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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

13. Sonntag nach Trinitatis, 25.08.2013

Predigt zu Matthäus 6:1-4, verfasst von Hans-Otto Gade


 

Geben ... und Nehmen

Liebe Gemeinde!

Der Gottesdienst ist vorüber. Der Küster, der Pastor, der Organist und zwei Kirchen Vorsteherinnen haben sich von der Gemeinde verabschiedet. Und nun kommt das, was immer nach einem Gottesdienst kommt:
Der Küster bringt die Kollektenbeutel in die Sakristei und schüttelt sie auf dem Tisch aus. Und an diesem Sonntag ein Ausruf eines der Beteiligten: "Das hat sich mal wieder gelohnt!"

Was hat sich gelohnt? Der Inhalt der Kollektenbeutel. Da finden sich diesmal nicht nur die sonst üblichen Cent und Euro-Münzen, sondern auch mehrere Scheine: Grüne und rote und blaue diesmal auch die großen braunen, und davon gleich mehrere.

"Das hat sich gelohnt!" Wer hat das gesagt?

Wenn es der Küster gesagt hat, dann meint er vielleicht: Da lohnt sich wenigstens das Zählen und Abrechnen.
Wenn es eine Kirchenvorsteherinnen gesagt hat, dann denkt sie möglicherweise: Tja, da haben wir auf der letzten Kirchenvorstandsitzung doch den richtigen Kollektenzweck für diesen Sonntag bestimmt - seht ihr, da geben die Leute auch was!

Falls das der Organist gesagt haben sollte, dann denkt er sicherlich: nun ja, bei meinem Orgelspiel heute - das hat den Leuten den Geldbeutel aufgetan!"

Wenn der Pastor diesen Satz gesagt haben sollte, dann denkt er sicherlich an seine sagenhafte Predigt...

Nun aber eine Woche weiter: Da wird in den Ankündigungen gesagt: Das Kollektenergebnis der vergangenen Woche betrug 1100 Euro!

Und was denkt da die Gemeinde? Sie überlegt sich das gleiche, was die seinerzeit in der Sakristei versammelten Personen auch gedacht haben: wer hat da wohl so viel Geld in die Kollektenbeutel getan? Wer war das mit den großen Scheinen? Schade nur dass wir das nicht erfahren können!

Und ein Zweites denkt sich die Gemeinde, vor allem diejenigen, die am vergangenen, kollektenreichen Sonntag auch da waren: siehst du, so eine schlechte Gemeinde sind wir auch nicht, wir geben doch ganz schön viel!

Mit diesem letzten Gedanken hat die Gemeinde Recht: Sie, liebe St. Petri - Gemeinde, geben tatsächlich viel Geld für die unterschiedlichen Kollekten - jedenfalls im Vergleich mit früheren Jahren. Was da manchmal zusammenkommt, ist schon recht erfreulich und setzt uns als Kirchenvorstand in die Lage, dringend notwendige Vorhaben der Kirchengemeinde voranzutreiben.

Einsame Spitze ist dabei natürlich unsere Tschernobyl-Hilfsaktion. Alles in allem haben die Buxtehuder für die von der Tschernobyl-Katastrophe betroffenen Kinder in Weißrussland (Belarus) in den Jahren 1993 -2012 fast 700.000 € gespendet. Das ist doch was! Darauf können wir stolz sein, denn einerseits ist damit den strahlenkranken und erholungsbedürftigen Kindern nach Tschernobyl doch schon eine Menge geholfen und andererseits haben wir doch ganz bewusst etwas gezeigt von unserer christlichen Verantwortung für die Not leidenden Menschen, für den nächsten, der an unserem Wege liegt.

Und dann sind wir auch ein ganz bisschen stolz - ich auch - wenn dann in den Zeitungen entsprechende Berichte über unsere Hilfsaktionen stehen.

Und im Predigttext aus dem Matthäus-Evangelium steht:

1 Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.

2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut,

4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Das ist ja nun einigermaßen peinlich. Ist denn all dieses Reden, dieses Stolz sein über die Gaben die wir geben, über die Hilfe, die wir leisten, ist das denn so verkehrt, so schlecht, ja, sogar gegen Gottes Willen? Heißt das also, dass jeder Bericht in der Zeitung über unsere Hilfsaktionen nicht der Bibel entspricht?

Heißt das, dass jede Kollektenabkündigung. die ja irgendwo auch den Stolz der Gemeinde hervorruft, heißt das, dass auch diese Kollektenabkündigungen grundfalsch sind, weil das ein fast heuchlerisches Verhalten wäre?

Wenn ich mich wortwörtlich nach diesem Text richte, dann kann ich zum Beispiel nirgends öffentlich sagen, dass wir auf jeder unserer Fahrten nach Gomel in Weißrussland in der Nähe von Tschernobyl so etwa 40.000 bis 50.000 € für Krebs-Medikamente und medizinisch-technische Geräte mitnehmen, denn eine solche Mitteilung wäre ein biblisches Ausposaunen.

Almosen, Spenden also, sollen verborgen gegeben werden, so, als ob noch nicht einmal die linke Hand erfährt, was die rechte gibt.

