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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 21.04.2014

Ostern bringt in die Gänge
Predigt zu Apostelgeschichte 10:34a.36-43, verfasst von Rudolf Rengstorf

 

Liebe Gemeinde!

Auf den ersten Blick hat der Bibelabschnitt, über den heute gepredigt werden soll, mit Ostern gar nichts zu tun. Denn er spielt im Hause eines Mannes, der Jesus nicht gekannt hat und von seinem Tod auch nicht betroffen war.

Der Mann heißt Cornelius. Er war Hauptmann der römischen Besatzungsarmee in Cäsarea im nördlichen Palästina und genoss dort beträchtliches Ansehen. Zum einen, weil er in seinem Beruf beachtliches geleistet hatte: aufgrund von Tapferkeit, Organisationsgeschick und Menschenkenntnis war er vom einfachen Soldat bis in die Offiziersränge aufgestiegen und befehligte jetzt eine Kompanie im wichtigsten römischen Standort in Palästina Angesehen war er aber auch deshalb, weil er ein gutes Verhältnis zur einheimischen jüdischen Bevölkerung unterhielt. Er hatte Respekt vor einem Volk, das allen Nachbarn und auch der Weltmacht Rom zun Trotz nur einen Gott verehrte, alles in der Welt auf ihn zurückführte, alles von ihm erwartete und nur seinen Willen gelten ließ. Aus seinen Sympathien für die Juden machte Cornelius kein Hehl und kam ihnen entgegen, wo er nur konnte. Nicht zuletzt damit, dass er die Armen unter ihnen mit großherzigen Spenden unterstützte. Und mehr und mehr hatte er sich daran gewöhnt, seine Gedanken über das Leben auf den einen Gott zu richten und zu ihm zu beten. Von seiner Frömmigkeit war auch seine ganze Familie geprägt, selbst einige seiner Unteroffiziere tendierten zum Glauben an den einen Gott. Und auch seine römischen Bekannten und Freunde in der Stadt beschäftigten sich - angeregt durch Cornelius - mit der jüdischen Religion.

Doch da gabs auch unüberwindliche Hindernisse. Was half einem Römer die Sympathie für den einen Gott, wenn er auf Distanz bleiben musste zu ihm? Im Bunde mit Gott leben - das konnte man doch offenbar nur als Jude. Und Jude werden, Unterricht bei einem Rabbi nehmen, sich beschneiden lassen und die jüdische Lebensweise übernehmen - das kam für einen Römer im Dienst des Kaisers natürlich gar nicht in Frage, es sei denn, er verließe die Armee...undenkbar!

Aber vielleicht gab es doch einen Ausweg aus diesem Dilemma. So hatte das jedenfalls geklungen, als Cornelius Bekannte und Freunde in sein Haus eingeladen hatte. "Ich erwarte einen ganz besonderen Gast in meinem Haus", hatte er ausrichten lassen, "nämlich den Leiter dieser neuen Bewegung da unter den Juden, die sich Christen nennen. Ich hatte eine Eingebung, dass der uns weiterhelfen kann. Und so habe ich ihn, da er sich gerade in der Gegend aufhält, zu mir eingeladen."

Und der kam auch - immerhin der Vorgänger des Papstes. Nicht urbi et orbi, sondern ganz bescheiden in das Haus eines Einzelnen. Das war damals noch selbstverständlich. Was gar nicht selbstverständlich, sondern höchst aufsehenerregend war, ist dies, dass Petrus in das Haus eines Heiden kam, das für einen frommen Juden tabu war. Entsprechend voll war die Bude bei Cornelius. Alle waren gespannt darauf zu erfahren, was den Juden wohl zu seiner unerhörten Grenzüberschreitung veranlasst hatte.

