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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 28.07.2013

Predigt zu Matthäus 13:44-46, verfasst von Claudia Krüger



Die Kostbarkeit entdecken!

Herzlichen Glückwunsch, liebe Gemeinde!

Sie haben gewonnen, Sie haben den Himmel auf Erden! Sie halten einen kostbaren Schatz in Händen, denn Sie hören das Evangelium, die „frohe Botschaft". Das ist wahrlich Grund genug, von Herzen froh zu sein heute Morgen. Und das alles in der Gemeinschaft von Christenmenschen. Sie dürfen singen, beten, hören. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Liebe Gemeinde, diese Vorrede erstaunt Sie vielleicht ein wenig. Kann man wirklich gratulieren? Lassen Sie uns gemeinsam entdecken, ob es tatsächlich einen Grund gibt, einander zu gratulieren!

Wir hören Worte Jesu aus dem Matthäusevangelium im 13. Kapitel, die Verse 44-46:

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Ich sehe ihn noch deutlich vor mir, dort im Matsch, auf einer geführten Wattwanderung, die kleinen Füße in gelben Gummistiefeln, die blaue Mütze auf dem Kopf , meinen etwa vierjährigen Jungen mit den strahlenden Augen: „Ich habe ihn gefunden!", jubelte er selig.

Er hielt uns die kleinen kräftigen Hände wie eine Schale entgegen: zwischen schlammigem Sand lugte ein Wattwurm hervor. Die Bewunderung war groß, die Erläuterungen des Wattführers über dieses erstaunliche Wesen beeindruckten sehr. Welch eine Fülle und Vielfalt der Schöpfung Gottes und welche Einzigartigkeit der Lebewesen und der Lebensräume von Pflanzen und Tieren! Für den kleinen Jungen aber war es ein Moment des ganz tiefen Glücks - er hatte ihn gefunden - mitten im großen Watt - diesen Wurm, den wir alle gesucht hatten und von dem es so viel zu erzählen gab. Diesen Moment des Finderglücks hat er nie vergessen.

Heute hat der inzwischen junge Mann andere Träume: die Liebe seines Lebens, den Jackpot knacken - verbunden mit der Vorstellung, welche herrlichen Länder man dann bereisen und welche schicke Penthousewohnung man dann einrichten könnte.

Jeder und jede könnte nun von den eigenen Träumen und Sehnsüchten erzählen.

Von Wünschen, die uns durchs Leben begleiten und begleitet haben und für deren Erfüllung wir alles gegeben hätten! Von Sehnsüchten auch, die wir in unsere Kinder projizieren, und von ideellen Werten wie innerer Erfüllung, Erfolg oder Geliebt sein. Und vielleicht haben wir tatsächlich schon Momente tiefsten Glücks erlebt, von denen wir uns gewünscht hätten, dass sie nie vergehen: ein Anblick, der uns ganz und gar verzaubert hatte, ein Klang, der uns zum Weinen brachte, ein Gedanke, der uns für einen Moment einfach alles vergessen ließ.

Doch zurück zu unserer Geschichte:

Da sind zwei Menschen zu Findern geworden - und sind selig! Der Eine hat gar nicht gesucht, er hat zufällig gefunden bei seiner Arbeit als Tagelöhner auf dem Acker seines Gutsherrn. Er hat den Schatz entdeckt, ihn schnell wieder vergraben, damit er nicht von anderen entdeckt würde, und dann geht er hin in seiner Freude und verkauft alles, was er hatte, um diesen Acker zu kaufen. Er verstößt zwar damit gegen das gültige Fundrecht, aber wir und die Damaligen können sein Verhalten mehr als gut nachvollziehen. Man könnte zwar über die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens diskutieren, aber das ist nicht das Thema unserer Geschichte. Das wesentliche Thema ist vielmehr die unbändige innere Freude, die den Menschen erfasst hat und in der er losgeht, um nun alles daran zu setzen, diesen Schatz zu erhalten, denn dann hätte er mit einem Mal all seine Sorgen los und für alle Zukunft ausgesorgt! Herzlichen Glückwunsch! Er hat den Acker gekauft und den Schatz bekommen.

Der Andere ist schon immer ein Suchender. Er sucht Perlen und handelt mit ihnen. Ein durchaus nüchtern kalkulierender Geschäftsmann. Und immer wird da insgeheim der Wunsch in ihm brennen, einmal die ganz außergewöhnlich seltene kostbare Perle zu finden. Man darf ja träumen! Doch was er nicht zu hoffen gewagt hätte tritt ein: er findet sie! Er gibt alles für sie. Und bekommt sie. Welche tiefe Freude mag ihn erfasst haben. Herzlichen Glückwunsch!

Beide haben erkannt und gefunden, was für sie von höchster Kostbarkeit im Leben ist. Haben wir schon den Schatz unseres Lebens gefunden? Oder suchen wir noch? Womöglich warten wir immer noch klammheimlich darauf, dass es uns begegnet - einfach so?!

