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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis / Erntedankfest, 30.09.2007

Predigt zu Matthäus 6:19-23, verfasst von Karin Klement

Liebe Erntedank-Gemeinde!

(Vorab mit freien Worten ein DANK an die Kindergarten-Kinder, die mit ihrem Spiel das Thema Erntedankfest auf mehrdeutige Weise vor Augen führen. Gerade diese Kinder sind unsere kostbarsten Schätze! In einem unserer beiden Kindergärten wurde abgegeben, was die Menschen vor Ort und in ihren Gärten geerntet haben; es schmückt jetzt unseren Altar.)

Ungewohnt farbenprächtig, wie in einem erntereichen Garten sieht es heute in unserer Kirche aus: Dicke, leuchtend-orangefarbene Möhren strotzen vor Kraft und Fülle. Kürbis, fremdländische Gemüse (wie die Zucchinis) zeugen für einen regen Austausch mit den Früchten aus verschiedenen Ländern. Kartof­feln, rote Äpfel, Sonnenblu­men und die ersten Walnüsse sind auch schon dabei. Dazwischen liegt sogar eine Tafel Schokolade und süßer Brotaufstrich - und seien wir mal ehrlich, diese nur beschränkt natürlichen süßen Ess-Sachen sind uns nicht gerade die Unliebsten. Ich sehe auch Konserven und Marmeladengläser. Auf diese Weise werden Rohstoffe haltbar gemacht und können später noch gegessen werden.

Vor uns liegt etwas von dem, was wir Menschen ausgesät, gepflegt und geerntet, produziert und gesammelt haben. Zeichen für unseren Einsatz, unsere Arbeit, aber auch Zeichen für das, was zwar durch unsere Hände geht, doch letztendlich herkommt von Gott. Ohne seinen Segen wäre nichts gewachsen, ohne seinen Willen, wären all unsere Be­mühungen umsonst. Darum sagen wir Gott heute DANK für den kostbaren Reichtum, den wir Tag für Tag empfangen; für all das, von dem wir leben dürfen; für die Schätze der Erde und die Schätze unseres eigenen Lebens.

Es ist gut, dankbar zu sein und sich an den Früchten der Felder und der menschlichen Arbeit zu freuen. Es ist ebenso gut und wichtig, von dem, was übrig bleibt, et­was zu sammeln als Vorratshaltung für schlechte Zeiten.

Doch in alle Freude über die Fülle und den Überfluss, in dem wir leben, mischt sich Unsicherheit und Besorgnis: Sind die Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, überhaupt noch Gottes Gaben? Oder sind sie von Menschen manipulierte Industrieprodukte? Hochgezüchtet, genetisch verändert, ohne Rücksicht auf die letzten Konsequenzen, voller unbekannter Gefahren? Wir haben einerseits unsere natürliche Welt voll und ganz in Besitz genommen, ihre Schätze erweitert nach unseren Bedürfnissen und zu unserem Gewinn. Aber wir haben uns andererseits damit unüberschaubare Gefahren eingehandelt; und stehen vor der Frage: Worauf zielt unser wissenschaftlicher Fortschritt mit seinen ungeheuren Möglichkeiten, die uns ängstigen und zugleich notwendig erscheinen?

„Ihr sollt euch nicht SCHÄTZE sammeln auf Erden, wo sie unbeständig und vergänglich sind", mahnt JESUS.

Sollen wir ein schlechtes Gewissen bekommen, weil wir die irdischen Güter auskosten und genießen? Ich glaube nicht, dass es Jesus darum ging, uns die Freude daran zu verderben. Im Gegenteil, mit seinem Aufruf will er uns von einer gefährlichen Illusion/Täuschung befreien, zu der wir im Blick auf die irdischen Güter leicht neigen, und die uns gerade daran hindert, dass wir uns an die­sen Dingen wirklich erfreuen können.

Wie oft suchen wir nach Sicherung unserer Existenz ausschließlich mit unseren eigenen Möglichkeiten. Unser Herz ist der Erde verhaftet, ihren leuchtenden Schätzen, die unsere Augen (und manchmal auch den Verstand) blenden. Wir suchen festen Stand auf dieser bröckelig-wackeligen Erde, wo Motten, Rost und Diebstahl - natürlicher Schwund - ihre Stabilität längst durchlöchern.

Alle Dinge, die wir im Alltag benutzen, sind ver­gänglich. Die Früchte unserer Arbeit, unser Verdienst, das, was wir uns erworben haben und was wir besit­zen, alles - auch unser Leben - hat seine begrenzte Zeit. Weder materielle noch ideelle Dinge können uns eine Zukunft si­chern. Das wird uns nicht erst dann bewusst, wenn wir in den Medien kritische Wirtschaftsberichte lesen oder Katastrophen-Nachrichten wahrnehmen. Vielmehr rückt es uns unmittelbar auf den Leib, wenn persönliche Probleme auf uns einstürzen. Dann gerät unsere Selbstzufriedenheit ins Wanken, unsere Selbstsicherheit fällt in Schutt und Asche. Plötzlich nehmen wir wieder wahr, wie zerbrechlich das Leben ist - und das nicht nur für uns selbst; auch in der Welt. Mit einem Mal nehmen wir auch jene Nöte zur Kenntnis, unter denen andere leiden. Wir sehen Armut, Hunger, Unterdrückung und Gewalt, Menschen in der Dritten Welt, die nicht einmal das Minimum an Lebensnotwendigem haben. Beschämt erkennen wir unsere vergessene Mitverantwortung gegenüber allem, was in dieser Welt geschieht.

