Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 08.09.2013

Predigt zu Lukas 17:5-6, verfasst von Hans-Otto Gade


 

Vertrauen wagen

5 Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.

Liebe Gemeinde,

sitzen Sie gut? Ja, meine Frage an Sie, an Euch: Sitzen Sie gut? Diese Frage stelle ich nicht im übertragenen Sinne als Einleitung für eine umwerfende Nachricht - so etwa: Sitzt du gut, ich muss dir was erzählen.... Nein, meine Frage ist so gemeint wie ich sie gestellt habe: Sitzen Sie gut? Ich weiß, Kirchenbänke könnten bequemer sein, aber trotzdem sitzt jeder von Ihnen einigermaßen gut. Und vor allem sicher.

Ist jemand von Ihnen auf die Idee gekommen, die Sicherheit und Standfestigkeit seiner Kirchenbank vorhin zu prüfen? Oder habt ihr Konfirmanden vielleicht erst einmal lange diskutiert, ob die Kirchenbänke denn euer zartes Gewicht aushalten? Hat jemand von Ihnen vor dem Gottesdienst erst einmal ganz genau überprüft: Wird diese Bank nicht evtl. zusammenbrechen wenn wir mit vier oder fünf Leuten da drauf sitzen?

Sicherlich nicht. Jeder von uns geht in die Kirche und setzt sich auf seinen Platz ohne zu prüfen, ob die Bank auch bis zum Ende des Gottesdienstes durchhält. Ganz selbstverständlich.

Nun frage ich mich, warum wir einerseits unsere ganze wertvolle Person so ganz selbstverständlich und ohne jeden Zweifel einem Menschen gemachten Sitzmöbel anvertrauen - und andererseits: wenn es um die Grundlage unseres Lebens geht, dann fehlt uns oft dieses Vertrauen. Anders ausgedrückt: Wir vertrauen der Kirchenbank deutlich mehr als Gott.

Bevor ich das erkläre und weiter mit Ihnen darüber nachdenke muss ich ein mögliches Missverständnis ausräumen: Wenn ich von dem fehlenden Vertrauen rede, dann sage ich ganz bewusst: W I R und schließe mich da mit ein.

Wir vertrauen dieser Holzbank mehr als Gott. Ich nehme mal mich selbst als Beispiel: Wenn ich in die Kirche zum Gottesdienst komme, dann lasse ich mich in die Kirchenbank oder in das Chorgestühl sinken ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, ob nicht der Sitz evtl. unter mir zusammenbricht. Obwohl das bei meinem Gewicht und bei dem 600 Jahre alten Chorgestühl schon ein Wagnis sein sollte... Nun frage ich mich selbst:

Lasse ich mich genauso vertrauensvoll in Gottes Arme sinken, um bei IHM geborgen zu sein? Vertraue ich mich, meine Person, meine Gegenwart, meine Zukunft genauso selbstverständlich Gott an, wie ich mich einer Kirchenbank anvertraue? Das Wort „Vertrauen" heißt ja auch „Glauben". Vertrauen und Glauben ist also ein und dasselbe. So jedenfalls meint es die Bibel. Wenn ich also sage: „Ich glaube an Gott!", dann kann ich genauso gut sagen: „Ich vertraue Gott!" -

Die Frage ist nur, ob ich das wirklich sagen kann. Ob ich wirklich so viel Glauben, so viel Vertrauen habe, wie ich für mein Leben brauche.

Jesus sagt: Soviel ist das gar nicht. Stell an dich selbst keine hohen, zu hohen Ansprüche. Es reicht ein Glaube aus, der so klein ist wie ein winziges Senfkorn - und davon gehen ca. 700 auf ein Gramm.

Nur ein kleiner Glaube. Und doch reicht so ein kleiner Glaube aus, um mit dem richtigen Gottvertrauen durchs Leben zu gehen: Jesus sagt: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.

Das bedeutet: Ein klein bisschen Glauben kann euch Unmögliches gelingen lassen. Wenn ihr nur ein wenig Glauben habt, dann gelingt euch Vieles, was ihr vorher für unmöglich gehalten habt.

Die Jünger zu Zeiten Jesu sahen sich in der Gefahr, ihren eigenen Glauben unter den Bedrohungen ihrer Zeit und den Verfolgungen zu verlieren.

Es ging auch über ihre Kräfte, einem anderen immer wieder zu verzeihen, auch wenn der sie das 10. oder 20. Mal belogen und betrogen hatte und immer wieder vom Glauben abgefallen war.

Diese Angst, im Glauben zu versagen, diese Unmöglichkeit, einem anderen immer wieder zu verzeihen - wohl wissend: der wird mich immer wieder betrügen, das war - bildlich gesprochen - wie ein fest verwurzelter Baum.

Jesus sagt: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.

Vielleicht muss dieser Satz richtiger heißen: Wenn ihr Glauben habt so groß wie ein Senfkorn... Glaube haben wie ein Senfkorn! - Der Vergleich des Glaubens mit einem winzigen Senfkorn zeigt: wenn du nur winzige Anfänge des Glaubens spürst, dann hast du schon das Gottvertrauen, mit dem dir dein Leben gelingt.

