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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 15.12.2013

Predigt zu Matthäus 11:2-10, verfasst von Erika Reischle-Schedler


 (Vorbemerkung: Die Predigt bringt im 1. Teil die Biografie Johannes des Täufers. Mit Lied EG312 kann dieser Teil durch die ganze Gemeinde aufgenommen werden. Das Lied lässt sich durchaus mit verteilten Rollen singen, sofern Solosänger zur Verfügung stehen - dann bekräftigt die Gemeinde lediglich in den letzten beiden Zeilen einer jeden Strophe das zuvor Gesagte. Erst im Anschluß an das Lied erfolgt die Lesung des 1. Teiles des Predigttextes (Matth. 11,2-6), und erst nach dessen Auslegung die Lesung des 2. Teiles (7-10). Es empfiehlt sich, Die Textlesungen, wo möglich, einem Sprecher anzuvertrauen.)

 

Liebe Gemeinde! Der Lebenslauf eines bedeutenden Menschen: Sein Name: Johannes. Sein Beiname: Der Täufer. In ärmlichen Verhältnissen geboren von einer, normalerweise würde man sagen viel zu alten mutter, aufgewachsen, ohne daß von ihm viel Aufhebens gemacht worden wäre - aber er selbst ahnte offenbar etwas von seiner Lebensbestimmung, denn er ging in die Wüste, zog sich in die Einsamkeit, in die Meditation, in ein karges, sehr einfaches Leben zurück - und es heißt von ihm, eben dort, so etwa in seinem 30. Lebensjahr, habe ihn der Ruf Gottes getroffen. Sein äußerst asketisches Leben war ihm anzusehen: Er trug ein Gewand aus Kamelhaaren mit einem Ledergürtel, und er ernährt sich von Heuschrecken und Wildbienenhonig. Johannes wußte: Da würde einer kommen, der würde der von Gott Gesandte sein. Er, Johannes, war ihm gegenüber nur ein sehr kleines Licht, und das wußte er gut. Aber er wollte mit seinem überdurchschnittlich starken Willen alles nur irgend in seinen Kräften Stehende tun, damit dem von Gott Gesandten die Wege geebnet würden, daß ER dann, wenn ER denn käme, vorbereitetes Gelände anträfe - Menschen, die bereit wären, auf IHN zu hören und ihm zu folgen. Johannes wußte, daß er ein kleines Licht war im Vergleich zu dem großen, das er kommen sah. Aber was in seiner Kraft stand, das wollte er schließlich tun, dazu hatte ihn Gott gerufen.

 

Und nun: Was tat er: "Er machte sich auf, durchzog die ganze Gegend am Jordan und verkündete: Laßt euch taufen und fangt ein neues Leben an, dann wird Gott euch eure Schuld vergeben!" - spüren sollten die Menschen, als sie da von ihm im Jordanwasser untergetaucht wurden und wieder daraus auftauchten: Das alte Leben muß zu Ende sein, ein Neues beginnt jetzt, und an mir liegt es, was ich daraus mache. Johannes kannte seine Bibel, kannte die Worte der Propheten, auch das, was bei Jesaja steht und was vorhin gelesen wurde: "In der Wüste ruft einer: Macht den Weg bereit, auf dem der Herr kommt! Baut ihm eine gute Straße! Füllt alle Täler auf, ebnet Berge und Hügel ein, beseitigt die Windungen und räumt die Hindernisse aus dem Weg. Dann werden alle Menschen sehen, wie Gott die Rettung bringt." Die Menschen kamen in Scharen zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Und das, obwohl alle wußten, daß er kein bequemer Mensch war. Wir kennen ja seine Predigten: "Ihr Schlangenbrut", redete er seine Zuhörer an - und sie kamen trotzdem! Sie spürten, daß es da einer aufrichtig meinte. "Ihr Schlangenbrut also, wer hat euch gesagt, daß ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgeht? Zeigt durch eure Taten, daß ihr euch ändern wollt! Schon ist nämlich die Axt angelegt, um die Bäume an der Wurzel abzuschlagen. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird  umgehauen und ins Feuer geworfen." Da fragten Die Menschen Johannes: "Ja aber, was sollen, was können wir denn tun?" Und sie bekamen sehr einfache, klare Antworten, an denen nichts herumzudrehen oder zu deuteln war: "Wer zwei Hemden hat, soll dem eines geben, der keines hat. Und wer etwas zu essen hat, soll es mit dem teilen, der hunger hat." Die bei allen verhaßten Zolleinnehmer kamen auch. Und Johannes wies sie nicht etwa zurück, sondern sagte auch ihnen klipp und klar, was Sache ist in ihrem Beruf: "Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!" Und auch sie ließen sich taufen von ihm. Und Zu den Soldaten, die ihn ebenfalls fragten: "Was sollen denn wir tun?" sagte er: "Beraubt und erpreßt niemanden, sondern gebt euch mit eurem Sold zufrieden!" Noch einmal: Er war beliebt, so beliebt und so überzeugend, daß die Leute sich fragten, ob Johannes vielleicht der versprochene Retter, der von Gott Gesandte, wäre. Da erklärte er allen: "Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber der, der viel mächtiger und viel bedeutender ist als ich. Ich bin nicht einmal gut genug, ihm auch nur die Schuhe zuzubinden."

