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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 15.12.2013

Predigt zu Offenbarung 3:1-6, verfasst von Winfried Klotz

An den Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: So spricht Er, der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat: Ich kenne deine Werke. Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.

2 Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag. Ich habe gefunden, dass deine Taten in den Augen meines Gottes nicht vollwertig sind.

3 Denk also daran, wie du die Lehre empfangen und gehört hast. Halte daran fest und kehr um! Wenn du aber nicht aufwachst, werde ich kommen wie ein Dieb und du wirst bestimmt nicht wissen, zu welcher Stunde ich komme.

(Kap 16, 15: Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig, wer wach bleibt und sein Gewand anbehält, damit er nicht nackt gehen muss und man seine Blöße sieht. 1,3; Mt 24,37-44; Lk 12,35-40)

4 Du hast aber einige Leute in Sardes, die ihre Kleider nicht befleckt haben; sie werden mit mir in weißen Gewändern gehen, denn sie sind es wert.

5 Wer siegt, wird ebenso mit weißen Gewändern bekleidet werden. Nie werde ich seinen Namen aus dem Buch des Lebens streichen, sondern ich werde mich vor meinem Vater und vor seinen Engeln zu ihm bekennen.

Ex 32,32f; Ps 69,29; Dan 12,1; Offb 13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27

6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. 2,7

Liebe Gemeinde!

Ärgerlich, was in diesem Brief an die Gemeinde in Sardes, westliches Kleinasien, dem Engel der Gemeinde, also ihrem Verantwortlichen vor Gott, ihrem Stellvertreter, zugemutet wird. „Ich kenne deine Werke. Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“ Und das von der obersten Kirchenleitung, das vom Herrn der Kirche selbst durch den Seher Johannes. Ärgerlich, nein, erschreckend, was der sagt, dem Gott alle Macht und Weisheit gegeben hat. Das klingt doch wie ein Todesurteil: Trotz allem schönen Schein, mit euch ist nichts mehr los, ihr seid am Ende! Und warum das? Weil Glaube und Leben auseinander fallen, weil christliches Leben, Reden, Tun nicht mehr durchglüht sind von der Liebe zu Gott, weil das Brennen in den Herzen nachgelassen hat. „Ich kenne deine Werke“, - meint ja, ich blicke hinter die Kulissen, ich sehe die Herzen. Bei euch läuft viel, jeden Festtag feiert ihr mit gutbesuchten Gottesdiensten, auch Spenden für die Gemeinde und die Armen kommen gut ein, ihr habt viele Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, ihr schickt immer noch Evangelisten los, um die gute Nachricht von Gottes Gnade in Jesus weiterzutragen, das alles ist gut organisiert, ihr seid stolz darauf, aber es treibt euch nicht die Liebe zu mir. Mit all euren Aktivitäten seid ihr wie ein großartiges Schiff, hochseetauglich, dass doch immer nur im Hafen im Kreis fährt und das dann noch als die große Reise übers Meer ausgibt. Die Liebe treibt euch nicht hinaus; ihr redet von eurer Gemeindevision und plant die Zukunft nach Bewertung eurer Möglichkeiten, aber ihr steht nicht vor mir, fragend, suchend, betend. Ihr seid Könner, aber ohne mich!

Wenn ich das so sage, muss ich denken: Ach, die Gemeinde in Sardes war noch gut dran. Ihr hat Jesus selbst durch den Propheten Johannes ungeschminkt die Wahrheit gesagt und sie musste sich dem stellen. Ich sehe nicht, dass heutige Kirchenleitung mit solch klaren Worten die Gemeinden zum Evangelium, zum Auftrag, zu Jesus Christus riefe. Heutige Kirchenleitung verbraucht ihre Kraft in Überlegungen zur Struktur der Kirche. Wir groß muss ein Dekanat sein, eine Gemeinde? Es wird fusioniert, z. B. Regionalverwaltungen. Vorher lief die Zusammenarbeit der Gemeinden mit der Regionalverwaltung gut, jetzt läuft es nicht besser, sondern manches ist wegen der Größe unübersichtlich geworden. Das alles unter finanzieller Perspektive. Wir schrumpfen, wir müssen sparen, deshalb zusammenlegen. So werden wir zukunftsfähig.

Haben wir nicht mehr den Glauben, dass Jesus Christus denen Zukunft schenkt, die sich von ihm abhängig machen? Die zu beten und zu bitten und zu danken wissen? Die um ein hörendes, gehorchendes Herz ringen?

„Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag.“ Das Wort geht an alle, die in Kirche und Gemeinde Leitung wahrnehmen. Wach werden heißt nicht, steigert eure Aktivität, sondern reibt euch den Schlaf aus den Augen und seht meine Wirklichkeit. Stille, Gebet, sich das Wort schenken lassen, das ist gemeint. Wir können es nicht und wir haben es nicht, aber wir erwarten und erbitten es von Jesus. Nur wer wach geworden ist, kann stärken, was schon im Sterben lag.

Das ist unser Problem, wir sind nicht wach; wir sind sorgenvoll, wollen möglichst viel erhalten von dem, was an sichtbarer Kirche da ist. Wir restaurieren, aber wir reformieren die Kirche nicht!

