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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 28.07.2013

Predigt zu Matthäus 13:44-46, verfasst von Mirko Peisert

 

Vermutungen zur Schatzsuche"

Gnade und Friede sei mit Euch von dem, der da war, der ist und der da kommt!

Liebe Gemeinde!

Es war im kalten Februar in England 2012. An einem grauen Tag stapften Reg Mead und sein bester Freund Richard Miles durch den Regen über den Acker auf dem sie hofften, mehr zu finden als Müll. Ihre einzige Waffe gegen den groben Boden und die Unwahrscheinlichkeit etwas zu entdecken, war ein professioneller Metalldetektor.

"Ich hasse Alufolie", sagt Mead. Unzählige Male hat schimmernder Abfall ihre Euphorie über einen Fund zunichte gemacht. Als sie dieses Mal an der Stelle buddelten, wo das Suchgerät ausgeschlagen hatte, glänzte ihnen wieder etwas Silbernes entgegen:

Diesmal aber ist es kein Müll, sondern eine Sensation. Sie haben tatsächlich einen Schatz gefunden. Später werden sie mit Hilfe eines Krans einen 750 Kilo schweren Schatz bergen können. 50.000 handgemachte Münzen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Wahrscheinlich hat ein keltischer Stamm den Schatz im Jahre 55 vor Christus aus Angst vor Plünderungen durch die römische Armee eingegraben.

So berichtet der Focus über den sensationellen Fund im letzten Jahr!

Für die Öffentlichkeit war es ein seltsamer Zufall. Ein großes Glück von zwei Freunden, mit dem seltsamen Hobby im Kartoffelfeld einen Schatz zu suchen.

Für die beiden Schatzsucher war es kein Zufall. Denn vor 30 Jahren, da hatten sie von einer Bauerntochter einen Hinweis bekommen, eine Vermutung, dass dieses Gebiet einen bis zu 2000 Jahre alten Schatz bergen könnte. Gerüchten zufolge lagen auf dem Grund des Feldes antike Kostbarkeiten.

Den zwei selbsternannten Schatzsuchern gaben diese Vermutungen den Antrieb, über drei Jahrzehnte das acht Hektar große Feld zu durchsuchen. Stets nach der Kartoffelernte, wenn der Acker brach lag, hatten sie vom Bauern die Erlaubnis bekommen, mit ihren staubsaugerähnlichen Apparaten das Land wieder zu durchleuchten.

Und nach 30 Jahren dann die Sensation. Der einzigartige Schatz. „Ich habe alles gefunden, was ich in meinem Leben gesucht habe!" sagt Reg Mead zu seinem Fund.

Jesus sagt: Das Reich Gottes, das Himmelreich, das Leben in Gottes Gegenwart, das ist auch wie so ein verborgener Schatz, den es zu heben gilt.
Ja, dieses Himmelreich, das mitten unter uns ist und in uns, das ist gleicht dem Schatz im Acker!

Jesus sagt: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. (Mt 13,44-46)

Das Himmelreich gleicht einem kostbaren Schatz, der eine scheint es eher zufällig zu finden, das Himmelreich begegnet ihm. Sie treffen aufeinander.

Der andere sucht lange, er macht sich auf den Weg den Schatz zu finden, die kostbare Perle. Doch egal wie, der eine wie der andere sind sofort bereit alles andere aufzugeben und zu verkaufen, als sie die Perle, den Schatz, das Reich Gottes entdeckt haben.
Sie wollen nur noch das eine besitzen, Leben in Gottes Gegenwart das allein zählt, alles andere wird unwichtig. Verzichtbar. Bedeutungslos.

Ziemlich leichtsinnig mögen sie vielleicht denken! Tatsächlich ist es wohl keine gute Anlageberatung, keine vernünftige, ausgewogene oder risikobewusste Lebensplanung, von der Jesus erzählt. Vielmehr setzten die beiden Männer ohne Scheu alles auf eine Karte!

Aber klingt nicht zugleich die Aussicht auf einen einmaligen Schatz für sie verlockend, faszinierend, reizvoll?

Das Reich Gottes gleicht einem verborgenen Schatz. Das Reich Gottes will gesucht werden, ich muss mich auf Schatzsuche begeben, so wie der Kaufmann, der nach der einzigartigen Perle suchte.

