Gott als Gott für uns alle präsent ist und bleibt, ein „Gott-Netz", ein Adress-Buch, zu dem er uns zulässt, weil er selbst uns als Heilige ruft, als Glieder seines „Saintbook".

    4. Von ihm kommt das was wir brauchen, das Brot des Lebens und des Sinns, denn er ist es, der uns zeigt, wohin die Welt sich bewegt; das Brot der Gemeinschaft in der Eucharistie: Wir halten Mahl und er selber gibt sich für uns hin, sein Leben als Speise für unser Leben; und das Brot, das mir beim Überleben hilft, damit ich auch lieblich und körperlich nicht verkomme. Er gibt uns täglich das Brot, das wir brauchen, bei unsren bleibenden Wegen durch die Zeit, rund um die Uhr.

    5. Und erlass uns unsere Sünden. Es scheint nicht möglich zu sein, selber vollkommen zu werden. Und wir brechen zusammen, wenn er uns nicht immer wieder wegnimmt, was wir auf uns laden. Wir brauchen sein göttliches „Re-set". Er sorgt dafür, dass wir nicht in Schuld verwoben werden.

    6. Doch dieses Re-set geht nur, wenn wir - jetzt in unserem Beten sofort - auch anderen nicht alles nachtragen. Wir vergeben jetzt, performativ, allen, die an uns schuldig sind. Keinem sagen wir nach: Du bleibst mir was schuldig.

    7. Und führe uns nicht in Versuchung. Versuchung bleibt wohl, jeden Tag. Aber vielleicht gilt, mit ihm schaff ich's vielleicht durchzukommen.

  4. So beten wir nachher im Gottesdienst vielleicht mit neuer Aufmerksamkeit. Dieses Beten ist mehr als ein bedrängtes Bittgebet: Es ist Ausdruck eines Vertrauens, das er selber immer wieder rechtfertigt. Und wer möchte kann ja die 7 Textimpulse für die 7 Tage der Woche mitnehmen und immer einen Schritt weitergehen. Oder Sie bleiben an einem Text hängen und bitten mit den Jüngern einmal neu:

  5. Herr lehre mich beten.

 


 



Prof. Dr. Richard Hartmann
36039 Fulda
E-Mail: Hartmann@thf-fulda.de

Bemerkung:
Hinweise:
Die Predigt zum Vater unser ist eine wichtige Aufgabe, um immer neu dieses Grundgebet im Bewusstsein der Menschen zu vertiefen. Die Chance der Predigt im Lesejahr C und damit mit dem Lukastext bietet in der Differenz zum für das liturgische Beten eher grundlegenden Matthäustext eine besondere Chance. Wichtige Einsichten erbringt dazu der Kommentar von Francois Bovon im EKK III/2. Zürich/ Düsseldorf : Benzinger /Neukirchner, 1996.

Angeregt wurde ich zu der Predigt durch einen Text von Klaus Becker, Würzburg: In: Materialbrief Gemeindekatechese 1/2013 , S. 7.8,

Ja nach Gottesdienstgemeinde könnte ein solcher Text an eigener Stelle vorgetragen werden. Nicht jedoch anstelle des liturgischen Gebets der Gemeinde


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