Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 10.11.2013

Predigt zu Lukas 18:1-8, verfasst von Ludwig Schmidt


 

1 Jesus sagte seinen Jüngern ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, 2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. 3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, 5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er es bei ihnen lange hinziehen? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?


Liebe Gemeinde!

Das ist schon ein merkwürdiges Beispiel, das Jesus in unserem Predigttext für das Gebet erzählte. Es gab in einer Stadt einen Richter, dem es gleichgültig war, dass er vor Gott für gerechte Urteile verantwortlich war. Ihn interessierte auch nicht, was die Leute über ihn dachten und sagten. In dieser Stadt lebte ebenfalls eine Witwe. Wir können uns heute kaum noch vorstellen, in welcher schwierigen Lage, damals eine Witwe war. In jener Zeit wurden Frauen von ihren Ehemännern versorgt und beschützt. Da einer Witwe dieser Schutz fehlte, konnte man versuchen, sich etwas von ihrem Besitz anzueignen. Das hatte wohl in der Geschichte, die Jesus erzählte, der Gegner der Witwe getan. Da sie ihr Recht nicht selbst durchsetzen konnte, wandte sie sich an den zuständigen Richter. Anscheinend war der Fall so eindeutig, dass es keiner mühseligen Untersuchung bedurfte, damit die Witwe Recht bekam. Aber der Richter hatte keine Lust, ein Urteil zu fällen. Immer und immer wieder trug ihm die Frau vergeblich ihren Fall vor. Schließlich sprach der Richter aber doch das längst überfällige Urteil, weil ihm die Frau durch ihre Hartnäckigkeit auf die Nerven ging. Nach der Lutherbibel dachte er über die Frau: „damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage." Verzweifelte Menschen werden manchmal gewalttätig. Aber der griechische Text ist hier wohl doch anders gemeint. Ein Mann, dem Gott und das Urteil der Leute gleichgültig waren, fürchtete sich nicht davor, dass eine Frau gegen ihn aggressiv werden könnte. Der Richter dachte vielmehr: „damit sie nicht unablässig mich belästige."i Er wollte einfach von der Frau in Ruhe gelassen werden. So gab es für diese Witwe doch noch ein Happyend.

Natürlich wollte Jesus mit dieser Geschichte nicht sagen, dass Gott wie der ungerechte Richter ist, der keine Skrupel kennt und dem die Menschen gleichgültig sind. So ist Gott nicht, sondern er hat an uns Menschen ein großes Interesse. Jesus ist in diese Welt gekommen und am Kreuz gestorben, weil uns Gott liebt. Wir sollen durch den Glauben an Jesus in unserem Leben und über unseren Tod hinaus mit Gott verbunden sein und bleiben. Jesus wollte mit dieser Geschichte deutlich machen: Wenn sogar dieser ungerechte Richter dem hartnäckigen Bitten der Witwe nachgab und ihr zu ihrem Recht verhalf, dann wird erst recht Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, Recht verschaffen. Sie werden nicht vergeblich um ihr Recht beten. Das sagt Jesus uns Christen zu. Wir sind die Auserwählten Gottes, weil wir an Jesus glauben und damit annehmen, was Gott mit Jesus für die Menschen getan hat. Es geht bei dem Recht freilich nicht um irgendein Recht, das uns verweigert wird, sondern darum, dass wir zu Recht an Jesus glauben. Das wurde und wird immer wieder bestritten. In einigen Ländern müssen Christen für ihren Glauben erhebliche berufliche und persönliche Nachteile in Kauf nehmen, einige von ihnen werden mit Gefängnis bestraft oder sogar getötet. Das müssen Christen in Deutschland nicht befürchten. Wir sollten deshalb Gott dafür danken, dass wir in unserem Land ohne größere Schwierigkeiten und Gefahren unseren Glauben bekennen und leben dürfen. Aber auch hier stößt der christliche Glaube auf Widerspruch oder Gleichgültigkeit. Viele bezweifeln, dass es Gott gibt und noch mehr Menschen halten unseren Glauben an Jesus für falsch oder für belanglos. Sie haben sich für eine andere Weltanschauung entschieden oder gehören einer anderen Religion an. Das darf uns nicht gleichgültig sein, denn es geht ja darum, ob wir uns zu Recht Jesus anvertrauen oder ob unser Glaube eine Illusion ist, mit der wir uns selbst täuschen. Entweder entspricht unser Glaube der Wahrheit und wir dürfen durch ihn auf das ewige Leben bei Gott hoffen, oder er ist ein großer Irrtum und das ewige Leben bleibt ein Traum, der sich nie erfüllen wird.

