Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Tag der Auferstehung des Herrn: Ostersonntag, 20.04.2014

Predigt zu Matthäus 28:1-8 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Peter Fischer-Møller

 

Die Zeit der Wunder ist nicht vorbei. Das ist eigentlich phantastisch. Wenn der Frühling wie dieses Jahr zu Ostern hereinbricht. Die Lerchen unter dem Himmel hängen und jubeln. Die Kiebitze über die Felder jagen. Die Osterblumen in voller Blüte stehen und ihre Osterfanfaren blasen.

Wir können natürlich versuchen, eine natürliche Erklärung für dieses geschehen zu finden. Lerchen und Kiebitze stecken ihr Territorium ab und versuchen, einen Partner anzulocken. Die Osterblumen wollen nur die Bienen anlocken. Und dann sind es im Übrigen Gärtner und andere Gartenleute, die sie veredelt und vermehrt haben, so dass sie rechtzeitig zu Ostern blühen.

Und das mag alle richtig sein.

Aber es ist dennoch auch ein Wunder: Dass wir es sehen können, riechen, spüren, hören. Dass wir es mit anderen Menschen teilen können. Dass wir zumindest in Augenblicken gemeinsam das hier im Leben als etwas unfassbar Großes und Herrliches erleben können. Auch wenn wir wissen, dass wir die Menschen verlieren können, die wir lieben, und dass wir selbst einmal sterben werden.

Ostern ist das große Ja Gottes zu diesem Leben hier. Gottes Ja zum Trotz. So hagbe ich die Osterbotschaft in diesem Jahr gehört.

Ostern ist ein Wunder.

Das war es für die Frauen, die zum Grabe Jesu am Ostermorgen kamen, so wie es das für uns heute ist. Die vier Evangelisten erzählen die Geschichte auf je ihre Weise, etwas unterschiedlich. Es ist deutlich, dass es ihnen schwer fiel, Worte für das zu finden, was in hohem Maße unbegreiflich für sie war. Aber sie sind sich alle einig darüber, dass einige Frauen Ostermorgen zum Grabe Jesu kamen. Und sie kamen offenbar nicht, weil sie irgendetwas Übernatürliches erwarteten. Ganz im Gegenteil. Sie gingen zum Grabe, um ihre Blumen zu legen und über das zu weinen, was sie nach ihrer Meinung für immer verloren hatten.

Sie waren Jesus und seinen Jüngern einige Jahre gefolgt. Das war wie ein langer Frühling für sie. „Das Reich Gottes kommt, ja es ist mitten unter euch", hatte er gesagt. Und es war ihnen aufgegangen, dass er vom Leben hier und jetzt redete. Von dem Leben, das wir hier auf Erden miteinander leben, hier, wo wir uns über die Lilien auf dem Felde und die Vögel des Himmels freuen. Dieses Leben war Gottes Leben, und sie hatten daran teil zusammen mit ihm und der merkwürdig bunten Schar von Menschen, die ihn umgaben: gewöhnliche Handwerker und Fischer, verachtete Zöllner und Sünder - und Frauen und Kinder durften auch mit dabei sein.

Es war deutlich, dass jeder einzelne Mensch, dem er begegnete, Bedeutung hatte. Keiner war gleichgültig. Keiner sollte daran gehindert sein, sich über das Leben mit anderen zu freuen. Blinde durften wieder die Formen und Farben der Natur sehen. Taubstumme heilte er, so dass sie wieder sprechen und hören konnten und teilnehmen konnten am Gespräch und der Gemeinschaft mit anderen Menschen.

Ja, ein paar Mal hatten sie auch gesehen, wie er Tote wieder zum Leben erweckte. Deutlicher konnte es nicht werden, dass das Leben hier und jetzt unbedingt bedeutsam und unendlich wertvoll ist. Wenn Jesus seine Geschichten vom Reich Gottes erzählte, so war das also keine ganz andere Welt, eine feinere Welt mit einem geistigen Dasein, von der er sprach. Das Reich Gottes war aufs Engste mit dem Leben verbunden, das sie mit ihm und einander teilten. Sie waren Zeugen gewesen von scharfen Diskussionen mit den religiösen Führern des Volkes, die seine Art, geltende Regeln und Normen zu ignorieren, nicht akzeptieren konnten. Sie hatten mit Sorge gesehen, wie der Widerstand gegen ihn gewachsen war. Dennoch war es ein Schock für sie, als es geschah, als der Donnerstagabend gefangen genommen wurde. Sie wussten nun, dass einer seiner Nächsten, Judas, ihn verraten hatte. Sie hatten gehört, dass Petrus ihn verleugnet hatte, und gesehen, dass die übrigen geflohen waren. Sie hatten die Hinrichtung Karfreitag aus der Ferne beobachtet. Sie hatten seinen Tod am Kreuz gesehen. Und sie waren dabei, als Joseph von Arimathia von Pilatus die Erlaubnis bekam, ihn vom Kreuz zu nehmen und in eine Grabhöhle zu legen. Nun kamen sie zum Grab Ostermorgen, um ihre Blumen abzulegen, um ihre Trauer und Verzweiflung auszudrücken über das Leben, das verloren gegangen war.