Die beiden Gleichnisse werden eingeleitet mit den Worten: „Das Himmelreich gleicht...und wiederum gleicht das Himmelreich..."

Und die Geschichten vom wunderbaren Fund und der tiefen Freude sind ja leicht nachvollziehbar, weil sie unsere alltäglichen Lebens- und Arbeitssituationen und eben auch unsere tiefsten Sehnsüchte nach Lebenserfüllung ansprechen - nicht nur in der damaligen Zeit, sondern auch heute noch. Was aber ist mit „Himmelreich" gemeint? „Himmel auf Erden"? Reich Gottes? Zeichen der hereinbrechenden neuen Welt Gottes? Herrschaft Gottes, die schon ist, oder die erst kommt? Oder beides? Auf jeden Fall hat dieses Himmelreich mit dem Dasein, dem Wirken und der Nähe Gottes in dieser Welt und wohl auch in der zu erwartenden Welt zu tun. Da wird nicht unserer Welt eine Märchenwelt entgegen gesetzt. Sondern da bricht das Himmelreich mitten in unsere raue und manchmal so mühsame Wirklichkeit ein. Und deshalb erzählt Jesus auch an anderen Stellen immer wieder in unterschiedlichen Bildern und Beispielen unserer Welt von dem, was ansonsten einfach unsere menschliche Vorstellungskraft sprengt.

Anton Tschechow hat einmal geschrieben: „Man muss an Gott glauben, und wenn man den Glauben nicht hat, dann soll man an seiner Stelle keinen Sensationsrummel setzen, sondern suchen, suchen, einsam suchen, allein mit sich und seinem Gewissen." (Briefe, 17.Dez.1901)

Hier in unserer Geschichte ist es anders: da wird nicht gesucht und gesucht, und einsam gesucht, sondern hier wird gefunden. Einfach so. Herzlichen Glückwunsch! Ohne zu suchen, oder eben mit einer tiefen Sehnsucht nach Kostbarstem im Herzen, die einen im Leben begleitet. Das ist das Wunderbare am Reich Gottes und auch an unserem Glauben: wir müssen nicht verzweifelt suchen, sondern wir können finden, überraschend, zutiefst beglückend - das unendlich Kostbare. Und dann gehen wir hin in unserer Freude!

Das ist ja gerade die frohe Botschaft, das Evangelium. Wir können es entdecken, mitten im großen steinigen Acker des Lebens, wir halten es plötzlich in Händen und erkennen die kostbarste Perle.

Ich denke an eine alte Frau, die mir aus ihrem Leben erzählt hat. Manchmal schwieg ich betroffen zu all dem Leid, das sie erfahren hatte. Manchmal lächelte ich, wenn ich von schönen Zeiten und tiefem Glück gehört habe. Und dann formte sie behutsam die Hände zu einer kleinen Schale und schaute hinein, als gäbe es darin etwas zu entdecken. Als läge darin die kleine kostbarste Perle aus unserer Geschichte. „Sehen Sie, das ist doch das Wertvollste in meinem Leben, das Kostbarste, was wir haben, dass mich mein Glaube begleitet und gestärkt hat in meinem Leben. Auch wenn ich den da oben so oft habe nicht verstehen können. Wenn er manchmal so entsetzlich verborgen war. Und doch war er da. Und doch habe ich gespürt, dass er es gut mit mir meint. Dass er mein Leid nicht will, auch wenn er es nicht verhindert hat. Aber dass er mein Leid mit mir mitgetragen hat, das habe ich immer wieder ganz deutlich gemerkt und davon singe ich dann auch manchmal so für mich am Abend: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet". „In dir ist Freude, in allem Leide!" „Wohl dem, der einzig schauet...den schönsten Schatz geliebt! Und einmal werde ich bei ihm sein, an dem Ort, von dem gesungen wird: „Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein!" - darauf freue ich mich schon heute!"

Liebe Gemeinde, vielleicht müssen wir immer wieder innehalten und selbst die Hände zu einer Schale formen, um zu erkennen, welchen einzigartigen Schatz wir in den Händen halten. Welche Kostbarkeiten wir im Leben empfangen haben - neben all dem Beschwerlichen, das jedes Leben nun einmal begleitet, jedenfalls, so lange wir auf dieser Erde weilen. Und doch können wir vielleicht den Schatz wieder entdecken, das, was unser Leben trägt, was uns ermutigt, was unsere Tränen wieder trocknet und uns ganz tief innen - allem zum Trotz auch wieder froh machen kann. Dafür brauchen wir Zeit, viel Zeit, Innehalten und unsere Hände zur Schale formen. Und womöglich spüren wir, dass uns die Last, auch unserer Schuld, wieder abgenommen wird in unserem Leben, in dem manches gelungen und gut, vieles aber auch unrecht war. Denn wir schreiben Lebensgeschichten, in denen es nicht allzu häufig Siege zu feiern gab, sondern harte Arbeit und Mühen und auch Niederlagen zu beklagen sind. Was wir selbst mitbringen, um den Acker zu kaufen, das ist in der Tat und bei Licht betrachtet nicht viel. Aber für das, was uns Gott mit dem Himmelreich schenken möchte, dafür können wir ihm nur vertrauensvoll die geöffneten Hände hinhalten.

