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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

12. Sonntag nach Trinitatis, 18.08.2013

Predigt zu Lukas 18:1–8, verfasst von Juraj Bándy

 

 

Dieses Gleichnis Jesu, das sich nur im Lukasevangelium steht, betont die Beddeutung und Notwendigkeit des Gebets. Jesus hat dieses Gleichnis deswegen erzählt, damit er seine Jünger ermahne, „dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten" (V. 1). Im Mittelpunkt der heutigen Predigt vom Gleichnis von der bittenden Witwe wird das Gebet stehen. Das Gebet ist ein wesentlicher Ausdruck des Glaubens und der Frömmigkeit.

 

1. Wir können uns sehr gut in die Welt dieses Beispiels versetzen, das Jesus aus dem Alltagsleben genommen hat. Mit diesem Beispiel stellt er uns die Wichtigkeit des Gebetes dar und ermuntert uns zum Gebet.

            Auf der einen Seite steht ein Richter, der sein Amt in einer nichtgenannten Stadt bekleidet. Er hat zwei charakteristische Merkmale: „Der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen" (V. 2). Diese zwei Eigenschaften disqualifizieren ihn für die Ausübung des Richteramtes, weil ein Richter das Recht und die Gerechtigkeit durchzusetzen muss. Das Benehmen des Richters ist auch im Widerspruch zur Summe des Gesetzes, weil er weder Liebe zu Gott noch Liebe zu den Menschen hat

            Auf der anderen Seite steht eine Witwe, die mit der Hilfe dieses Richters ihr Recht zur Geltung bringen möchte. Sie ist nicht näher charakterisiert. Es ist auch nicht nötig. Es reicht zu sagen, dass sie eine Witwe ist, weil die Witwen gemeinsam mit den Waisen und den Fremdlingen am häufigsten der Misshandlung und der Unterdrückung ausgeliefert waren. Solche Leute brauchten den größten Schutz (cf. 2M 22, 21 - 23; Jes 1, 17 - 23; Jer 7, 6; Jak 1, 27). Gegenüber solchem Richter, von welchem im Gleichnis die Rede ist, schien die Rechtssache der Witwe noch vor der Entscheidung verloren zu sein. Ein ungünstigeres Kräfteverhältnis zwischen dem Amt und dem Klienten zum Nachteil des Klienten können wir kaum vorstellen. Aus dem Gleichnis erfahren wir nicht, um welche Rechtsangelegenheit es ging, aber es ist nicht wichtig. Wir erfahren nur, dass die Witwe häufig zum Richter ging, aber dachte nicht daran, sich mit der Angelegenheit der Witwe zu befassen.

            Auch heutzutage kommt es vor, dass der Klient in einem Amt von einer Kanzlei in die andere geschickt wird und für die Sache, die er erledigen möchte, niemand zuständig ist und aus einer einfachen Sache eine lange amtliche Prozedur entstehen kann.

            Auch heutzutage ist das Wort Protektion kein unbekannter Begriff. Mit der Hilfe der Protektion kann man auch delikate und heikle Sachen schnell und leicht erledigen.

            Die Witwe in unserem Gleichnis hatte weder Protektion noch Geld für die Bestechung und außerdem stieß sie bei dem Gericht auf einem Richter, der auf niemanden Rücksicht nahm. Trotzdem besuchte sie ihn beharrlich „und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher" (V. 3). Sie bat ihn ausdauernd, obwohl der Richter „wollte lange nicht" (V. 4) ihre Sache erledigen. Er hat die Sache immer wieder abgeschoben, weil er ja nur mit einer Witwe zu tun hatte, die weder Einfluss noch Protektion noch Schmiergelder hatte. Am Ende aber hat die Beharrlichkeit der Witwe gegen die Bosheit des Richters gesiegt. Der Richter erledigte die Angelegenheit. Er tat das nicht deswegen, weil er das Recht der Witwe anerkannte, nicht deswegen, weil das Mitgefühlt in ihm erwacht war. Er tat es nur wegen seiner Bequemheit. Es ging ihm schon auf die Nerven, dass die Witwe „so viel Mühe" (V. 5) machte, und deswegen schaffte er ihr Recht. Der Richter begann zu handeln erst dann, als die Untätigkeit für ihn unbequemer war als das Handeln. Aus dem Gleichnis erfahren wir nicht, wie die Entscheidung des Richters durchgesetzt und verwirklicht wurde. Die Angelegenheit der Witwe, obwohl sie gegenüber dem Richter keine Chance hatte, wurde letzten Endes günstig erledigt.