Aber da draußen am Grabe fanden sie also nicht das, was sie erwarteten: einen toten Leichnam, sondern eine Auferstehungsbotschaft begegnete ihnen. Die Auferstehungsbotschaft, die über ihren Verstand ging, eine Botschaft, die sie zunächst mit Furcht erfüllte, die aber mitten im Unbegreiflichen zu ihren Herzen sprach, wie er es getan hatte. Die Auferstehungsbotschaft, die sie - so gut sie es konnten - weiter an die anderen erzählten, und die ihr gemeinsames Dasein grundlegend verändern sollte. Oder besser: Sie gab ihnen Mut, dieses Leben weiterzuleben, das sie gelebt hatten, während sie mit ihm auf den Wegen Palästinas gingen. Sie gab ihnen die Freude am irdischen Dasein wieder. Sie gab ihnen den Mut, dafür zu kämpfen. Und dafür verwandten sie dann den Rest ihres Lebens: in Wort und Tat diese Geschichte mit anderen teilen, so dass sie bis zu uns heute gelangt ist.

Die Botschaft: Christus ist auferstanden.

Die Botschaft, dass der Tod nicht Jesus und seine Liebe zu dieser Welt und uns Menschen zunichte gemacht hatte. Die Botschaft, dass der Tod ihn nicht hatte behalten können. Die Botschaft, dass die Macht des Todes gebrochen war.

Und so, wie der Tod ich nicht zunichtemachen konnte, so wird er auch uns nicht zunichtemachen, uns, die er quer durch alles Trennende und alle Grenzen, die wir sonst zwischen uns ziehen, Gottes Kinder nannte und seine Brüder und Schwestern.

Die Zeit der Wunder ist nicht vorbei.

Mitten in einer Welt, wo der Tod noch immer an vielen Fronten das große Wort zu haben scheint, wo vieles noch immer schwer und schwierig ist, wo Krieg und Krankheit und Unglück das Dasein von Millionen verkrüppelt und zerstört, wo der Tod auch uns auf den Leib rückt, wo wir über einen Verlust trauern, und wo man es nicht wegerklären kann, dass wir eine Mitverantwortung für das tragen, was manchmal schiefgeht und kaputtgeht für uns selbst und andere - mitten in dieser Welt erklingt hier zu Ostern das große Ja Gottes zum Leben, das Leben, das wir sehen und hören und miteinander teilen können.

In unserem Glaubensbekenntnis heißt es: Wir glauben an die Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Klingt das nicht merkwürdig? Wenn wir nun wissen, dass wir alle einmal sterben und zu Staub und Asche werden.

Ja, es ist ebenso merkwürdig wie dass wir faktisch existieren, dass das Leben sich die Mühe gemacht hat, uns zu schaffen und uns die Möglichkeit zu geben, diese phantastische Welt zusammen mit anderen zu erleben.

Das ist mit dem Verstand nicht zu begreifen.

Aber es ist herrlich, davon zu singen, wie wir das im Gottesdienst tun.

Wir hören, dass das Grab leer ist und das der Körper Jesu verschwunden ist, wir hören, dass die Frauen aufgefordert werden, zu dem Galiläa zurückzukehren, aus dem sie gekommen sind, zurück zu dem Alltag, den sie verlassen hatten, um ihm dort wieder zu begegnen.

Das Osterevangelium will uns trösten und uns die Freude am Leben wiedergeben, wo wir sie verloren haben. Das Osterevangelium erzählt uns, dass Gott - Jesu und unser himmlischer Vater - sich liebend unserer Toten annimmt, und sich auch unser annimmt, die wir jetzt hier sitzen und zuhören und singen.

Jesus ist nicht nur uns vorangegangen durch den Tod, um uns auf der anderen Seite wieder zu begegnen. Er ist uns auch vorangegangen, um in dem leben gegenwärtig zu sein, zu dem wir gemeinsam immer unterwegs sind. Hier in unserem Alltag miteinander ist nun Ostern. Dieses Osterevangelium erweckt uns zum Leben.

In diesem phantastischen Frühjahr, wo die Lerchen singen und die Osterblumen Trompete spielen. In diesem leben sollen wir uns engagieren und dafür sollen wir kämpfen, so wie Jesus es getan hat. Hier, wo das ewige Leben schon in Augenblicken im Gange ist.

Frohe Ostern!

 

 



Biskop Peter Fischer-Møller
4000 Roskilde
E-Mail: pfm(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung: Prof. Eberhard Harbsmeier


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