Es gehört also nur ein relativ kleiner Glaube, ein kleines Gottesvertrauen dazu, um die Bäume auszureißen, gegen die wir immer wieder rennen. Ich frage mich nun allerdings: Wo hört der kleine Senfkorn-Glaube auf und wo beginnt ein „großer Glaube"? Ich kann mir das nur so vorstellen: Wer das Geschenk des Glaubens erhalten hat, wer also mit dem nötigen Gottvertrauen durch das Leben geht, dem kann's ziemlich egal sein, ob sein Glaube groß oder klein ist.

Das ändert sich ja von Zeit zu Zeit. Je nach Stimmungslage oder nach der jeweiligen Lebens-Situation: Manchmal, da könnten wir „Bäume ausreißen", weil wir uns einfach gut fühlen, weil wir mit dem nötigen Gottvertrauen - und nichts anderes heißt ja „Glaube", weil wir mit dem nötigen Gottvertrauen unser Leben meistern.

Wir brauchen dieses Gottvertrauen, um die „Bäume auszureißen", die unser Leben hindern. Ein Beispiel, das viele von uns gerade in diesen Monaten leidvoll erfahren haben: Wie ertragen wir es, wenn plötzlich Tod und Trauer in unsere Familie einbrechen? Wer dann sagen kann: Mein Glaube hilft mir in meiner Trauer und in meinem Schmerz, der hat dieses Gottvertrauen, das wir so dringend brauchen. Und ob dann dieser Glaube so groß ist wie ein Senfkorn oder noch kleiner oder so groß wie unser Kirchturm - was spielt das dann für eine Rolle!

Es kommt doch nur darauf an, diesen Glauben zu spüren, es kommt darauf an, im eigenen Leben immer wieder zu erleben, ja, im wahrsten Sinne des Worte zu er - leben: Mein Glaube trägt mich, mein Vertrauen hält mich, ich weiß, dass Gott bei mir ist. Gerade jetzt, wo ich seine Hilfe so dringend für mein Leben brauche.

Ich weiß, es gibt auch das andere. Und das haben die Jünger Jesu auch immer wieder erfahren müssen: Manchmal, da ist mein Glaube einfach weg. Manchmal, da fehlt mir jegliches Gottvertrauen. Manchmal, da fühle ich mich von Gott völlig allein gelassen. Manchmal, da ist Gott irgendwo ganz weit weg hinter den letzten Sternen. Und schweigt. Manchmal - gerade dann, wenn ich IHN am nötigsten brauche, dann haben ich das Gefühl, dass Gott seine Tür vor mir verschlossen hat. Sorgen und Krankheit und Trauer und Angst können auf einmal so übermächtig werden, dass unser Glaube, unser Gottvertrauen weg ist.

Dann fehlt mir der Glaube, dann ist mein Glaube noch nicht mal so groß wie ein Senfkorn.

Und was soll ich dann tun? Dann bleibt mir nur noch eins: Dann kann ich nur noch darum beten, dass Gott mir diesen Glauben wieder schenkt, und wenn es bloß ein Glaube ist so klein, so groß wie ein Senfkorn.

Wenn mir dann dieser Glaube geschenkt wird, dann kann ich wieder die „Maulbeerbäume" ausreißen, die auf meinem Weg stehen und meine Zukunft hindern. Das Wort „Maulbeerbäume" habe ich jetzt natürlich in Anführungsstriche gesetzt. Ich will ja - genau wie Jesus - nur beschreiben, was uns möglich ist, wenn wir nur den „Glauben wie ein Senfkorn" haben.

Ich sage das jetzt erst mal ganz allgemein: Wenn wir diesen Glauben haben, dann können wir unser Leben viel leichter und viel ruhiger leben. Weil dann vieles, was uns „im Wege steht", fast wie von selbst zur Seite rückt. Wohlgemerkt, diese Hindernisse unseres Lebens, so will ich das jetzt mal nennen um von den Bäumen weg zu kommen, diese Hindernisse unseres Lebens sind ja nicht weg. Unser Glaube bügelt ja nicht alle Hindernisse des Lebens glatt. Unser Glaube hilft uns aber, mit diesen Barrieren ganz anders umzugehen:

Dann ist eine bevorstehende schwere Arbeit nicht mehr furchtbar belastend,

dann löst eine geplante Operation nicht mehr panische Angst aus,

dann wirft mich ein Unglück nicht gleich aus der Bahn,

dann nimmt mich die Sorge um meine Familie nicht mehr gefangen.

Unser Glaube hilft uns, all das was uns Sorge und Angst machen will, getrost in die Hände Gottes zu legen. In Gottes Hände, der uns immer begleitet - in aller Zeit und Ewigkeit. Der uns trägt und tröstet und stärkt. Der uns Kraft gibt, unser Leben zu gestalten und zu leben, voller Mut, voller Hoffnung, voller Liebe!

Amen

 



Pastor Hans-Otto Gade
21614 Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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