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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 21.04.2014

Predigt zu Apostelgeschichte 10:34-43, verfasst von Ulrich Nembach

 

„Der Herr ist auferstanden. – Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Liebe Gemeinde,

mit diesem alten Gruß, mit dem sich Christen zu Ostern begrüßen, ist alles gesagt. Alles, was unser Glaube ist.

Der Herr ist auferstanden. Das bekennen wir. Das ist der Inhalt unseres Glaubens, kurz gefasst. Als Gruß sagen wir es anderen weiter. Und die Anderen bekräftigen den Glauben: Er ist wahrhaftig auferstanden. Diese Bekräftigung macht zugleich deutlich, was unser Problem ist. Ist Jesus Christus wirklich auferstanden?

Vor unserer Kirche hier liegt der Friedhof. Der Eingang der Kirche ist so angelegt, dass wir an Gräbern vorbeikommen. Wir sehen die Grabsteine und die Hügel der Gräber. Sprechen die Gräber nicht eine deutliche Sprache? Zeigen sie nicht die Macht des Todes? Der Tod beendet das Leben von uns Menschen. Der Tod hält die Toten fest in den Gräbern.

Diese Macht des Todes ist unser Problem. Um den Zeitpunkt des Todes wenigstens hinauszuschieben, haben wir ein gewaltiges Gesundheitswesen aufgebaut, zahlen wir dafür riesigen Geldsummen, arbeiten zahlreiche Menschen in Kliniken und Arztpraxen.

Die Macht des Todes war auch das Problem der ersten Menschen, die von Jesu Auferstehung erfuhren. Es waren die Frauen am Grab Jesu. Als sie hörten, dass er auferstanden ist, flohen sie, die Angst packte sie. Sie liefen zu den Männern, den Jüngern Jesu. Diese wurden aufgeschreckt. Manche rannten aufgeregt zum Grab.

Heute schieben nicht Wenige Ostern einfach beiseite. Ein Spaziergang, ein Ausflug, wenn das Wetter schön ist, lassen vergessen, was Ostern ist, nämlich die Auferstehung Jesu von den Toten, d.h. der Sieg über den Tod.

Anders ist die Situation unseres Predigttextes. Menschen haben von Jesus Christus gehört und wollen Christen werden. Da hält Petrus ihnen eine Predigt, um sie zu informieren. Es sind Menschen – aus heutiger Sicht gesagt – Menschen, die in die Kirche eintreten wollen. Sie müssen und sollen wissen, auf was sie sich einlassen.

Hören Sie den Predigttext. Ich lese Act. 10, 34a. 36-43.

34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach:
36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.
37 Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte,
38 wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.
39 Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet.
40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen,
41 nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten.
42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten.
43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.

1.

Petrus schildert mit wenigen Worten das Leben Jesu Christi. Er und die anderen Jünger haben alles miterlebt, was er nun weitersagt. Petrus ist ein Zeitzeuge und stellt das Erlebte dar. Ehe er aber zur Schilderung von Einzelheiten kommt, schickt er ein Vorwort voraus. Petrus sagt:

Er [= Gott] hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.“ Jesus wird mit diesen Worten vorgestellt. Damit ist gleich von Anfang an klar, wer Jesus ist und warum Jesus gekommen ist. Es geht um das Wort Gottes, das Gott an Israel gerichtet hat, und es geht um Frieden. Beides bringt Jesus mit.

Das Wort Gottes ist ein gewaltiges Wort. Es hat einst die Welt erschaffen. Gott sprach: „Er werde Licht“, und es wurde Licht, heißt es gleich am Anfang der Bibel im Schöpfungsbericht (Gen. 1,3). Von dem Licht leben wir noch heute, wir, die Menschen, die Tiere, die Pflanzen. Wir Deutsche sehen jetzt, in diesen Tagen, wie die Bäume ausschlagen, wie die Blumen erblühen. Es ist Frühling und die Sonne scheint länger. Das an Israel gerichtete Wort war Jesus. Er wurde in Israel geboren, lebte in Israel, predigte in Israel. Und es geht um Frieden.