Eine durchaus auch heilsame Erschütterung, die uns die Augen öffnet für ganz andere Schätze, deren Wert wir in unseren Alltagsgeschäften fast übersehen hätten: Wie einmalig und kostbar das Leben ist; wie unbezahlbar Freundschaft, Beziehungen zu unseren Mitmenschen und Liebe. Schätze, die uns der Himmel schenkt, und die wir unverdienterweise, aber dankbar annehmen dürfen.

 „Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt" - witzelt ein schlauer Spruch. Aber hat er je gestimmt? Wir machen wohl eher beunruhigende Erfah­rungen mit unserem Reichtum. Die materiel­len Dinge beschränken unser Leben, weil sie uns miss­trauisch werden lassen gegenüber allen, die weniger besitzen. Heutzutage lässt wohl kaum einer seine Haustür offen stehen, wenn er kurz weggeht. Und man lässt auch keine Fremden allein in seiner Wohnung. Die Angst vor Einbrüchen und Diebstahl lässt uns nicht mehr ruhig schlafen. Krisenstimmung am Aktienmarkt, Kurseinbrüche und Angst vor dem Absturz entziehen uns den Boden unter den Füßen. Das Streben nach gesteigertem Wohl­stand spielt in unserer Gesellschaft eine verhängnis­volle Rolle. Der Götze Mammon soll uns glücklich machen. Stattdessen wachsen Sorgen, Misstrauen, Egois­mus und Einsamkeit.

JESUS will uns mit seinen Worten die Augen öffnen. Er warnt vor einer Blindheit, die meint sich allein auf den Besitz verlassen zu können. Er verweist auf das Haltbarkeitsdatum jener irdischen Dinge, die uns oftmals so enorm wichtig sind. Er zeigt uns an, wann diese Dinge ungenießbar wer­den: nämlich dann, wenn wir unser Herz daran verlieren; wenn wir äußerlich und innerlich von ihnen abhängig werden. Dann bezahlen wir sie mit unserer Freiheit.

Die Kostbarkeiten dieser Erde sind lediglich „Gebrauchsgegenstände"; sie dienen uns und nutzen allen, die davon leben. Gott hat sie nicht gegen uns, sondern uns zu Gute geschaffen. Und er hat uns beauftragt, Helfer bei ihrer Erhaltung zu sein. Auch für Gott gilt, dass sein Herz dort ist, wo sein Schatz ist. WIR Menschen sind sein Schatz. Was liegt also näher, als dass wir unsere Herzen nicht an irgendwelche gemachten Dingen verschwenden, sondern Gott in die Hand legen, der uns sein Herz schenkt!

Schätze im Himmel können all das sein, was uns hilft, in dieser Welt gemeinschaftlich, friedvoll und fürsorglich zusammenleben: z.B. Ein offenes Herz für einander zu haben, freundliche Worte auszusprechen, mit helfenden Händen einander beizustehen. Schätze im Himmel, das sind diakoni­sche Werke, Dienste an unseren Nächsten, die uns brauchen.

JESUS beschreibt ganz konkret, welche Schätze uns in Herz und Hand gelegt sind: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern (und Schwestern), das habt ihr mir getan:

z.B.

- Hunger und Durst unseres Nächsten zu stillen, überall dort, wo er uns begegnet;

- Fremde bei sich aufzunehmen, ihnen Türen und Herzen zu öffnen;

- die Unbekleideten zu umhüllen; sie nicht bloßstellen zu las­sen;

- die Kranken zu besuchen

- und jene, die im Gefängnis sitzen, nicht zu vergessen, vielmehr sie aufzusuchen.

All das sind Beispiele für das, wovon wir und andere leben können. Beispiele für die unvergänglichen Schätze des Himmels, für das, was eine unzerstörbare Grundlage unseres Lebens ist.

Menschen, die ihr Herz nicht materiellen Din­gen über­lassen, sondern für ihre Mitmenschen da sind, sammeln nicht nur einen Schatz im Himmel. Sie genie­ßen auch für sich selbst ein sinnerfülltes Leben. So können sie dankbar leben und zufrieden. Diese heilsame und erntereiche Erfahrung wünsche ich Euch Heranwachsenden genauso, wie uns allen!         

AMEN



Pastorin Karin Klement
Göttingen
E-Mail: Karin.Klement@evlka.de

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