Und nun kommt die unglaublichste Geschichte aus diesem so bemerkenswerten und ungewöhnlichen Leben: Da hatte der Fürst Herodes von Judäa, nicht der Schreckenskönig, den wir aus Jesu Geburtsgeschichte kennen, sondern ein Sohn, aber der war nicht  viel besser als sein Vater - da hatte also dieser Herodes einfach Herodias, die Frau seines Bruders Philippus, genommen und beschlossen, daß er sie haben wollte - und sie einfach geheiratet. Alle hatten sie Angst vor diesem Tyrannen - nicht aber Johannes. Ein mutiger Mann war er, ein Mann, der für das Recht der Schwachen eintrat. Er ging hin zu herodes und sagte ihm: "Es ist nicht recht, was Du getan hast. Herodias gehört Philippus, Deinem Bruder, und nicht Dir!" Seine Belohnung für solche Tyrannenkritik folgte auf dem Fuß: Herodes ließ ihn auf der Stelle gefangennehmen und ins Gefängnis schaffen. Zu töten freilich, wie er eigentlich gern gewollt hätte, wagte er ihn nicht. Dazu war Johannes viel zu beliebt bei den Leuten. Und ein Tyrann fürchtet nichts mehr als einen Volksaufstand. Also blieb Johannes erst einmal in sicherer Verwahrung und konnte dort ganz gewiß keinen Schaden anrichten, schon gar nicht unbequeme Predigten halten oder gar die Mächtigen zur Raison rufen. Aber dann fand im Palast des Herodes ein großes Fest zu Ehren seines Geburtstages statt: da tanzte die Tochter von Herodias vor den Gästen und zeigte ihre ganze Kunst. Das gefiel dem Herodes so gut, daß er ihr vor allen Gästen einen Wunsch freigab: "Wünsche Dir, was Du willst", sagte er zu ihr, "Du sollst es von mir bekommen! - ich schwöre es!" Aber ihre Mutter Herodias hatte so etwas kommen sehen. Und sie hatte ihr zugeflüstert: "Wenn Dein Vater heute in Geburtstagsstimmung ist und Dir einen Wunsch freigibt, dann wünsche Dir das Haupt Johannes des Täufers, das soll man Dir auf einem Teller in den Palast bringen!" Was blieb Herodes nun übrig: Vor den Gästen blamieren konnte er sich nicht - und er hatte ja schließlich vor aller Ohren einen Schwur getan! - Also blieb ihm nichts anderes übrig, als in aller Schnelle und Heimlichkeit zu nächtlicher Stunde seinen Henker ins Gefängnis zu schicken, Johannes enthaupten und seinen Kopf auf einem Teller dem Mädchen in aller Feierlichkeit überreichen zu lassen. Das hatte dann nichts Eiligeres zu tun, als diesen Kopf schnellstmöglich seiner Mutter weiterzugeben. So fand der große, konsequente Johannes das Ende, das zu seinem Leben paßte.

Es gibt ein Lied in unserem Gesangbuch, das dieses Leben nachzeichnet. Und das wollen wir nun erst einmal singen. Denn eine Episode aus diesem Leben habe ich bislang ausgespart. Nämlich das heutige Sonntagsevangelium und damit den Predigttext. Dem wollen wir uns dann anschließend noch kurz zuwenden.

(EG312 ganz)

Nachdem wir nun von diesem unbeugsamen Menschen gehört haben, von seinem harten Leben, von seiner Strenge und Konsequenz, kommen wir nun an eine Stelle in seiner Biografie, wo etwas weich wird. Wo man ihn beinahe nicht wiedererkennt, wo man merken kann, daß auch er nur ein Mensch ist, ein Mensch mit all seinen Zweifeln und Fragen und Rätseln, mit denen er nicht fertig wird. Ich lese Matthäus 11,2-6.

(Lesung Matthäus 11,2-6)

Da sitzt er im Gefängnis, sein ganzes Leben ist ausgerichtet auf den, der da kommen soll, den die Propheten verheißen haben, denn göttlichen Retter, den Messias, Jesus, den er getauft hat am Jordan, mit dem er gesprochen hat, von dem er gehört hat. Aber hatte nicht Gott gesagt, er wollte seine Herrschaft aufrichten? Seine Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens, seine Herrschaft des Trostes für die Schwachen, seine Herrschaft, bei der ER endgültig zum Sieg kommen würde, ohne daß dann noch irgendein Zweifel am Sieg Gottes in dieser Welt bliebe? Und hatte nicht er, Johannes der Täufer, sein ganzes Leben eingesetzt mit Leib und Seele, Haut und Haaren, für den, der da kommen soll? Er hatte die Menschen rechtzeitig zur Umkehr rufen wollen, daß der mächtige König Gottes sie nicht mit seinem Strafgericht überraschen würde, wenn es zu spät wäre. So hatte er es sich gedacht. Und nun? Nun saß er im Gefängnis für eine gerechte Sache. Und der, den er für den von Gott Gesandten gehalten hatte, der holte ihn nicht aus dem Gefängnis. Da geriet er denn doch ins Zweifeln und schickte seine Jünger zu Jesus und fragte ihn:

