Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 15.12.2013

Bist du es, der da kommen soll?
Predigt zu Matthäus 11:2-6, verfasst von Rudolf Rengstorf


Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.

Bist du es, der da kommen soll?

Liebe Gemeinde!

An sich war für Johannes den Täufer alles klar gewesen. Also für jenen unheimlichen Wüstenmenschen, der sich von Honig und Heuschrecken ernährte und mit einem Kamelfell kleidete. Mit seinen radikalen Predigten hatte er die Menschen unten an den Jordan gezogen. Ein gnadenloses Strafgericht Gottes hatte er ihnen angekündigt. Und der Vollstrecker dieses Gerichtes - so hatte er den Leuten eingehämmert - der Messias stehe vor der Tür. Die Umkehrwilligen hatte er getauft und sie auf ein bußfertiges Leben eingeschworen. Zu denen, die zu ihm gekommen waren, hatte sich auch Jesus gesellt. Und Johannes hatte sofort begriffen, wen er da taufte. Nein, nicht den Gerichtsvollzieher Gottes, der mit offenen Rechnungen kam und mit Wut im Bauch. Nein, Gottes Sohn hatte er vor sich, und der kam im Zeichen der Liebe. Der dachte nicht daran, die Menschen auf ihren Sünden festzunageln. Wegnehmen würde er sie ihnen, zurecht bringen würde er sie.. Das hatte Johannes alles begriffen, längst bevor Christen anfingen, das zu buchstabieren.

Und dennoch ließ er, bei dem alles klar gewesen war, bei Jesus anfragen: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" Denn die Wirklichkeit sah immer noch ganz anders aus als das, was Johannes sich von Jesus erhofft hatte. So hatte der König Herodes es sich leisten,können, in die Ehe seines Bruders einzubrechen und mit seiner Schwägerin als seiner neuen Lieblingsfrau in aller Öffentlichkeit aufzutreten. Und als Johannes diese unerhörte Verletzung der Gebote angeprangert hatte,, wurde er von Herodes ins Gefängnis geworfen. Das war doch immer noch die total verkehrte Welt:

der mutige Verfechter des Rechtes Gottes - mundtot war er gemacht von den Rechtsbrechern

das Gericht, das dem Bösen angesagt war - an ihm selbst vollzog es sich.

"Was ist los mit dir, Gott, und was ist dran an dir, Jesus? Wer so fragt, gibt sich nicht zufrieden mit glatten Glaubenssätzen wie "Gott verlässt dich nicht" oder mit Durchhalteparolen nach der Melodie "Man halte nur ein wenig stille" - das hatte Johannes alles gehabt. Das haben nach ihm Unzählige gehabt und sind doch verzweifelt und ungetröstet geblieben.

Darum gibt Jesus auch keine Antwort von oben, keine Antwort, die sich an die Stelle Gottes setzt und alles erklären will, aber keinen Deut weiterhilft. Seine Antwort zeigt: das Evangelium kommt fängt unten an, ist anschaulich und handfest. Es vollzieht sich in dem, was man hören und sehen kann:

"Sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht:
Blinde sehen und Lahme gehen. Aussätzige werden rein und Taube hören,
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt."

Bemerkenswert finde ich die Reihenfolge dieser Aussagen. Denn bei einer gut gemachten Aufzälung kommt das Wichtigste am Ende. Da sollte man nach den Heilungen als Spitze die Totenauferweckung erwarten. Die kommt auch. Aber noch wichtiger ist Jesus offenbar, dass den Armen das Evangelium gepredigt wird. Was ist denn daran Besonderes? Bei näherem Hinsehen aber hat er wohl recht: Totenauferstehung, Leben nach dem Tode, Karma , Seelenwanderung - das verträgt sich erstaunlich gut mit dieser Welt, auch wenn diese wie bei uns von Wissenschaft und Technik geprägt ist. Da braucht man sich bloß mal in den Esoterik-Abteilungen von Buchhandlungen oder im Internet umzusehen, was da von modernen Menschen alles für möglich gehalten wird.. Doch dass Armut nicht als unabänderliches Übel hingenommen wird, dass ihr im Namen des Evangeliums mutig entgegengepredigt und entschlossen entgegengearbeitet wird und die Armen mit offenen Taschen und Konten ins Evangelium mit hineingezogen werden - das ist in der Tat höchst ungewöhnlich und da, wo es passiert,: ein Wunderknaller.