Also, werdet wach! Was sind Gottes Anliegen in dieser Welt, warum hat er Jesus gesandt, was heißt Glauben und Nachfolgen? Wo sind die Quellen der Kraft, wo finden wir und wie geben wir das Leben weiter, dass Gott im Evangelium versprochen hat? Das sind aus meiner Sicht die entscheidenden Fragen, denen wir nachgehen müssen, damit unsere Taten in den Augen Gottes vollwertig sind.

Das gelingt uns nicht mit Strukturüberlegungen, ja die können die eigentliche Aufgabe völlig verdecken. Da bewegen wir uns ja im Bereich des Machbaren, da können wir von Unternehmensberatern lernen. Bei der wirklich notwendigen Erneuerung der Kirche aber sind die Möglichkeiten nicht unser, sondern Gottes. Er will uns aber gebrauchen, deshalb die Ermahnung:

„Denk also daran, wie du die Lehre empfangen und gehört hast. Halte daran fest und kehr um! Wenn du aber nicht aufwachst, werde ich kommen wie ein Dieb und du wirst bestimmt nicht wissen, zu welcher Stunde ich komme.“

Denk daran, besser: erinnere dich! Erinnern heißt, ich grabe nach im Schatz der Vergangenheit, meiner persönlichen, aber auch der Vergangenheit von Kirche und Gemeinde. Ich grabe nach in der Heiligen Schrift und nehme ihr Zeugnis ernst. Ich lasse mich herausfordern zu einem Leben in der Spur von Jesus- ich meine nicht: wie Jesus. Das führt zur Umkehr!

Leben in der Spur von Jesus: ich sehe seine Taten, höre seine Worte, erlebe sein Leiden und seine Auferstehung mit. Ich bin dabei und es kann gar nicht anders sein als das er auf diesem Weg überraschend zu mir kommt. Und ich jetzt Gottes Liebe zu mir erfahre, denn Jesus erweist sich mir als der, der mich mit Gott verbindet. Welches Glück, welche Freude, welche Liebe erfüllt mich nun und treibt mich an.

Es gilt für jeden persönlich, es gilt für Kirche und Gemeinde: Entweder werden ich wach und gehe in der Spur von Jesus oder er kommt wie ein Dieb, das meint, er kommt überraschend zum Gericht, und ich - wir sind nicht darauf vorbereitet. Muss es denn so kommen, dass nur ein kleiner Rest übrig bleibt, wie es in unserem Brief an die Gemeinde in Sardes angedeutet wird?

„Du hast aber einige Leute in Sardes, die ihre Kleider nicht befleckt haben; sie werden mit mir in weißen Gewändern gehen, denn sie sind es wert.“

Worin unterscheiden sich diese Wenigen von den anderen Gliedern der Gemeinde? Sie haben ihre Kleider nicht besudelt, was bedeutet das? Ich weiß es nicht, eines nur ist mir klar: Diese Wenigen sind bereit zum Festmahl, wenn der Herr kommt. Ich vermute: sie sind keine Glaubenshelden, aber sie gehen in der Spur von Jesus. Sie meiden das Böse und tun aus der Liebe Gottes das Gute.

„Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot“, so haben wir am Anfang als Urteil über die Gemeinde von Sardes gehört. Das war und ist aber nicht das letzte Wort des Herrn der Kirche über seine Gemeinde, über die Christen in Sardes und an unserem Ort. Es ist noch Zeit zur Umkehr, es ist noch Zeit der Gnade, es ist noch nicht zu spät. Aber der vor allen Sardesgemeinden liegende Weg ist steil, steinig, es ist der Weg in der Spur von Jesus, der Kreuzweg.

„Wer siegt, wird ebenso mit weißen Gewändern bekleidet werden. Nie werde ich seinen Namen aus dem Buch des Lebens streichen, sondern ich werde mich vor meinem Vater und vor seinen Engeln zu ihm bekennen.“

Wer siegt, - Christsein, Gemeinde Jesu Christi sein, ist kein Weg zur Steigerung des irdischen Glücks. Es ist gewiss ein Weg zum Frieden, aber oft auch ein Ringen um das Gute im eigenen Leben und in der Gemeinde. Wer Jesus folgt, muss auch heute sein Kreuz auf sich nehmen, und dieses Kreuz ist nicht schon die in jedes Leben hineingelegte Einschränkung und Begrenzung, sondern das, was mir um Jesu willen als Kampf und Not auferlegt ist. Eben dann, wenn ich mich zu IHM bekenne und andere den Kopf schütteln und mir zu verstehen geben, dass ich mit diesem Bekenntnis mich außerhalb der Gemeinschaft bewege. Christen in Deutschland werden nicht eingesperrt wegen ihres Bekenntnisses zu Jesus, aber sie werden ausgegrenzt.

In der Spur von Jesus gehen, den Weg des Vertrauens und Gehorsams dem Herrn gegenüber gehen, das ist Kampf, aber zugleich führt es zum Frieden. Es ist Kampf des Gebets, Kampf um die Gemeinschaft miteinander, Kampf um die Wegweisung, die die Schrift jetzt gibt, Kampf gegen Eigenwillen und Überheblichkeit und vor allem ein Ringen um die Menschen, dass sie die Botschaft von Jesus hören und annehmen.

Wer lädt sich all diese Mühe auf? Alle, bei denen das Feuer der Liebe Gottes brennt.

„Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“

Amen.

 



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König Odenwald
E-Mail: Winfried.klotz@web.de

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