Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis / Erntedankfest, 30.09.2007

Predigt zu Matthäus 6:19-23, verfasst von Antje Marklein

Liebe Gemeinde!

Heute am Erntedankfest  sind wir in guter Gesellschaft vieler Kulturen und Religionen, die auf unterschiedlichste Weise ihrer Dankbarkeit Ausdruck verleihen. 

Unser Dank am diesem Tag hat zwei Quellen: Zum einen sehen wir uns als Teile von Gottes guter Schöpfung und somit auch das, was uns an Erträgen aus seiner Schöpfung zukommt: Güter der Erde, Getreide, Pflanzen und Vieles mehr. Eng damit verbunden ist unser Bewusstsein, dass wir von diesem  Naturkreislauf abhängig sind und in ihn fest eingebunden.

Und so kommt unser Dank als Antwort auf die reichen Gaben der Erde, auf Regen und Sonne,  aber auch als Antwort darauf, dass wir im Kreislauf von Werden und Vergehen bewahrt worden sind vor Unheil und Katastrophen. Unsere Lebensernte hat Früchte getragen, und das lässt uns dankbar sein.

So weit - so gut - wie in jedem Jahr.

Nun werden uns in diesem Gottesdienst heute eine Reihe von biblischen Texten angeboten, die nur wenig Freude oder Dank ausstrahlen. Die Lesung aus dem Alten Testament vorhin hat uns aufgerufen  zu teilen und so die Güter der Erde zum Segen für alle werden zu lassen. Das Evangelium vom reichen Kornbauern, das schon manchem Landwirten am Erntedankfest die Lust am Gottesdienst verdorben hat, rät ab, ja warnt vorm Schätze Sammeln. Und jetzt begegnet uns als Krönung ein Predigttext,  der es in sich hat! Es ist ein Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu, wie sie im Matthäusevangelium steht. Der Text schildert in aller Deutlichkeit, wie Jesus zu Reichtum und Besitz gestanden hat. Hören wir Matthäus 6, 19-23.

19Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. 20Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. 21Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
22Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. 23Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!

Eine kurze, heftige Moralpredigt.

So schnell wird uns die Freude an diesem Fest verdorben. Sammelt euch keine Schätze auf Erden - Das ist eindeutig! Jesus spricht klare Worte.

Wenn Jesus heute leben würde, wogegen würde sich seine Kritik richten? Sicher würde er die Finanzgeschäfte an der Börse kritisch beäugen, die Gewinne großer Konzerne  auch und die Geschäfte, die mit Waffen gemacht werden; und manch einen  Millionären würde er wohl für ein ernstes Wort zur Seite nehmen?!

Aber uns? Sind auch wir gemeint?

Sammelt euch keine Schätze auf Erden.

Ob wir gemeint sind, lässt sich beantworten mit folgendem Zitat, das  in einer Zeitschrift von 2001 stand:

 „Falls sich in deinem Kühlschrank Essen befindet, du angezogen bist, ein Dach über dem Kopf hast und ein Bett zum Hinlegen, bist du reicher als 75 % der Einwohner dieser Welt. Falls du ein Konto bei der Bank hast,  etwas Geld im Portemonnaie und etwas Kleingeld in einer Schachtel, gehörst du zu den 8 % wohlhabenden Menschen dieser Erde (Publik Forum Nr. 23, 2001)"

.

Es steht mir als gutsituierter Beamtin schlecht an, mit Jesus einzustimmen gegen das Anhäufen von Reichtümern. Aber es bleibt eindeutig: Sammelt keine Schätze auf Erden.

Es muss einen Grund geben, warum Jesus so sehr gegen das Schätze Sammeln wettert.

Ein Satz, der für mit zentrale Satz in diesem Abschnitt aus der Bergpredigt, ein Satz hilft mir weiter: Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz!  Woran hänge ich mein Herz?  Was ist mir wichtig in meinem Leben? Was ist es, das mich bewegt, das, wofür ich lebe? mein Lebenssinn? Ich habe einen Mann vor Augen, der früh starb, schon mit 60 Jahren. Er hatte viel gearbeitet, sich seine Karriere aufgebaut, einen Lebensstandard, der sich sehen lassen konnte - er hatte viel gesammelt in seinen Lebensscheunen. Immer hatte er seine Frau vertröstet - und sich selbst wohl auch: Dann erst, wenn ich im Ruhestand bin, dann werden wir leben, reisen, Zeit haben, viel Zeit.   Es kam anders damals, ganz anders, er starb plötzlich und sein Tod hat die Familie ziemlich durchgerüttelt. An seinem Grab waren viele sprachlos. 