 

2. Jesus erzählte dieses Gleichnis deswegen, damit er die Frage stellte: Wenn diese Witwe, die mit einem böswilligen Richter zu tun hatte, beharrlich zu ihm gehen und ihm bitten konnte, warum könnt ihr nicht in euren Gebeten beharrlich Gott bitten, der kein böswilliger Richter, sondern ein liebender Vater ist? Wenn diese Witwe nicht aufhörte zu hoffen, dass ihrer Bitte bei dem böswilligen Richter Gehör geschenkt werden wird, warum glaubt ihr nicht, dass Gott eure Gebete erhört? „Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen?" (V. 7).

            Jesus zieht für seine Nachfolger aus diesem Gleichnis die Lehre: Wenn auch der böswillige Richter die beharrliche Bitte erhört, erhört Gott umso mehr das ausdauernde Gebet, weil er etwas hat, was dem bösen Richter fehlt, nämlich die Liebe zu den Menschen.

            Wie beharrlich sind unsere Gebete? Wie flehendlich sind sie? Sind sie nicht im Vergleich mit den Bitten der Witwe nur unmutige Töne? Ist das nicht eine von unseren Hauptsünden, dass wir nicht im Gebet beharrlich sind? Unser Gleichnis stellt uns eben diese Fragen.

            Die Bibel ermuntert uns in vielen Stellen zum Gebet: „Haltet an am Gebet" (Röm. 12, 12), „haltet an am Gebet und wachet in ihm mit Danksagung" (Kol. 4,2). „betet ohne Unterlass" (1.Thess. 5, 17).

 

3. Jesus konfrontiert uns mit Hilfe des Beispiels der bittenden Witwe mit der Forderung, dass wir „allezeit beten und nicht nachlassen sollten" (V. 1). Das bedeutet nicht, dass wir den ganzen Tag mit gefalteten Händen da sitzen, sondern dass unser ganzes Leben ein Gotteslob sei. Es bedeutet, dass aus unserem ganzen Leben die Dankbarkeit zu Gott ausstrahle. Allezeit zu beten, bedeutet für die Ankunft des Menschensohnes bereit zu sein.

            Der Herr nennt seine Jünger Auserwählte. Wir können unsere Auserwählung so zur Geltung bringen, dass wir „Tag und Nacht" (V. 7) zu Gott rufen, sogar schreien dürfen wir und sollen nicht aufhören, bis wir den Erfolg erzielen.

            Ist unser Leben ein Gotteslob? Nützen wir unsere Auserwählung dazu aus, dass wir ohne Unterlass zu Gott rufen?

 

4. Nach der Darstellung des Gleichnisses fragte Jesus: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?" (V. 8). Diese Frage deutet auf zwei Sachen hin. Die erste Sache ist, dass die Ankunft des Menschensohnes sicher ist. Die zweite Sache ist, dass der Menschensohn bei seiner Ankunft den Glauben, bzw. die Treue suchen wird. Nichts anderes.

            Wird er aber den Glauben an Gott finden, wenn er zum Gericht kommt? Wird er solchen Glauben finden, der beharrlich und hoffnungsvoll bitten kann? Wird er solchen Glauben finden, der sich im Alltagsleben als Gotteslob zeigt? Wird er solchen Glauben finden, der den Menschen rettet?

            Du bist glücklich und selig, wenn der Herr bei seiner Ankunft bei dir Glauben findet, weil es für dich das ewige Leben bedeuten wird. Das ist die frohe Botschaft des Gleichnisses. Weh aber dir, wenn er bei dir keinen Glauben findet, weil dann seine Ankunft für dich die Ankunft zum Gericht wird. Das ist die Mahnung, die das Gleichnis enthält. Bleibe fest im Glauben und bete immer mit Vertrauen, damit die Ankunft des Menschensohnes für dich zur Rettung und zum Heil werde. Amen.

 



Prof. Dr. theol. Juraj Bándy
811 02 Bratislava
E-Mail: bandy@fevth.uniba.sk

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