Darauf antwortet Petrus mit einer Ansprache, die ich nun abschnittsweise mit Ihnen durchgehen möchte. Sie ist zu finden im 10, Kapitel der Apostelgeschichte::

Gott hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt
durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.
Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa
nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth
gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft, der ist umhergezogen
und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des
Teufels waren, denn Gott war mit ihm. (Vers 36-38)

„Ihr wisst", sagt Petrus und beginnt nicht mit dem, was Christen und Heiden von einander trennt, sondern mit dem, was sie miteinander verbindet, nämlich mit dem, was man von Jesus von Nazareth wissen kann. Es gibt einige Grundfakten von Jesus, die wissenschaftlich über jeden Zweifel erhaben sind, selbst von Atheisten nicht bestritten werden können und auch damals schon, als die Kirche eher noch als jüdische Sekte angesehen wurde, unter den Römern in Palästina bekannt waren. Grundfakten, die allem christlichen Glauben als Ausgangsbasis vorgegeben sind. Dass Jesus von Johannes getauft wurde und damit in der Tradition des jüdischen Volkes verwurzelt ist. Dass er seit seiner Taufe als Wanderprediger in Galiläa gewirkt, Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben hat und dass er im Namen Gottes Frieden gestiftet und zum Tun des Friedens verpflichtet hat. Ja, das wussten die Leute, die im Hause des römischen Hauptmanns Cornelius versammelt waren. Aus eigener Anschauung wussten die ja nur zu gut, wie sehr das jüdische Volk an sich zerrissen war zwischen denen, die nichts auf ihre Gesetze kommen ließen und mit Argusaugen über ihrer Einhaltung wachten, und denen, die mit der Religion ihrer Väter und Mütter nicht mehr viel anzufangen wussten wie Fischer, Hirten, Dirnen...Und dann erst der Gegensatz zwischen denen, die mit den Römern kollaborierten, wie die Zöllner, und denen, die sie als Partisanen bis aufs Messer bekämpften. Und natürlich war ihnen nicht verborgen geblieben, dass da einer ganz bewusst und aus tiefster religiöser Überzeugung zwischen die Fronten gegangen war und eine neue Gemeinschaft ins Leben gerufen hatte, in der Fischer, Bettler und Dirnen, Schriftgelehrte und Pharis„er, Zöllner und Partisanen zusammengeschlossen waren. Dass Gegensätze, die kein Mensch für überbrückbar hielt, ausgehalten und in eine Gemeinschaft einbezogen werden können - von diesem Faktum konnte die Missionspredigt des Petrus damals ausgehen. Das war wohl das aufsehenerregendste Merkmal der Christen.

Und wir, die nun ja auch zu ihnen gehören, wir müssen uns natürlich fragen: Ist diese Friedensfähigkeit, ist die Gemeinschaft von gesellschaftlichen und religiösen Kontrahenten das Erkennungsmerkmal christlicher Gemeinden geblieben? Oder sind wir eher eine Versammlung von Gleichgesinnten und Gleichsituierten? Dann würde es Zeit, dass wir uns die Grundvoraussetzungen des Glaubens wieder zueigen machten.

Doch hören wir mit den Corneliusleuten weiter dem Petrus zu:

"Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land
und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet.
Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen,
nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten
Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er
auferstanden war von den Toten. Und er hat uns geboten, dem Volk
zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum
Richter der Lebendenund der Toten." (Vers 39-42)

Vom allgemein Bekannten kommt Petrus zu dem, wofür nur Christen einstehen können, weil es jetzt um Erfahrungen geht, die nur sie gemacht haben und die nicht allgemein bekannt sind und als Fakten von jedermann akzeptiert werden müssen. Das gilt ja ohne Frage für den Glauben an die Auferstehung Jesu, an der sich die Geister schon immer geschieden haben.

Erstaunlicherweise gehört nach dem, was Petrus hier sagt, aber auch schon das Kreuz zu den nur den Zeugen Christi zugänglichen Erfahrungen. Dabei gehört der Kreuzestod Jesu doch zu den völlig gesicherten und unbestreitbaren Fakten, die jedem Glauben vorgegeben sind.

Doch gleichzeitig ist die Kreuzigung Jesu eine Erfahrung, die nur Christen zugänglich ist, also denen, die die Fakten über Jesus nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch mit ihnen zu leben versuchen, wie Petrus und die anderen Jünger das damals getan haben. Die Kreuzigung Jesu hat doch auch für sie selber zusammenbrechen lassen, was vorher war: die Heilungen, die Dämonenaustreibungen, die konfliktfähige und friedensbereite Gemeinschaft - mit der Kreuzigung Jesu wurden das Fakten der Vergangenheit, unbestreitbar wahr, aber vorbei: die Kranken blieben liegen, die Besessenen vergingen vor Angst, und die Friedensbewegung Jesu war in alle Winde zerstoben.