Also machen wir uns auf die Schatzsuche! Folgen sie in einem alten christlichen Gleichnis aus dem 3. Jahrhundert der Suche nach der kostbaren Perle.
Ich lese einen längeren Abschnitt aus dem sogenannten Perlenlied:

Als ich ein kleines Kind war und in meinem Königreiche, in meinem Vaterhause, wohnte und mich erfreute am Reichtum und an der Pracht meiner Erzieher, entsandten mich meine Eltern vom Osten, unserer Heimat, nachdem sie mich ausgerüstet hatten. Und aus dem Reichtum unseres Schatzhauses schnürten sie mir eine Last zusammen, groß, doch leicht, so dass ich sie allein tragen konnte (...). Und sie umgürteten mich mit dem Diamant, der Eisen ritzt, und sie zogen mir das strahlende Gewand aus, das sie mir in ihrer Liebe gemacht hatten, (...). Und sie schlossen mit mir einen Vertrag und schrieben ihn mir in mein Herz, damit er nicht in Vergessenheit gerate: "Wenn du nach Ägypten hinabsteigst und die Perle bringst, die in der Mitte des Meeres ist, das der zischende Drache umschließt, dann sollst du dich wiederum in dein strahlendes Gewand (...) kleiden, (...) und sollst mit deinem Bruder, unserem Zweiten, Erbe in unserem Reiche sein."

Ich brach auf vom Osten und stieg hinab, geleitet von zwei Wächtern, denn der Weg war gefährlich und schwierig und ich war zu jung, ihn zu gehen. Ich durchschritt das Gebiet von Maischan, dem Treffpunkt der Kaufleute des Ostens, und kam zum Lande Babel und betrat die Mauern von Sarbug. Ich stieg hinab nach Ägypten und meine Gefährten verließen mich.
Ohne Umweg ging ich zum Drachen, nahm Wohnung nahe bei seiner Stätte,
bis er schlummern und schlafen würde und ich die Perle ihm wegnehmen könnte.

Und da ich völlig allein und den Mitbewohnern meiner Herberge ein Fremder war, (...) bekleidete ich mich mit ihren Gewändern, damit sie nicht gegen mich Verdacht schöpften, ich sei von auswärts gekommen, um die Perle zu nehmen, und damit sie nicht den Drachen gegen mich aufweckten.

Aus irgendeinem Grunde jedoch bemerkten sie, dass ich nicht einer der Ihren war. Und sie näherten sich mir listigerweise und gaben mir ihre Nahrung zu essen. Ich vergaß, dass ich ein Königssohn war, und diente ihrem König. Und die Perle vergaß ich, um derentwillen mich meine Eltern entsandt hatten; und durch die Schwere ihrer Speisen versank ich in tiefen Schlaf.

Aber all dies, was sich mit mir begab, ward meinen Eltern kund und sie trauerten meinetwegen. (...) Und sie schrieben einen Brief an mich, und jeder Große unterfertigte ihn mit seinem Namen: "Von deinem Vater, dem König der Könige, und deiner Mutter, der Herrin des Ostens, und von deinem Bruder, unserem Zweiten, dir, unserem Sohne in Ägypten, Gruß. Auf, erhebe dich von deinem Schlaf und höre auf die Worte unseres Briefes. Erinnere dich, dass du ein Königssohn bist. (...) Entsinne dich der Perle, derentwegen du nach Ägypten geschickt wurdest! Erinnere dich deines strahlenden Gewandes (...)!"

Der Brief war ein Brief, den der König mit seiner Rechten versiegelt hatte vor den Bösen, (...). Er flog wie ein Adler, der König der Vögel. Er flog und ließ sich neben mir nieder, als ganzer wurde er Wort. Bei seiner Stimme, dem Geräusch seines Rauschens, erwachte ich und erhob mich von meinem Schlaf; ich nahm ihn auf und küsste ihn und löste sein Siegel und las. (...)

Ich entsann mich, dass ich ein Königssohn sei und dass meine Freiheit nach Verwirklichung dränge. Ich erinnerte mich an die Perle, um derentwillen ich nach Ägypten gesandt worden war, und ich begann den laut schnaubenden Drachen zu beschwören. Ich versenkte ihn in Schlummer und Schlaf, da ich den Namen meines Vaters über ihm aussprach (...).Und ich ergriff die Perle und wandte mich um, in mein Vaterhaus zurückzukehren. Und ich zog ihr schmutziges und unsauberes Gewand aus und ließ es in ihrem Lande zurück. Und ich nahm meinen Weg zum Licht unseres Landes, zum Osten.

Und meinen Brief, meinen Erwecker, fand ich auf dem Wege vor mir; wie er mich durch seine Stimme geweckt hatte, so führte er mich nun mit seinem Lichte. Und das strahlende Gewand, das ich abgelegt hatte, (...) hatten meine Eltern von den Höhen Hyrkaniens durch ihre Schatzmeister hierher gesandt (...). Und mit seinen königlichen Gesten streckte es sich mir entgegen und es eilte an der Hand seiner Überbringer, dass ich es nähme. Und auch mich trieb meine Liebe an, ihm entgegenzueilen und es zu empfangen. Und ich streckte mich hin und empfing es. (...)1

 

Ich gebe zu, manches mag sehr märchenhaft und befremdlich klingen, aber das Perlenlied wurde früher auch als Gleichnis auf uns Menschen gelesen. In dem Königssohn, der von seinem Vater beauftragt wird die kostbare Perle zu suchen, lässt sich unsere eigene Geschichte als Söhne und Töchter Gottes, des Herrschers der Welt lesen.