Nun sind wir Christen davon überzeugt, dass unser Glaube richtig und wahr ist. Sonst würden wir nicht an Jesus glauben. Das können wir freilich anderen nicht beweisen. Sie sind davon überzeugt, dass sie Recht haben, wenn sie nicht an Jesus glauben. Viele von ihnen treten mit großem Ernst für ihre Überzeugung ein. Wer wollte zum Beispiel einem Moslem, der mehrmals täglich betet und der sich auch sonst an die Anweisungen des Koran hält, bestreiten, dass er vom Islam wirklich überzeugt ist? Christen sind auch nicht die besseren Menschen. Mancher, der von Jesus nichts wissen will, setzt sich sehr für Mitmenschen ein und kann darin für Christen ein Vorbild sein. Wir können anderen Menschen nicht vorführen, dass unser Glaube an Jesus richtig und gut ist und dass es auch für sie gut wäre, wenn sie an Jesus glauben würden. Deshalb können wir uns für unseren christlichen Glauben nicht selbst Recht verschaffen. Es geht uns, wie jener Witwe, von der Jesus erzählte. Sie war darauf angewiesen, dass der Richter für ihr Recht eintrat. Dass wir mit unserem Glauben an Jesus Recht haben, kann nur Gott erweisen. Weil dieser Glaube abgelehnt und bestritten wird, darf es uns nicht genügen, dass wir durch ihn mit Gott verbunden sind und zuversichtlich das ewige Leben bei Gott erwarten dürfen. Das ist für uns gewiss sehr wichtig und die Grundlage für unser Leben als Christen. Aber es geht auch darum, dass wir gegenüber anderen Menschen mit unserem Glauben Recht haben. Es muss doch sichtbar werden, dass Gott wirklich so ist, wie wir ihn als Christen bekennen und dass unser Glaube keine Illusion ist. Damit geht es aber bei dem Recht unseres Glaubens auch darum, dass Gott Recht behält. Erst wenn alle einsehen müssen, dass er tatsächlich mit Jesus für uns Menschen gehandelt hat, und dass diesem Jesus jetzt alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist, wird der Widerstand gegen Gott und sein Wirken aufhören. Das wird aber erst sichtbar werden, wenn Jesus nochmals in diese Welt kommen wird. Er wird dann nicht wieder als ein Mensch unter Menschen kommen, dem man widersprechen und den man töten kann, sondern als der mächtige Herr, dem sich jeder beugen muss. Dann wird Gott sein Reich aufrichten, und es wird nicht nur der Widerstand gegen Gott aufhören, sondern es wird auch ein Ende haben mit all den Nöten und Ängsten, die Menschen jetzt belasten. Darauf warten wir Christen.

Wir warten aber nicht einfach passiv, sondern wir beten darum, dass Gott sein Reich aufrichten möge. Wie wichtig dieses Gebet ist, hat uns Jesus in dem „Vater unser" gezeigt. Die erste Bitte ist hier nicht „Unser tägliches Brot gib uns heute", sondern ihr gehen drei andere Bitten voran: „Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden." Mit diesen Worten beten wir darum, dass Gott seine Herrschaft über diese Welt so durchsetzen möge, dass sie alle anerkennen müssen und dass alles gut wird. Wenn Gott das tun wird, hat er auch das Recht des christlichen Glaubens erwiesen. Natürlich sind die Bitte um das tägliche Brot und die folgenden Bitten ebenfalls wichtig. Aber es hat seinen guten Grund, dass wir im „Vater unser" zunächst darum beten, dass Gott seine jetzt noch verborgene Herrschaft vor durchsetzen möge. Erst dann wird ja offenkundig werden, dass Gott wirklich der Gott ist, den wir Christen als unseren Vater anrufen.

Freilich beten Christen schon seit sehr langer Zeit um das Kommen des Reiches Gottes. Bisher hat Gott diese Bitte noch nicht erfüllt. Er hat seinen Christen nicht in Kürze Recht verschafft, wie es in unserem Bibelabschnitt angekündigt wird. Noch nimmt Gott geduldig hin, dass ihm und dem Glauben an Jesus widersprochen wird. Vielleicht wollte und will Gott in seinem Reich noch viele Menschen versammeln, die an Jesus glauben. Wir wären ja nicht geboren worden, wenn Jesus bereits wieder in diese Welt gekommen wäre. Aber welchen Grund es auch immer haben mag, dass Jesus noch nicht gekommen ist, wir dürfen als Christen nicht resignieren und denken: Wenn Jesus schon so lange nicht gekommen ist, wird er nie mehr kommen. Damit müssen wir uns abfinden. Schon der Evangelist Lukas sah in seiner Zeit die Gefahr, dass Christen nicht mehr um das Kommen des Reiches Gottes bitten, weil Jesus noch nicht mit seiner Macht auf die Erde gekommen war. Deshalb schreibt er am Anfang unseres Bibelabschnitts: „Jesus sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten." Wenn Gott wirklich der allen Menschen und Mächten überlegene Gott ist, als den wir ihn in unserem Glaubensbekenntnis bekennen, und wenn er sogar seinen Sohn für die Menschen sterben ließ, dann wird es nicht für immer dabei bleiben, dass die Frage nach dem richtigen Glauben nie endgültig entschieden wird. Jesus wird einmal kommen und dann wird allen deutlich werden, dass wir zu Recht an Jesus glauben. Deshalb beten wir weiterhin mit den ersten drei Bitten des Vater unser zunächst darum, dass Gott sein Reich heraufführen möge und beginnen unsere Bitten nicht erst mit den Worten: „Unser tägliches Brot gib uns heute."

Dass wir als Christen erwarten sollen, dass Jesus nochmals in diese Welt kommen wird, macht er am Ende unseres Predigttextes mit der Frage deutlich: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?" Mit dieser Frage werden wir nicht dazu aufgefordert, darüber zu spekulieren, ob es auch künftig noch Christen geben wird. Das dürfen und sollen wir Gott überlassen. Es geht bei dieser Frage vielmehr darum, ob wir, Sie und ich, auf das Kommen Jesu warten. Eine Antwort, die Jesus von uns erhofft, ist das Lied, das wir nun singen wollen (EG 152):

Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen.

Wir wissen dich auf deinem Thron und nennen uns die Deinen.

Wer an dich glaubt, erhebt sein Haupt und siehet dir entgegen;

Du kommst uns ja zum Segen. (EG 152,1). Amen.




Prof. i.R. Dr. Ludwig Schmidt
91056 Erlangen
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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