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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht, 20.04.2014

Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten (V8a).
Predigt zu 2. Timotheus 2:8a (8b-13), verfasst von Christiane Borchers

 

Liebe Gemeinde!

Gelitten, gekreuzigt, gestorben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden.

Noch ist nicht Auferstehung, noch ist nicht Ostern, noch scheint uns die Sonne nicht.
Noch sind Tod, Finsternis und Nacht.

....hinabgestiegen in das Reich des Todes..... Christus befindet sich im Totenreich, von dem kein Mensch weiß wie es dort ist. Aber wir vertrauen darauf, dass es keinen Bereich gibt, wo Gott nicht ist. "Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da", spricht der Psalmbeter in Psalm 139. Er ist in große Not geraten, er befindet sich in der Nacht seines Lebens. Er wird angeklagt wegen einer nicht näher benannten Sache. "Prüfe mich und erkenne mein Herz und sieh, wie ich es meine", fleht er zu seinem Gott, der ihm Abhilfe verschaffen soll aus seiner schwierigen Lage. Er wartet auf das Gottesurteil, damit ihm Gerechtigkeit widerfährt. Die Nacht der Anfechtung verbringt er im Tempel, nebenan seine Widersacher, die Priester, die ihn verurteilen wollen. Er wartet, dass die Nacht vorübergeht. Mit dem Aufgang der Sonne wird Gott dafür sorgen, damit offenbar wird, dass er zu Unrecht beschuldigt worden ist. Die Sonne bringt die Wahrheit an den Tag. Doch noch ist Nacht. Mit seiner Verzweiflung sitzt er wie in einem Kerker, klammert sich an Gott und seine Gerechtigkeit, wartet sehnsüchtig auf den Morgen.

Meine Seele wartet auf Gott,
mehr als die Wächter auf den Morgen,
mehr als die Wächter auf den Morgen (Ps 130,6).

Die Wächter auf der Zinne der Stadtmauer halten Wache in der Nacht, ob nicht etwa der Feind angreift und die Stadt rechtzeitig gewarnt werden muss. Die Wächter warten auf den Anbruch des Tages. Feindliche Angriffe geschehen zumeist in den frühen Morgenstunden, wenn die Nacht im Schwinden ist und der Tag noch nicht begonnen hat.

Noch ist Finsternis, noch ist nicht Ostern, noch leidet die Seele Not, noch sind Schweigen und Tod.

Karfreitag liegt hinter uns, die körperlichen Leiden hat Jesus überwunden. "Es ist vollbracht", sagt er in der Überlieferung des Johannes-Evangeliums (Joh 19,30), als er verstirbt. So schwer das alles ist, was geschehen ist, - seine Gefangennahme, das Verhör vor dem Hohen Rat, die Verurteilung, die Vollstreckung des Urteils, das Martyrium am Kreuz - so stellt sich doch ein Gefühl der Erleichterung ein, als er diese Qualen überwunden hat. Er ist erlöst von seinem Leiden. Wenn die Kraft zu Ende geht, ist Erlösung eine Gnade. Jesus starb keines natürlichen Todes, sein Leiden und Sterben wurden von Menschen herbeigeführt. Sie trachteten ihm nach dem Leben und kreuzigten den Gottessohn.

Finsternis kam über Golgatha; Finsternis kommt über Menschen, die heute in tiefe Not geraten, die verhöhnt und verspottet werden wie Jesus. Auch heute werden Menschen gemartert und gefangen genommen. Hilflos sind sie der Willkür der Mächtigen ausgeliefert. Das löst Angst aus und führt in die Verzweiflung. Weltweit werden Menschen geschunden, ihrer Freiheit und ihrer Würde beraubt. Weltweit werden Menschen Obdach und Heimat verweigert - wie Jesus, der keine Stelle hatte, wohin er sein Haupt legen konnte.

Menschen erfahren Nacht und Finsternis: Ein Kind wird sich selbst überlassen; alte Menschen haben keine Perspektive, auf jungen Menschen lastet hoher Druck, Erwachsene finden in der Nacht keine Ruhe, weil ein Kummer sie quält. Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit haben viele Gesichter, existieren auch in den reichen Industrieländern. Hinabgestiegen in das Reich des Todes.... Nacht über Golgatha, Nacht über Menschen, die in ihrer Not allein gelassen werden, Nacht über Menschen, die nicht wissen, wie es für sie weiter gehen soll.

"Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten", tröstet der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus. Paulus sieht seinen eigenen Tod vor Augen. Er ist gefangen wie ein Übeltäter, schreibt er, aber das Evangelium ist frei. Er erinnert sich selbst daran, dass es beim Tod Jesu nicht geblieben ist, so als ob er sich selber Mut zusprechen wolle, an das Leben zu glauben. Mehreren Jüngern ist der Auferstandene erschienen; ihm selbst auf dem Weg nach Damaskus. Danach noch 50 weiteren. "Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten." Das Bekenntnis zu Jesus, die Erinnerung an ihn und an seine Auferstehung geben ihm Mut und Kraft, an Gott festzuhalten. Er verkündet trotz aller Widrigkeiten und körperlicher Leiden auch weiterhin Gottes Botschaft. Jene Worte des Paulus sind ein Vermächtnis an alle, die um des Evangeliums willen leiden.

Vor Auferstehung geschieht Tod,
bevor der neue Morgen anbricht, ist Finsternis,
ehe die Sonne aufgeht, ist Dunkelheit.

Bevor Jesus aufersteht, ist er im Totenreich. Auch für Jesus gibt es keinen Bereich, den er nicht durchschritten hätte: sei es im Himmel, sei es auf der Erde oder unter der Erde. Jesus kehrt in das Reich des Todes ein wie die Menschen, die uns im Tod vorangegangen sind, wohin auch wir gelangen werden, wenn unsere Zeit sich auf Erden erfüllt hat. Gott ruft uns ins irdische Leben, er ruft uns in das Reich des Todes, er wird uns auch in sein Himmelreich rufen. Gott hat Macht über das, was oben im Himmel, was unten auf Erden und was unter der Erde ist. Jesus hat Anteil an göttlicher Macht. Er ist - wie Gott - überall gegenwärtig. Der erste Petrusbrief berichtet, dass Jesus den Toten im Totenreich das Evangelium verkündet (1. Petr. 3,19f; 4,6).

Drei Tage verweilt Jona im Bauch des Fisches,
drei Tage bleibt Jesus bei den Toten.
Die Zahl Drei ist eine symbolische Zahl, die für Vollendung steht. Es kommt etwas zum Abschluss.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.
Erst wenn die Zeit reif ist und sich erfüllt hat, was zur Vollendung kommen soll, tritt es hervor und wird offenbar,
gleich einem Kind im Mutterleib, bevor es das Licht der Welt erblickt. Erst ist Dunkelheit, dann Licht.

"Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten." Mit dem Anbruch des Tages ist die Nacht überwunden, die Finsternis weicht dem Licht. Rettung ist im Ersten Testament längst vorbereitet. Zum Zeichen des Bundes mit den Menschen und der gesamten Kreatur hat Gott den Bogen an das Himmelsfirmament gesetzt. Im Anfang der Welt schuf Gott das Licht. Ohne Licht ist Schöpfung und Neuwerdung nicht möglich.

Im Dunkel der Nacht ist das Volk Israel aus der Sklaverei aus Ägypten aufgebrochen in die Freiheit. Gott hat sein Volk geführt durch die Hand des Mose, geleitet am Tage mit einer Wolkensäule, in der Nacht mit einer Feuersäule.

Gott ist Sonne und Schild (Ps 84,12), er rettet aus Not und Bedrängnis.

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die im Finstern wohnen, scheint es hell (Jes 9,1).

Der Lichtglanz von Bethlehem scheint in der Heiligen Nacht, als der Erlöser der Welt selbst das Licht der Welt erblickt.

Als Erwachsener wird Jesus die Worte sprechen: Ich bin das Licht der Welt.
Das Totenreich ist kein Reich von ewiger Dauer.
Wie die Nacht dem Tage weichen muss,
so weicht der Tod dem Leben.

Haltet das Gedächtnis an Jesus Christus wach, der auferstanden ist von den Toten!
Die Nacht hofft auf Licht, bis die Morgenröte anbricht (Hiob 34,9).
Brich an, du schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen (EG 33,1)!
Die Sonne geht auf, der Tag bricht an.
Die Nacht der Finsternis und Pein ist vorüber.
Dies ist die Nacht, in der Christus von den Toten auferstand.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Die Ostersonne leuchtet uns. Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Am Ostermorgen, an dem Jesus auferstand, erinnern wir uns daran, dass wir getauft sind. Wir sind eingetaucht in seinen Tod und werden mit ihm auferstehen (vgl. Röm 6,3f). Durch die Taufe gehören wir zu Christus, haben Anteil an seinem Sterben und seinem Leben. Das Leben überwindet den Tod. Mit Christus wollen wir aufstehen gegen Not und gewaltsamen Tod, gegen Folter und Leiden, gegen Zweifel und Anfechtung, gegen Schmähung und Ungerechtigkeit. Mit Jesus stehen wir auf für das Leben und halten im Gedächtnis fest, dass er am dritten Tag von den Toten auferstanden ist. Amen.

 



Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers
26721 Emden
E-Mail: christiane.borchers@web.de

Bemerkung:
EG 100: Wir wollen alle fröhlich sein, in dieser österlichen Zeit


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