Was wir „Frohe Botschaft" nennen, das kann man nicht herbei zwingen, das kann man auch nicht erzwingen, das kann man nur mit einem Male wieder erkennen, wie ein glücklicher Finder, wie eine überwältigte Beschenkte - die in ihrer Freude hingeht, denn das Himmelreich gleicht einem Schatz! Herzlichen Glückwunsch!

Da bricht mitten im Alltagstrott eine neue Welt herein. Und wir haben ausgesorgt. Wir müssen nur finden, was doch eigentlich längst da ist, von Anfang an.

„Und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte,..."

Das ist nun beiden Schatzfindern gleich - sie können gar nicht anders, denn sie sind so erfüllt von Freude über das Kostbarste, was sie je in ihrem Leben gefunden haben, dass sie einfach nur so handeln können!

Worüber können wir uns dermaßen freuen, dass alles andere zweitrangig wird und nur noch diese Freude alles Gehen und Handeln bestimmt? Gibt es eine Freude, die auch unser zukünftiges Leben maßgeblich bestimmt? Nicht so eine gebremste überschattete Freude, in unserer bürgerlichen Versicherungsmentalität. Sondern eine helle strahlende Freude an dem, was uns da geschenkt ist! Freude, von der niemand ausgeschlossen ist, die Lebensverändernde Folgen hat, weil sie uns immer wieder kreativ aktiviert und in heilsame Bewegung setzt.

Freilich, wir haben nichts, das wirklich ausreichen würde, um den Schatz aufzuwiegen, nicht unsere guten Eigenschaften, Erfolge, Gutes Handeln - es reicht nicht, um den Wert des Himmelreichs zu erkaufen. Das Kostbarste kann nur von Gott selbst geschenkt werden, das Himmelreich, das ist seine gute Herrschaft, die er jeden Tag wirksam in unseren Alltag der Ackerleute und der mehr oder weniger erfolgreichen Händlerinnen spürbar machen kann und will.

Das heißt nun aber für uns alle, dass wir in großer Freiheit und ganz unterschiedlich uns leiten lassen dürfen von dem, was wir als Schatz in Händen halten. Dass wir wieder einen anderen Blick auf das Leben gewinnen, neue Impulse für die kleine und große Welt unseres Alltags bekommen, und ein Sehnen und Streben im Herzen behalten, diese Welt ein wenig in seinem Sinne und nach seinem Willen zu verändern. Dass wir auch immer wieder unsere Blickwinkel und unsere Handlungsweise korrigieren und manchmal dann erstaunlich anders handeln können! Vielleicht können wir einmal einander erzählen von unseren Lebens- und Glaubensschätzen, besonders den Menschen, die das Gefühl haben, nichts mehr in Händen zu halten, sondern alles verloren zu haben.

Womöglich können wir für den Einen oder die Andere wieder ein Stück Himmel auf Erden zurück bringen, können scheinbare Verlierer zu Gewinnern machen, oder erfahren, dass uns jemand unverhofft zum Engel wird. Mitunter lässt sich gemeinsam im steinigen Acker der Schatz entdecken, und ein Mensch findet endlich das, was ihn doch als kostbaren Menschen ausmacht, als Ebenbild Gottes. Wie bei einer Steindruse, die von außen wertlos und unscheinbar erscheint. Gewinnt man aber einen Blick ins Innere, dann funkelt es einem ganz erstaunlich und wunderbar entgegen. Auch bei jungen Leuten ohne Arbeit oder mit tausend Zweifeln an sich selbst. Auch alte Menschen mit großen Einschränkungen fühlen sich mit einem Mal gefunden vom liebenden Gott. Lassen Sie uns immer wieder unermüdlich mit wachen Augen Schätze finden und Perlen behutsam in Händen halten. Unser Gott hat einen liebenden Blick für alles scheinbar Verlorene. Auch für die, die meinen, dass immer nur die Anderen das große Los gezogen haben.

Suchen und finden, und als geliebtes Geschöpf Gottes immer wieder von ihm gefunden werden. Und womöglich erkennen, dass das kostbarste Gut doch längst von ihm in unsere Hände gelegt ist. Umsonst, Geschenkt. Gratis. Sola gratia, aus reiner Gnade, aus göttlicher Liebe.

Lassen wir uns immer wieder faszinieren von der Liebe Gottes, mitten in unserem oft so steinigen mühsamen Alltag.

Und dann werden wir hoffentlich wieder hingehen in Freuden, bis einmal am Ende der Tage der Himmel erstrahlt in ewigem Licht. Dann sind wir allesamt einfach nur noch zu beglückwünschen!

Amen.

 



Pfarrerin Claudia Krüger
70619 Stuttgart
E-Mail: claudia.krueger@elkw.de

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