Ich frage mich, ob das denn richtig wäre. Ich hätte als Pastor, wir hätten als Kirchenvorstand und Mitarbeitende keine Möglichkeit mehr, der Gemeinde zu danken. Wir hätten dann aber auch keine Möglichkeit mehr, über einen kürzeren oder längeren Zeitraum für bestimmte Verwendungszwecke zu sammeln, weil dafür immer Zwischenergebnisse in der Öffentlichkeit genannt werden müssen.

Und - so lese ich zu meiner Überraschung - auch die Bibel ist sich da nicht so ganz einig. Und nicht nur die Bibel, sondern der Evangelist Matthäus schreibt über dieses Thema in zwei aufeinanderfolgenden Kapiteln in der Bergpredigt selbst sehr unterschiedlich, ja sogar gegensätzlich.

Wenn wir hier im sechsten Kapitel von dem streng geheimen Almosen geben lesen, heißt es im fünften Kapitel sinngemäß: "Stellt euer Licht nicht unter einen Scheffel, damit die Leute eure guten Taten sehen und wegen eurer guten Taten Gott preisen!"

Wenn Sie nun nicht mehr ganz durchblicken, was denn nun beim Spenden richtig ist: im Verborgenen oder doch einigermaßen öffentlich, wenn sie nun also nicht so ganz wissen, woran sie sind, dann kann ich sie trösten: auch ich bin ganz schön ins Sinnieren gekommen über die "Richtigkeit" unseres Umgangs mit Spenden und Hilfsgütern in der Öffentlichkeit.

Vielleicht kommen wir weiter wenn wir uns überlegen, warum wir bekannt geben was eine Gemeinde, eine Gruppe oder Einzelne gespendet haben. Das geschieht doch aus zwei Gründen:

Erstens möchten wir mit unseren Abkündigungen, mit den Berichten in den Zeitungen oder im Gemeindebrief den Spendern und Spenderinnen danken.
Zweitens möchten wir - und das ist fast hinterlistig - wir möchten andere ermuntern, ebenfalls zu spenden.

Und deswegen nennen wir zwar die Spenden, aber nicht die Namen der Spender. Deswegen tun wir uns auch sehr schwer, die Namen von Einzelpersonen zu nennen, die einen Betrag gespendet haben. Wie hörte sich das denn an, wenn wir etwa sagten: unser Küster hat gesehen, dass Frau XYZ einen Hunderteuroschein in die Kollekte getan hat! Herzlichen Dank!

Oder wie hörte sich das an, wenn eine Abkündigung etwa lautete: Herr ABC legt Wert auf die Feststellung, dass er das neue Taufbecken zu etwa 37 % allein finanziert habe!

Problematisch wird das bei Firmen - entsprechende Berichte haben Sie sicher schon oft in den Zeitungen gelesen, wenn die Firma F so und so viel Geld gegeben und das und das heilpädagogische Gerät gespendet hat. Da habe ich denn auch so meine Probleme, aber hinter einer Firma steht doch nicht nur eine Einzelperson, sondern eine Schar von Mitarbeitenden, die durch ihre Arbeitskraft ist diese Spende möglich gemacht hat!

Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen...

Ah ja - darum geht es (darum geht es zumindest auch): dieses laute Hervorheben von guten Taten in der christlichen Gemeinde - gemeint ist ein bewusstes Hervorheben etwa wie: ach was bin ich doch für ein guter Mensch und der liebe Gott muss mich doch einfach gern haben! Da wird dann die gute Gabe zu einem Zweck, zu einem Mittel, um mich selbst in eine vor Gott und dieser seiner Gemeinde erhöhte, angesehene Stellung zu erheben. Mann, was bin ich toll! Dann dient die gute Gabe nicht mehr in erster Linie dazu, dem notleidenden Menschen zu helfen, sondern vor allem dazu, mein eigenes Ansehen zu erhöhen.

Wenn eine Gabe mit diesem Hintergedanken gegeben wird, dann ist sie höchst fragwürdig und - wir unser Text sagt - heuchlerisch.

Und zum Schluss noch eins:
Es gibt eine Reihe von Leuten, die eine großzügige Spende für einen Ersatz für fehlenden Gottesdienstbesuch und mangelnde Mitarbeit in der Gemeinde halten.

"Ich gebe doch regelmäßig etwas, warum soll ich noch zur Kirche gehen?!"
Da wird die gute Gabe (die dann eben keine gute Gabe mir ist) zu einem Ersatz für den Gottesdienst.

Als ob es im Gottesdienst in erster Linie darum ginge, etwas zu geben! Natürlich gehört die Gabe, die Spende, die Kollekte als Zeichen des Dankes zum Gottesdienst (deswegen wird diese Kollekte auch Dankopfer genannt), aber der Inhalt des Gottesdienstes ist nicht das Geben, sondern das Nehmen.

Jesus Christus gibt sich uns, in jedem Gottesdienst immer wieder neu. Ergibt sich uns, er schenkt uns seine Nähe, er gibt uns Kraft für den Tag, für die Woche, er sagt uns seine Nähe zu in Zeit und Ewigkeit.

Und das ist die gute Gabe, die wir immer und zu jeder Zeit laut heraus posaunen dürfen!

Amen

 



Pastor i. R. Hans-Otto Gade
21614 Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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