Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Buss- und Bettag, 20.11.2013

Worauf warten wir?
Predigt zu Lukas 13:22-30, verfasst von Peter Schuchardt

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Vor wenigen Wochen fuhren wir in den Urlaub nach Dänemark. Wir sollten bis zu einer bestimmten Uhrzeit bei der Fähre sein. Nun waren wir ein wenig später losgefahren als geplant, und auch die Pause zwischendurch dauerte ein weniger länger. Aber wir hatten ja noch Zeit. Leider kamen wir dann kurz vor dem Fährhafen in einen langen, langen Stau. Nur schrittweise ging es weiter, und immer wieder standen wir. Die Stimmung im Auto wurde von Minute zu Minute, dann von Sekunde zu Sekunde immer nervöser. Jede rote Ampel wurde mit einen „Nein, nun nicht auch noch das!" beklagt. Ich hatte mich schon damit abgefunden, es nicht mehr zu schaffen und ärgerte mich. Zu spät losgefahren, zu lange die Pause. Doch dann, wirklich eine Minute vor Abfahrt, kamen wir am Kartenschalter an. „Sie sind die Vorletzten", meinte die freundliche Angestellte. „Wir steckten noch im Stau fest", sagte meine Frau. „Das interessiert die Fähre nicht. Die fährt auch ohne sie ab", bekam sie zur Antwort. Aber wir gelangten ja noch in letzter Minute an Bord, dann ging die Rampe hoch und wir fuhren mit. Fast wären wir zu spät gewesen, aber Gott sei Dank eben nur fast!

Es gibt ein zu spät im Leben. Fast hätte es uns erwischt. Ihr kennt solche Situationen: der Zug weg, Tür zu, Annahmeschluss vorbei, die Frist abgelaufen. Das ist immer ärgerlich, weil wir uns dann sagen: „Ach, hätte ich doch nicht getrödelt, wäre ich doch nur schneller gefahren, hätte ich mich beeilt ..." Aber alles ärgern allein hilft ja nix. Darum heißt es: aus solchen Fehlern lernen, aufmerksam sein, die Zeichen der Zeit erkennen, und rechtzeitig die Dinge tun, die zu tun sind - und eben nicht trödeln auf dem Weg zur Fähre!

Gibt es auch ein zu spät bei Gott? Gibt es eine Fähre zu ihm, die ohne uns abfährt? Eine verschlossene Tür zum Himmel? Eine Frist bei Gott, die wir versäumen können? Unser Gefühl sagt uns: Nein, bei Gott doch nicht. Der ist doch barmherzig. Der ist doch gnädig. Der liebt uns doch. Der Weg in den Himmel kann doch nicht verschlossen sein, dann wäre Gott doch grausam! So denken wir. Und wir denken so, weil wir den Gott im Kopf haben, den wir gerne hätten! Das ist wirklich ein erfundener, ein ausgedachter Gott, der nichts fordert, der nichts von uns will. Das ist ein erfundener Kuschelgott, der wie ein großer Teddy im Himmel wartet. Aber das ist nicht der Gott, von dem Jesus uns erzählt. Er erzählt uns von dem liebenden Vater, der auf den Sohn wartet, ich weiß. Und er erzählt uns damit von Gott, der auf uns wartet, auf unser Umkehren, auf unser Herz. Und damit sollten wir nicht spielen. Wir sollten nicht mit Gottes Gnade spielen, sie fest einplanen, für uns fest verbuchen. Das ist dann doch keine Gnade mehr, das ist nur unser billiges erträumtes Ticket in den Himmel. Gnade aber ist immer ein Geschenk. Ich kann sie nicht einfordern, nur dankbar annehmen. Daran erinnert uns der Buß- und Bettag heute. Davon erzählt uns die Geschichte aus dem 13. Kapitel des Lk-Evangeliums:

Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Er kennt sein Ziel - und wir kennen es auch. Es ist das Kreuz. Jesus weiß: Dieser Weg wird mich durch Leiden, Angst und Tod führen. Auf seinem Weg kommt er durch Städte und Dörfer. Immer wieder trifft er Menschen. Menschen, die von ihm geheilt werden möchten. Menschen, die sein Wort, Gottes Wort aus seinem Munde hören wollen. Einer von denen fragt ihn: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?" Selig werden, gerettet werden von Gott, das wollten alle. Aber wer wird es schaffen? Wer so fragt, der meint: „Herr, wer wird noch gerettet werde - außer mir?" Wer so fragt, meint schon auf der sicheren Seite zu sein. Ich gehöre zum jüdischen, auserwählten Volk. Ich bin doch getauft und konfirmiert. Ich bin sogar evangelisch. Ich gehe meinen Weg mit dir, Jesus. Ich gehöre doch dazu. Wer so fragt, meint schon alles zu haben und hat doch nichts verstanden. Denn er meint, Gott schon in der Tasche zu haben, den lebendigen, unverfügbaren Gott, der auf uns und unser Herz wartet. Darum antwortet Jesus diesem Menschen so ganz anders, als er es erwartet hat: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht zu Gott!" Der Frager sieht auf die anderen. Jesus aber wendet sich mit seiner Antwort direkt an ihn - und an uns! Du meinst, du kannst Gott ausrechnen? Du meinst, du bist sicher? Nein, das geht gar nicht. Ring darum, streng dich an, durch die enge Pforte zu Gott zu kommen. Denn die Tür zu Gott ist eng. Du schleppst so viel mit dir herum: deine Leistungen, dein guten Taten, deine Erfolge, deinen Stolz, dein Denken „Ach, eigentlich bin ich doch ein guter Mensch". Das kannst du alles zurücklassen. Gott will dich so, wie du bist - und nicht so, wie du gerne sein willst. Spiel dich nicht auf vor Gott, mach dich nicht zu groß und auch nicht zu klein. Versteck nicht deine Angst, deine Schuld, deine Fehler. Sei ehrlich und wahrhaftig. Und vertrau nicht auf dich, sondern auf Gott allein. Das ist der Weg des Glaubens. Nur so kommst du durch die enge Tür. Viele, die sich sicher sind, werden überrascht sein, dass sie mit ihrer Selbstsicherheit nicht hindurchpassen.

