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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis / Erntedankfest, 30.09.2007

Predigt zu Matthäus 6:19-24, verfasst von Matthias Burger

Familiengottesdienst Erntedankfest

Liebe Gemeinde,

viele Schätze sind hier aufgetürmt, rund um den Altar. Wir danken heute für die Ernte, für die Kartoffeln, für die Tomaten, und: ich sehe, dass einige Kinder da sind: was seht ihr noch? Für welche Schätze können wir heute danken?

Hier: riesige Kürbisse, Rote Beete, Weizen, Mehl, Mais, Trauben, Äpfel, Birnen, Brot. Das ist viel. Und wir haben reichlich. Jeden Tag genug zu essen, zu trinken, Kleider anzuziehen: das ist nicht selbstverständlich. Wir haben hier am Altar einen riesigen Schatz. Wir sind reich.

Und was sagt uns heute die Bibel? Ich lese Ihnen Matthäus 6, 19-24: Wir sollen nicht Schätze sammeln auf Erden.

19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.

20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.

21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

22 Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.

23 Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!

24 Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Liebe Kinder, liebe Familien,

Jesus weckt uns auf mit seinen Worten und lenkt den Blick weg von den irdischen Schätzen hin auf das Wesentliche. Denn die Schätze, die wir auf Erden sammeln, sind alle vergänglich, sie werden zerfressen von Motten und Rost. Es ist gut, sich am Erntedankfest an die Vergänglichkeit des Reichtums erinnern zu lassen. Trotz allem eigenen Streben, trotz aller Technik in der Landwirtschaft, trotz all unserem täglichen Mühen haben wir unser eigenes Leben nicht im Griff. Das wird oft vergessen in der Welt der Macher und Macherinnen. Und es wird oft auch vergessen, dass unsere Schätze, die wir hier sehen, und auch die, die wir nicht sehen, weil sie auf dem Konto landen, eigentlich nicht unsere Schätze, sondern Gottes Geschenk sind. Alles, was wir hier sehen, auch die „finanzielle Ernte", ist Gottes Segen, der uns erreicht. Dafür danken wir heute Gott. Deswegen liegen die Schätze auch am Altar. Wer seine Schätze dort hinlegt, der weiß, dass das Gelingen des Lebens in Gottes Hand liegt.

Und doch:

wer würde sich nicht, zumindest heimlich, Reichtum und ein sorgloses Leben wünschen? Wer möchte nicht wenigstens so viele Schätze sammeln und besitzen, dass er oder sie frei wäre von Alltagssorgen? Welcher verantwortliche Mensch würde nicht versuchen, Schätze sammeln, wenn er jung ist, damit er oder sie im Alter etwas hat?

Da fällt mir die Geschichte ein von Josef, der in Ägypten in den sieben fetten Jahren alles gesammelt hat. So konnten sie die sieben dürren Jahre gut durchstehen. Josef hat Schätze gesammelt, und die Schätze sind ihm zum Segen geworden.

Trotzdem werden wir vom Predigttext ermahnt: „Ihr sollt Euch keine Schätze sammeln auf Erden". Warum?

Zum einen kann die Sehnsucht, oder auch der vernünftige Wunsch nach Reichtum schnell zum Fluche werden. Wie viele Menschen hatten in die Volksaktie Telekom investiert und Geld verspielt? Wie viele Menschen sind süchtig nach Schnäppchen, die den eigenen Reichtum fördern, aber nicht fragen: Wie leben die Menschen, die die Schnäppchen herstellen?

Das Streben nach Reichtum kann zur unseligen Sucht ausarten.

Zum anderen kann der Reichtum der Einen zum Unglück der Anderen führen. Denn wer nichts hat, wird unzufrieden, neidisch, mürrisch, die Lebensqualität sinkt. Das Eigene, Wertvolle, gerät aus dem Blick, weil nur noch der Blick nach außen gerichtet ist. Das eigene Defizit wird dominant.

Da helfen uns die Worte Jesu: „Sei nicht neidisch auf die Reichen, der Reichtum wird zerfressen werden von Motten, vom Rost, und von Dieben gestohlen". Das tut denen gut, die sich nach Reichtum sehnen, weil sie genervt sind von der eigenen Armut. Kann ich mir das noch leisten? Wie schön wäre es, nicht immer rechnen zu müssen. Da hinein spricht Jesus: Es kommt auf das Herz an, auf den Schatz im Himmel, nicht auf den irdischen Reichtum. Das tut gut und mildert unsere Sehnsucht. Es ist biblische Wahrheit: Auf das Herz kommt es an, nicht auf den Geldbeutel.

