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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach dem Christfest, 05.01.2014

Am Ende ein Choral (EG 356)
Predigt zu Römer 16:25-27, verfasst von Jörg Coburger

 

I

Am Ende ein Choral…

Wenn nach langen und tiefen Gedanken im Römerbrief, vielen Zumutungen und Ungeheuerlichkeiten, die Gottes Offenbarungen wohl immer eigen sein werden, alles gesagt scheint, möchte das Herz einen Punkt machen. Es ist einfach genug.

Paulus hat auch am Ende dieses wohlgepackten Briefes, der außer dem Abendmahl alle christlichen Kernthemen bespricht, einen Punkt macht, was der Apostel zu sagen hatte, ist treu und mutig ausgerichtet, fand sich einer, den die Forschung F G 629 nennt und hat einen Doppelpunkt gemacht. Es kommt noch etwas.

Am Ende ein Choral…

Ja, ja ich weiß schon, dass man das ordentlich und angemessen eine Doxologie nennt. Lateinisch Gloria, Lob und Dank. Soli Deo Gloria. So ungewöhnlich wie es in den letzten Worten des Römerbriefes scheint, ist das nicht.

Denken wir an das Vater Unser. Dort hatte Jesus nach sieben Bitten geendet: „Und erlöse uns von dem Bösen.“ Und die Gemeinde hat eingestimmt und ihr Amen dazugesetzt: Eben jene Doxologie mit „Denn dein ist das Reich und die Kraft und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Und in vielen Bibelausgaben ist das sogar bei Matthäus 6,9 richtiggehend vermerkt. Und hier auch.

II

Am Ende ein Choral…

Beim Besuch der alten Dame wollte ich ursprünglich eine Stunde bleiben – oder so. Es wurden über zwei Stunden daraus. Und am Ende ein Choral. „Was Gott tut, das ist wohlgetan…“ Sie fing leise zu singen an. Es war der reinste Gesang, den es geben kann. Das ganze Leben war erzählt, siebenmal geläutert wie Silber, gewaschen mit Freudentränen und bitterer Erstarrung, mit Geduld, Klarheit und völliger Illusionslosigkeit, voller Hoffnung. Das mit ihrer großen Liebe, die sich nicht heiraten durfte. Und die drei Söhne, zwei davon leben noch, mit einem Mann, den sie lieben lernte. Auf meine fragenden Blicke hin bestand sie deutlich auf dem Wort Liebe. Und zu Hause angekommen, schämte ich mich für meinen Hochmut ihrer Liebe gegenüber. Ich glaube ihr. Es gab für sie keinen Grund mehr zur Täuschung. Vor Gott liegt alles klar und offen. Und von der guten Arbeitstelle schwärmte sie, die sich wie durch eine Fügung fand, und die sie glücklich machte und „meinem Herrgott jeden Tag danke, dass ich dort sein durfte“ Und das immer zur richtigen Zeit Menschen gingen und Menschen kamen, sie hatte unerwartet Hilfe. Trennungen kamen, wo sie selbst nie vermutet hätte, „immer neu anfangen“ und „immer ist er bei mir gewesen - wie im Psalm“ sagt sie. Am Ende ein Choral…

Wenn du keine eigenen Worte mehr haben brauchst, wenn du einstimmen kannst, wenn dir etwas auswendig – die romanischen Sprachen sagen „by heart“ - dazu zur Verfügung steht, dann bist du gesegnet.

Eigene Worte sind ja nicht verpönt oder verboten. Aber wir üben in fremden Worten eine Sprache ein, die dem eigenen Horizont zu hoch, zu fremd und zu weit. Sie verlockt uns zum Weitdenken, Weiterbeten und auf etwas vertrauen, was dem je eigenen Glauben immer schon voraus ist.

Am Ende einer Bestattung am offenen Grab: „Christ ist erstanden“

Oder „Durch dein Gefängnis, Gottessohn, muss uns die Freiheit kommen…“ Oder.. oder… oder…

III

Welcher Punkt ist hier am Ende des Römerbriefes gesetzt?

Es geht in diesen letzten Abschiedsversen nicht einfach um einen pädagogischen Trick oder um einen ästhetisch gesehen schönen und runden Abschluss.

Jesus Christus – „ein Licht zu erleuchten die Völker“. Das ist es! Christus ist unsere Hoffnung und Rettung. Vor der Heiligen Nacht war alles verborgen.

In dem Menschen Jesus zeigt uns Gott sein verborgenes Innerstes.

Deshalb handelt es wieder und wieder von dem Geheimnis der Heiligen Nacht, vom Weg zum Kreuz hin. Er macht es auf, macht es sichtbar, offenbart es. Gott kommt aus Liebe nah und Gott geht aus Liebe auf Distanz. In einem Kind. Das unterscheidet den ganzen Weg Jesu von einem Rätsel. Hier gibt’s es nicht zu knacken. Gott ist keine Formel. Die Kirche darf sich nicht selbstmächtig darüber hermachen. Schleudertische und Rabattschlachten gibt es nicht. Gott wahrt sein Geheimnis.

Und das fordert uns ganz. Es macht uns würdig und recht. Wer in diesem Licht steht und alles was wir von nun an darin sehen will, legt offen, wie wir vor Gott dran sind. Wer wir sind, erfahren wir halt nicht im Blick auf uns selbst. Das erschreckt. Gottes Liebe ist nicht niedlich. Und das richtet auf, weil es endlich keine Täuschung mehr braucht. Wir finden uns in seinem Gesicht, in seinem Wort, aber nicht um den Preis der Selbst-erfahrung, nicht um den Preis von theologischem Narzismus und

und autistischem Spiritualitätsgehabe. Je mehr Christus in mir Raum gewinnt, desto mehr finde ich zu mir selbst.

IV

Glauben vollendet sich nicht im Nehmen, sondern im Lob. Theologie recht betrieben läuft immer auf dasselbe hinaus: Soli Deo Gloria.

Im Leben jener Frau, von der ich kurz berichtete, im Römerbrief selbst, geht es vorher immer durch die Tiefen. Die vom ersten Kapitel an pochende Frage des ehemaligen Rabbinerschülers Saulus: Was ist mit Israel? Und Paulus holt am Ende eines langen Gedankenganges tief Luft: „Oh welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gott! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“ 11,33f Am Ende ein Choral.

Zum Gloria gehört aber auch das Kyrie. Herr, erbarme dich! Und das

De profundis: Aus den Tiefen rufe ich her zu dir… Ps.130 Immer ist es ein Weg. Wir sind Pilger. Von Station zu Station. So, wie Jesus auch ein Pilger war. Gotteslob beginnt im Dunkeln. Es beginnt mit der Frage aus den Psalmen: „Herr wie lange noch…?“ und verschweigt das „Dennoch“

( Ps.73 ) nicht aus jenen Zeiten, in denen Gott schweigt, und lässt sich leiten vom göttlichen Licht: Hier ist Glück. Siehst du nicht, brannten nicht unsere Herzen, musste nicht all das geschehen… Lk.24  Alle Theologie wird nur dann in Vollmacht betrieben, wenn sie ohne Doxologie am Ende nicht auskommt.

 



Dompfarrer Jörg Coburger
Freiberg
E-Mail: joerg.coburger@gmx.de

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