Und dann, irgendwann, wird er Hausherr die Tür abschließen. Wir wissen nicht wann, sondern nur dass er es tun wird. Also: Spiel nicht mit Gottes Gnade, und spiel nicht auf Zeit. Es geht darum, jetzt den Weg des Glaubens zu gehen. Schieb die Begegnung mit Gott nicht vor dir her. Lass ihn in dein Herz. Sonst kann es dir ergehen wie den Menschen im Gleichnis, die draußen vor der Tür stehen und anklopfen. Sie sind völlig überrascht, dass die Tür verschlossen ist und der Herr die Tür nicht öffnet. Dabei nennen sie ihn doch Herr, das ist immer die Anrede für Gott selbst. „Herr, Gott, mach uns auf!" Doch Gott fragt: „Ich kenne euch gar nicht. Woher kommt ihr?" Und dann die draußen an zu erzählen: „Ja, aber das kann doch gar nicht sein. Wir haben doch mit dir gegessen und gefeiert, und du hast doch auf den Straßen in unseren Städten und Dörfern gelehrt, hast von Gottes Reich und von seiner Gnade erzählt." Und Gott der Herr wird wieder antworten: „Ich kenne euch nicht. Verschwindet!" Warum kennt er sie nicht? Weil sie ihn nur beobachtet, nur mit ihm gefeiert haben. Weil sie ihn nicht erkannt haben, ihn, den Herrn des Lebens. Das Miteinanderessen mit Jesus war doch schon der Beginn des himmlischen Freudenmahls: Gottes Reich ist schon bei uns! Und alles, was Jesus auf den Straßen erzählt hat, war doch immer: „Hört auf Gott. Kehrt um, und öffnet euer Herz für sein Lebenswort!" Alles das haben die Menschen draußen vor der Tür nicht gemacht. Sie haben sich in ihrer Oberflächlichkeit nicht stören lassen, haben Gott nicht in die Tiefe ihrer Seele gelassen. Viele werden darum erstaunt sein, so sagt uns Jesus, dass sie nicht dazugehören, nicht dabei sein dürfen bei dem Fest des Lebens im Himmel. Und andere werden staunen, wer alles dazu gehört. Abraham, Isaak, die Propheten, Menschenscharen aus allen vier Himmelsrichtungen werden herbeiströmen, weil sie zu Gott gehören, weil sie mit ihrem Gottvertrauen durch die enge Pforte in sein Reich gekommen sind. Letzte wird Erste sein bei Gott, und die, die meinten, die Ersten zu sein, werden die Letzten sein. Ja, Jesus will unser Denken umkehren. Er meint es ganz ernst mit Gottes Gnade und mit der Einladung an alle Menschen, alle Hautfarben, alle Völker, Frauen und Männer, Kinder und Alte. Ihr sollt alle dabei sein. Gott möchte euch alle dabei haben. Darum nehmt sein Wort ernst, schiebt es nicht weg, vertrödelt nicht die Zeit, die ihr doch jetzt habt.

Und darum sage ich euch, liebe Schwestern und Brüder: Noch ist doch Zeit. Noch sind wir doch mit Christus auf dem Weg. Noch dürfen wir alles hinter uns lassen, was uns doch nur belastet. Noch können wir frei und mit Vertrauen auf Gott im Gepäck vor Gott treten. Wir werden staunen, wie leicht wir damit durch die Pforte zu Gott kommen. Heute dürfen wir wieder mit diesem Vertrauen zu Gott kommen. Der Buß- und Bettag lädt uns ja ein, alle Lasten des Lebens, alle Fehler, alle Schuld vor Gott zu bekennen und bei ihm abzuladen. Und er will alles das von uns nehmen, will uns vergeben und mit seiner Liebe und Gnade unser Herz füllen. Damit wir getröstet und gestärkt und voller Vertrauen unseren Weg weitergehen. Jesus Christus meint es so ernst mit uns, dass er sein Leben für uns hingibt. Wir sollten heute sein Wort auch ernst nehmen. Wir werden staunen, wie leicht unser Weg dann wird und mit wie viel Freude wir weitergehen dürfen. Lasst uns das weitersagen an alle die, die verzweifelt und voller Angst und Selbstanklagen sind. Hier ist Gott, der uns freimacht zum Leben. Auch dich.

Die Fähre hatten wir beinahe verpasst. Das war knapp. Fast wäre es zu spät gewesen. Gibt es ein zu spät bei Gott? Das mag sein. Jesus aber will uns doch nicht drohen. Er sieht die engen Grenzen unseres Lebens und unseres Herzens. Darum wirbt er immer wieder um uns. Seine Einladung hören wir doch heute wieder. Warum also warten? Warum also nicht zu Chance nutzen, wo er uns doch nahe ist in Wort und Sakrament? Wir sollen doch dabei sein, bei dem großen Fest des Lebens. Gott wartet schon lange auf uns. Worauf also warten wir?


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen




Pastor Peter Schuchardt
25821 Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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