Und je älter Menschen werden, desto mehr rückt der Wunsch nach Reichtum in den Hintergrund. Wohl den Menschen, die das Alter nehmen können. „Hauptsache gesund" höre ich oft bei Geburtstagsbesuchen. Die Abhängigkeit von Gottes Segen tritt in den Vordergrund, es ist tägliche Erfahrung. Das Schätze sammeln auf Erden ist kein Thema mehr.

Also stimmen wir ein in den Predigttext, und sprechen mit dem Volksmund: „Lieber arm und gesund als reich und krank"?

Liebe Gemeinde,

leider scheint die Wirklichkeit komplizierter zu sein. Das Sprichwort wurde ja lästerlich verdreht, und es heißt heute: „Lieber reich und gesund, als arm und krank". Und es steckt ein Funken Wahrheit darin. Wir können unsere Augen nicht verschließen vor der Tatsache, dass sich die Schere zwischen arm und reich öffnet, und dass besonders in Deutschland die familiäre Herkunft wesentlich über den beruflichen Erfolg und damit auch über die Zufriedenheit, über das Glück des Lebens bestimmt. Und noch eines scheint wirklich zu werden: das Geld bestimmt immer mehr auch über die Gesundheit. Arm und gesund scheint zum Widerspruch zu werden.

„Sammelt Euch Schätze im Himmel": muss das nicht wie Hohn klingen in den Ohren der jungen Menschen in aus den so genannten „bildungsfernen Schichten", die schon jetzt wissen: außer Hartz IV gibt es keinen Platz? Und in der Zeitung lesen wir, im Zeitalter des Aufschwunges: Die Nettolöhne sind auf dem Stand von 1986. Private Vorsorge fürs Alter wird gefordert, ist auch wünschenswert, alle reden von der Altersarmut, die sonst drohen würde. Doch redet davon, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, etwas beiseite zu legen. Wie viele Lebensversicherungen mussten gekündigt werden, weil das Geld nicht reichte. Wer Kinder hat, muss oft mit einem Familieneinkommen auskommen. Wer Landwirtschaft hat, lebt schon seit Jahren von der Substanz, auch wenn es jetzt aufwärts zu gehen schein. „Sorgt für das Alter!" Ja, wie denn? Sorgen wir erst einmal für die Gegenwart.

Liebe Gemeinde, ich möchte auch am Erntedankfest vor dieser unbequemen Realität nicht die Augen verschließen. Neben der Dankbarkeit über die reiche Ernte, neben dem Dank für die Nahrungsmittel, Kleider, Dank für das Auskommen, ist es zutiefst evangelische und christliche Aufgabe, den Blick auf die Not zu richten. Ich denke besonders die armen, die kranken, die älteren Menschen, um die sich Kirche kümmern muss, ich denke aber auch an die Kinder und deren Eltern, die ich in der Kirche, hier im Gottesdienst besonders willkommen heißen möchte. „Willkommen hier im Gottesdienst! Willkommen, liebe Kinder, ich sage Euch: Ihr habt tolle Eltern, die sich für Euch sorgen. Eure Eltern sind Euer Schatz im Himmel. Willkommen, liebe Eltern, die ihr viel Kraft gebt, die nicht entlohnt wird. Die Kinder sind Euer Schatz im Himmelreich".

So hilft uns der heutige Predigttext, den Alltag, der von Jugendwahn und Streben nach Reichtum dominiert wird, zu durchbrechen und andere Werte in den Vordergrund zu stellen. Wer arm ist, dem wird gesagt: Blicke nicht nur weg von Dir, auf andere, denen es besser geht, schaue Dein Leben an, das voll himmlischer Güter ist. Wer krank ist, dem wird gesagt: Das Licht, das in dir ist, ist ein Schatz, der vom Himmel kommt. Die Kraft, mit der Krankheit zu leben, ist ein Schatz, der vom Himmel kommt. Jesus tröstet uns mit seinen Worten, weil er die herrschende Wirklichkeit durchbricht, wir können den himmlischen Reichtum ahnen.

Und gleichzeitig werden wir zu unserem Nächsten geschickt. Trost und sozialer Imperativ gehören zusammen. „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit." Dann wird uns das andere zufallen: Lebensklugheit im Alter, Zufriedenheit mit dem, was da ist, Dankbarkeit für die Ernte, auch für unscheinbare Dinge, es wird uns die Kraft zufallen, Krankheiten und Ungerechtigkeiten, die wir nicht ändern können, auszuhalten. Es wird uns die Kraft zufallen, Missstände und Ungerechtigkeiten auszusprechen und anzuprangern. Denn wir im Himmel, so soll es auch auf Erden gerecht zugehen. Wenn wir trachten nach Gottes Reich und nach seiner Gerechtigkeit, so werden uns die Schätze im Himmel zufallen. Welch eine Verheißung. Amen.



Dr. Matthias Burger

E-Mail: Dr.M.Burger@Pfarramt-Wankheim-Jettenburg.de

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