Woran hänge ich mein Herz?

Wer sein Herz an irdische Schätze hängt, der merkt im Laufe seines Lebens immer wieder einmal, wie ihm alle Schätze zwischen den Händen zerrinnen. Was nützt mir als Jugendlicher ein großzügiges Taschengeld, wenn ich in der Klasse gemobbt werde. Was habe ich von einem gefüllten Bankkonto, wenn meine Ehe in die Brüche geht und ich allein da stehe? Wozu brauche ich eine schöne Eigentumswohnung, wenn ich keinen Menschen habe, mit dem ich dort wohnen kann? Was nützt mir mein Wohlstand, wenn meine Pläne von einem auf den nächsten Tag durch kreuzt werden?

Natürlich ist es beruhigend zu wissen, dass das Geld auch am Monatsende noch reicht. Wer das nicht weiß, für den ist die Frage Luxus: Woran hänge ich mein Herz, was ist mir wichtig im Leben. Wir wissen: Es gibt vielen Menschen in unserer Gemeinde und in unserer Stadt die finanziell Not leiden- aber manchmal mache ich gerade bei ihnen die Erfahrung, dass sie ihr Herz gar nicht an den Besitz hängen, dass Menschen die wenig haben, dieses Wenige oft bereitwillig teilen mögen.

Woran hänge ich mein Herz, was ist mir wichtig im Leben?

Hauptsache Gesundheit, das höre ich oft an Geburtstagen, und je älter wir werden desto wichtiger ist die Gesundheit wohl auch. Aber zugleich ist dieser Satz ‚Hauptsache Gesundheit' ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die eben nicht gesund sind und denen ich dennoch Gutes wünschen möchte, die dennoch glücklich leben.

Sammelt euch lieber Schätze im Himmel, da kommen weder Motten noch Rost noch Diebe, um sie euch zu nehmen. Himmlische Schätze. Schätze, die niemand stehlen kann, die nicht vergehen. Sogleich fällt mit das wunderschöne Bilderbuch von Leo Lionni ein mit dem Titel: Frederick

5 schwatzhafte Feldmäuse sammeln Wintervorräte in der Nähe eines Kornspeichers. Nüsse, Körner Weizen und Stroh sammeln sie für die lange Winterzeit. Aber eigentlich sammeln nur vier Feldmäuse. Frederick, die 5. Maus, sitzt scheinbar tatenlos herum. Auf ihre Frage hin erklärt er ihnen, er sammle auch - Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage. Später dann sammelt er Farben für den grauen Winter, und schließlich sammelt er Wörter für die langen Abende im Winter, wo sie sich sonst nichts zu erzählen hätten. Und im Winter haben dann alle Mäuse etwas von seinen besonderen Vorräten...Er schickt ihnen Sonnenstrahlen in die kalte Höhle, er erzählt ihnen von Farben und bringt Abwechslung in ihren grauen Alltag, und er dichtet für sie, was sie alle entzückt.

Himmlische Schätze sammeln - sind das solche Vorräte, die mit keinem Geld zu bezahlen sind? Die nicht von Rost befallen werden und nicht gestohlen werden können? Himmlische Schätze: Sonnenstrahlen, Wärme die wir in uns aufnehmen und die uns leben lässt; Wärme anderer Menschen, die uns liebevoll umgeben. Farben, mit denen wir täglich beglückt werden, Dinge, Ereignisse und Menschen, die unserem Leben seine bunte Farbe verleihen. Und Wörter, die uns gesagt werden, ein Lob, ein freundliches Wort ganz zweckfrei ausgesprochen, Worte, die gut tun. Himmlische Schätze sammeln wir, wenn wir mit offenen Augen durch unser Leben gehen, wahrnehmen was und wer uns begegnet und unser Gegenüber als Geschenk Gottes annehmen. Vielleicht schließt sich auch hier der Kreis wieder zum Erntedankfest. Es sind himmlische Schätze, die wir sammeln, wenn uns die Dankbarkeit nicht verloren geht, die Dankbarkeit für all das, was unser Leben ausmacht, Dankbarkeit für die Lebensernte.

Amen



Pastorin Antje Marklein
Hannover
E-Mail: antje.marklein@evlka.de

(zurück zum Seitenanfang)