„Bist Du es nun, auf den wir warten, oder bist Du es nicht, und wir müssen weiter warten auf einen anderen, warten wie eh und je, und die Welt bleibt weiter so ungerecht wie bisher? Was hast Du auf eine solche Frage zu antworten, Jesus?" Die Antwort kam prompt: „Sagt dem Johannes, was Ihr seht und hört: Erzählt ihm von dem, was um Euch herum passiert: Kranke werden gesund, Blinde erhalten ihr Augenlicht zurück, Taube können wieder hören und reden - Die Wunder Gottes geschehen. Aber ich weiß wohl, Johannes, Du hast Dir das alles anders vorgestellt. Du hast Dir einen Gott vorgestellt, der mit Feuer und Schwert kommt. Du hast Dir vorgestellt, die Menschen müssen sich anstrengen, daß Gott zu ihnen kommen kann und daß sie der gerechten Strafe entrinnen. Das hast Du Dir vorgestellt, Johannes. Und nun erlebst Du mich, Jesus, mich, den Gesandten Gottes, und Du erlebst, daß ich nicht mit Feuer und Schwert komme, sondern unscheinbar, armselig, aber in der Kraft Gottes. Als Helfer für Schwache und Arme, und wo ich bin, da hat die Herrschaft Gottes schon angefangen, so unscheinbar zwar, daß Du anfängst zu zweifeln - aber sie hat  begonnen. Mitten unter uns hat sie begonnen, und sie wird sich ausbreiten, wenn auch ganz anders, als Du es Dir gedacht hast. So, daß der Gerechte für die gerechte Sache zu leiden hat. Du gehst den Weg, den ich werde gehen müssen. Und darum: Glücklich bist Du, selig bist Du, wenn Du daran keinen Anstoß nimmmst. Wenn Du Dich an mir nicht ärgerst." 

In aller Öffentlichkeit sind die Jünger des Johannes zu Jesus gekommen und haben die Frage ihres Lehrers öffentlich für alle hörbar an Jesus gestellt, und Jesus hat öffentlich darauf geantwortet. Und dann wendet er sich zu den Menschen und fängt an, über Johannes zu reden, über dieses einzigartige Leben. Diese Worte möchte ich vorlesen, Matth. 11 ab V. 7 in der šbersetzung der guten Nachricht:

"Als ihr in die Wüste zu ihm hinausgewandert seid, was habt ihr da erwartet? Etwa ein Schilfrohr, das jeder Windzug bewegt? Oder was sonst wolltet ihr sehen? Einen Mann in vornehmer Kleidung? Solche Leute wohnen doch in Palästen! Also, was habt ihr erwartet? Einen Propheten? Ich versichere euch: ihr habt mehr gesehen als einen Propheten! Johannes ist der, von dem es in den heiligen Schriften heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her, sagt Gott, damit er den Weg für dich bahnt. Ich versichere euch: Johannes ist bedeutender als irgendein Mensch, der je gelebt hat. Und trotzdem: Der Geringste in der neuen Welt Gottes ist größer als er. Als der Täufer Johannes auftrat, hat Gott angefangen, seine Herrschaft aufzurichten; aber bis heute stellen sich ihr Feinde in den Weg und hindern andere mit Gewalt daran, sich dieser Herrschaft zu unterstellen. Das Gesetz Moses und alle Propheten bis hin zu Johannes haben die neue Welt Gottes angekündigt. Und ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht: Johannes  ist tatsächlich der Prophet Elija, dessen Kommen vorausgesagt war. Wer hören kann, soll gut zuhören!"

Wir spüren Jesu ganze Hochschätzung dieses Johannes, der so ganz für Gott gelebt hat. Und wir spüren doch auch, daß da etwas ist, etwas Entscheidendes, das die beiden voneinander trennt. Und das  hängt zusammen mit dem Zentrum des christlichen Glaubens überhaupt: Mit der Botschaft von der Liebe Gottes zu dieser Welt und seinen Menschen. Dazu ist Christus gekommen, um diese Liebe glaubhaft zu machen. Gottes letztes Wort ist nicht Feuer und Strafgericht, sondern Erbarmen und Liebe. Es bleibt offen, ob Johannes im Gefängnis begreift, was Jesus ihm sagen läßt. Wenn er begreift, dann öffnet sich ihm tatsächlich die neue Welt Gottes: Hoffnung gegen alle Verzweiflung, und sei sie noch so tief. Licht gegen alle Dunkelheit, und sei sie noch so undurchdringlich. Leben aus Gott, der die Liebe ist. Amen.



Erika Reischle-Schedler
Göttingen
E-Mail: e.reischle-schedler@t-online.de

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