Eine Erfahrung, die nicht nur Petrus und seinen Leuten zugemutet wurde. Sie bleibt bis heute keinem erspart, der als Christ zu leben versucht. Das Kreuz ist für Christen nicht nur ein Faktum der Vergangenheit. Es wirft seinen Schatten über unsere Gegenwart: Eine Tatsache, die sich nur schwer vermarkten lässt. Aber es hilft nichts. Wo nur noch Hochglanz und kein Kreuzesschatten mehr zu erkennen ist, da hat Kirche sich aufgegeben.

Wenn das stimmt, wenn das Kreuz doch wieder zerstört, was Jesus an Neuem gebracht hat, wenn es dafür sorgt, dass letztlich alles unter uns Menschen beim Alten bleibt - warum ist Petrus dann in das Haus eines Heiden gegangen, und warum geht ein solcher Verein dann überhaupt noch in die Öffentlichkeit?

Weil Gott nicht im Bannkreis des Kreuzes steht und Jesus aus dem Tod herausgeholt hat. Nicht damit wir zu esoterischem Wissen kommen über das, was einmal nach dem Tode sein wird, sondern damit Bewegung kommt unter das Kreuz und wir uns nicht länger lähmen lassen vom Tod.

Darum kein Wort in dieser Predigt des ersten Auferstehungszeugen zu der Frage,

wie das denn nun mit dem Grab Jesu gewesen ist, ob es leer war oder voll. Erschienen ist er uns, sagt Petrus, gegessen und getrunken hat er mit uns, in die Gänge gebracht hat er uns, dass wir den Mund aufmachen und bezeugen: Er wird das letzte Wort haben zu jedem von uns, unabhängig davon, wie klein dich das Leben unter dem Kreuz gekriegt hat.

Und diese österliche Bewegung geht bis in unsere Kirchen hinein. Erschienen ist der Auferstandene natürlich auch uns, hätten wir sonst ein so deutliches Bild von einem Mann vor Augen, der vor zweitausend Jahren gekreuzigt wurde?

Und das Abendmahl wäre doch lange vergessen, wenn wir nicht die Erfahrung machten, dass er uns bei diesem Essen und Trinken in ganz besonderer Weise nahekommt.

Und gepredigt wird bei uns auch - nicht nur von den Pastoren. Was wären die ohne das Lebenszeugnis von Menschen, die sich vom Willen und dem Urteil Jesu leiten lassen!

Und was ist mit denjenigen von uns, die nicht sicher sind, ob sie nun glauben oder nicht - wie die Leute, die da im Hause des Kornelius noch auf der Suche waren?

So endet die Predigt des Petrus:

"Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle
die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen." (Vers 43)

Was sollen jetzt die Propheten hier noch? Nun, die stehen dafür, dass in der Welt nicht alles beim Alten bleibt.Sie stehen dafür, dass Gott seine Menschen und seine Schöpfung wieder hineinholt in den Bund des Friedens. Seit Jesus ist das nicht mehr reine Zukunftsmusik. Mit dem Frieden hat er angefangen - eine der unbestreitbaren Grundtatsachen seines Lebens, und mit der Sündenvergebung.

Ein Wort, von dem man oft meint, es gehöre in die Mottenkiste der Kirche. Dabei ist die Vergebung der Sünden der spektakulärste Vorgang, den die Kirche zu bieten hat. Denn mit ihr praktiziert sie weiter, was Jesus gelebt hat, was das Kreuz nicht totgekriegt hat und der eindruckvollste Anhaltspunkt für Ostern ist.

Mit der Sündenvergebung wird der Anfang der Friedensbewegung Jesu direkt in unser Leben übertragen - mit der Zusage: Lieber Mitmensch: was dich auch bekümmern mag, was für Probleme und Bedenken du auch vor dir herschieben magst: darauf hocken bleiben, dich dahinter verschanzen - das wäre ja wohl noch schöner. Dazu bist du nicht da. Denn dein Schöpfer hat noch etwas vor mit dir. Frieden und Heil schaffen will er für die Welt - und du sollst mit von der Partie sein. Zu fassen ist das nicht - Hauptsache, er kriegt dich dafür zu fassen. Und da kannst du sicher sein: ein Gott, der mit dem Tode Jesu fertig geworden ist, der wird es fertig bringen, dass auch du noch einfallen kannst in das österliche Halleluja! Amen.

 



Superintendent i.R. Rudolf Rengstorf
31141 Hildesheim
E-Mail: Rudolf.Rengstorf@online.de

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