Nun, von all dem, was hier aufgezählt wird, war in der Gesellschaft Jesu etwas zu hören und zu sehen. So ist das eine wirklich starke Antwort, die Jesus hier gibt. Desto erstaunlicher ist das, was er am Ende sagt: "Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert". Warum sollte Johannes sich ärgern an Jesus, wenn der doch dem Evangelium Hand und Fuß gab?

Ganz einfach deshalb, weil Johannes nichts davon hatte. Er blieb im Gefängnis und wurde kurze Zeit später enthauptet aus einer Laune der Königstochter heraus. Ärgerlich an Jesus ist, dass er sein Evangelium nur hier und dort aufleuchten ließ, aber es nicht flächendeckend durchgesetzt hat. Und ärgerlich an ihm ist seine Kirche. Die ist ja nun flächendeckend vertreten. Sie lässt aber nur wenig spüren von dem handfesten Evangelium Jesu.

Wir sind doch immer noch mit Blindheit geschlagen, verfügen nicht über den klaren Blick für das, was jetzt dran ist und die Menschheit weiterbringen könnte. Oder sehen wir klarer als unsere hilflosen Politiker?

Lahm und unbeweglich ist die Kirche. Weltweit ist sie präsent, doch hilft das dieser zerrissenen Welt zusammen zu wachsen?

Wo wäre etwas zu spüren von, der Heilung von Aussätzigen in einer Kirche, die sich, so lange es irgend ging, quer gestellt hat bei der Achtung und Gleichstellung von Homophilen?

„Weck die tote Christenheit" - so singen wir immer von neuem voller Sehnsucht danach, dass Leben, Wärme und Dynamik in die erstarrten Strukturen der Kirche und in das Besitzstanddenken der „Gläubigen" schießen.

Und das Evangelium in die Armut zu bringen, davon sind wir doch weiter entfernt denn je. Wenn ich da nur an das elende Gezerre um Stellenanteile denke und das zunehmende Festhalten der fetten Kollekten für die eigene Gemeinde und das einschlafende Gewissen gegenüber denen, die wirklich arm dran sind.in der Welt.

Selig ist, wer nicht auf die Kirche und auch nicht auf das blickt, was er oder sie selber zustande bringt, selig ist, wer sich wie Johannes an Jesus wendet mit der Frage: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?

Nein, auf einen anderen möchte ich nicht warten. Den kommenden Gott möchte ich nicht anders haben als den, der gekommen ist. Johannes hat ihn unmittelbar erlebt, aber nur zum Teil. Wir aber überschauen sein ganzes Wirken und haben damit eine Antwort, die er mit seinem Leben im ganzen gegeben hat.

„Liebe Schwestern und Brüder - so lautet diese Antwort - ich habe euch mit dem Evangelium vor Augen und vor Ohren geführt, wie es im Reich Gottes aussieht:

ein Reich, in dem geheilt wird, was Menschen kränkt und behindert

ein Reich, in dem die Opfer zu Ehren kommen und die um ihr Leben Betrogenen und Zu-Spät-Gekommenen aufblühen.

Ganz und gar Mensch bin ich dabei gewesen und geblieben mit sehr begrenzten Möglichkeiten, nie mt flächendeckender Macht. Im Gegenteil: Ich habe mich dem ausgesetzt und gestellt, was Menschen das Leben vergällt, habe Verfolgung und Leiden und einen verzweifelten Tod auf mich genommen - im Vertrauen darauf, dass der Vater im Himmel sein Reich auf Erden aufrichten wird. Denn sein ist die Kraft und die Herrlichkeit.

Und er hat es nicht still werden lassen um mich. Meine Worte und Taten sind voller Kraft und Leben, bringen Menschen überall in der Welt dazu, auf mich zu hören und zu hoffen."

Auf ihn, liebe Gemeinde, lasst uns warten. Weil er es ist, der kommt und den Himmel aufreißt, werden auch die Zukunft haben bei Gott, die wie Johannes in tiefer Verzweiflung gestorben sind. Weil er es ist, der kommt mit Gottes Macht und Herrlichkeit, können wir aufsehen und ihm mit dem, was uns gegeben ist, fröhlich entgegengehen. Amen.

 



Superintendent i.R. Rudolf Rengstorf
31141 Hildesheim
E-Mail: Rudolf.Rengstorf@online.de

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