Wenn ich das alte Perlenlied als Gleichnis für unser Leben im Glauben lese, dann berührt mich besonders der Teil, in dem der Königssohn die Perle vergisst und einschläft.

Denn so wie der Königssohn auf seiner Suche seinen Auftrag vergisst, vergisst wer er ist und wer seine Eltern sind, seine Herkunft und sein Ziel, so erscheint mir heute auch unsere Kirche. Ein Gleichnis für viele Christinnen und Christen! Für unsere Gesellschaft.

Es scheint mir als hätten ganz viele, die meisten die kostbare Perle, das Reich Gottes vergessen.
Vergessen zu suchen.
Vergessen dem Auftrag Gottes zu folgen.
Die Herkunft vergessen.

Die Fragen und Zweifel sind verstummt
Die Sehnsucht erloschen.
Die Begeisterung verklungen.
Wir haben uns gut eingerichtet. Angepasst. Gleich gemacht.
Ist es nicht gut, so wie es ist?
Warum weiter suchen? Was soll das schon für ein Schatz sein?
Was soll denn da noch kommen?

Anders als heute gab es Zeiten, in denen die Menschen mehr von diesem Schatz des Reiches Gottes tief berührt waren, Zeiten in denen die Menschen leidenschaftlich gesucht haben, gebrannt haben für diese einmalige Kostbarkeit.

Viele Lieder aus unserem Gesangbuch erzählen davon:

Philipp Nicolai besingt Jesus Christus selbst als diesen Schatz:

Ei meine Perl, du werte Kron,
wahr' Gottes und Marien Sohn,
ein hochgeborner König!
Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum;
(EG 70)

Und Johann Franck dichtet ganz ähnlich in seinem bekannten Lied:

Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide,
Jesu, meine Zier: (...)
außer dir soll mir auf Erden nichts sonst Liebers werden (...).
Weg mit allen Schätzen; du bist mein Ergötzen,
Jesu, meine Lust. Weg, ihr eitlen Ehren, ich mag euch nicht hören,

Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen,
Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe;
ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.

Ich glaube, die alten Liederdichter die kannten diesen Schatz, von dem Jesus erzählt, die wussten, wer diesen Schatz hat, der braucht nichts anderes mehr, da erscheint alles anderen klein und unwichtig.

Ob ihre Begeisterung auch uns locken kann, uns aus dem Schlaf aufwecken, damit wir uns wieder auf den Weg zu machen, uns anstiften zur erneuten Suche? Uns Geschmack machen für die Schatzsuche! Und wir wieder neugierig werden auf die kostbare Perle.

Auch die beiden modernen Schatzsucher aus England, die hatten zumindest das Gerücht der Bauerstochter, die sie anstiftete zu suchen. Eine alte Vermutung, die dunkle Erinnerung.

Solche Gerüchte, solche Erinnerungen an das Reich Gottes, Vermutungen über die Werte, die zu finden sind, die brauchen wir ganz dringend. - Ohne die Geschichten, Briefe, Gerüchte und Vermutungen von Perlen und Schätzen, da gibt es kein Aufstehen, kein Aufwachen, keine Sehnsucht. Da sind alle Äcker gleich wert oder unwert. Wer nichts vermutet, findet nichts.

Im Perlenlied erhält der Königssohn einen Brief von seinem Vater, der ihn an seinen Auftrag, seine Herkunft, an die kostbare Perle erinnert. Und daraufhin macht er sich wieder auf den Weg.

Paulus sagt einmal: Ihr seid ein Brief Christi!

Ja, auch wir können diejenigen sein, die die anderen aufwecken und den Schatz erinnern. Die die Gerüchte streuen, Vermutungen anstellen, die Erinnerung weitertragen:

Es gibt etwas zu suchen!

Und: Es gibt es etwas zu finden!

Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt, suchet und ihr werdet finden.
Es gibt etwas, wofür man seine ganzen Lebenskräfte und Lebensmittel aufwenden könnte, um es zu finden.

Ich gebe zu, wirklich alles aufzugeben, alles auf eine Karte zu setzen für die eine kostbare Perle, das kann ich mir auch nicht so richtig vorstellen. Aber einfach verschlafen möchte ich auf keinen Fall.

 

Ich bin weiter neugierig und ich bin wachsam.
Ich suche weiter.
Das vergesse ich nicht:

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

 

AMEN

 



Pastor Mirko Peisert
31275 Lehrte-Steinwedel
E-Mail: mirko.peisert@evlka.de

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