Was Frieden bedeutet, erleben wir gerade in Palästina. Die Friedensgespräche zwischen Israel und den Arabern drohen zu scheitern. Das Land ist geteilt. Zäune ziehen sich durch das Land, trennen Menschen. Was Frieden bedeutet, erleben wir in der Ukraine, in Syrien, in Afrika. Wir Deutsche waren froh 1945, als die Waffen schwiegen, die Bomben nicht mehr fielen, als Tiefflieger nicht mehr auf alles schossen, was sich bewegte!

Der Friede Gottes meint noch mehr. Es geht auch um den Frieden in Schulen, am Arbeitsplatz, in Familien. Ja, um den Frieden zwischen Gott und Menschen.

Wir tun meistens so, als ob alles zwischen uns und Gott in Ordnung wäre. Wir reden vom „lieben Gott“. Dass Gott der Herr ist, vergessen wir. Dass er die Welt geschaffen hat, vergessen wir. Wir freuen uns, wenn Astronomen etwas Neues im Universum entdeckt haben. Das Entdeckte existiert schon lange, Jahrmillionen; nun wurde es entdeckt, und das macht uns stolz. Es ist schön, mit einem Smartphone zu telefonieren, mit einem iPad Nachrichten auszutauschen, aber etwas Anderes ist es, ein Smartphone oder iPad zu konstruieren, gar zu erfinden. Und was ist es erst, ein Universum zu schaffen?! Gott schuf es.

Um diesen Gott geht es in unserem Text. Er, Gott, verkündet Frieden. Das ist der umfassende Friede. Der Friede zwischen uns Menschen und zwischen Gott und uns Menschen. Diesen Frieden meinen wir, wenn wir in der Kirche von Frieden sprechen. Es ist ein Friede, den wir uns gar nicht richtig vorstellen können.

Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal richtig hingehört haben, wenn wir den Segen von der Kanzel sprechen. Nach der Predigt spenden wir diesen Segen. Vielleicht sind Sie nach der Predigt zu erschöpft, um hinzuhören. Dieser Segen ist ein besonderer. Er ist unfassbar weit. Er lautet:

„Der Friede Gottes,
welcher höher ist als alle Vernunft,
sei mit uns allen.“

Der Friede reicht weiter als unsere Vernunft. Dabei sind wir stolz auf unsere Vernunft. Wir können auch stolz sein. Was haben wir alles erreicht? Wir fliegen in Europa, ja der Welt herum. Wir sind sauer, wenn Piloten streiken und wir nicht fliegen können. Vor 100 Jahren, vor nur 100 Jahren, war das unmöglich. Die Medizin machte Fortschritte. Die Menschen leben länger.

In unserer Universitätsklinik ist eine Kapelle. Dort liegt ein großes, dickes Buch aus. Es ist gut sichtbar. Es liegt gleich im Eingangsbereich. In dieses Buch können Menschen ihre Gedanken zu Gott hineinschreiben. Das tun viele Menschen. Sie machen nicht viele Worte. So ca. 10 Zeilen sind die Einträge lang. Vier Worte werden am meisten benutzt. „Danke, Gott“ und „Bitte, Gott“. Viele danken.

Einer bat Gott. Er bat ihn ganz dringend. Er fragte verzweifelt: „ Gott, was soll ich ohne meine Frau machen?! Bitte lass sie gesund werden!“ Trotz aller Forstschritte ist die Medizin manchmal am Ende. Darum geht es Ostern, um das Ende des Todes. Der Friede Gottes mit den Menschen schließt ein, dass der Tod uns Menschen nicht mehr von Gott und nicht mehr von dem Leben trennt, wenn auch weiterhin gestorben wird.

2.

Darum kam Jesus. Petrus schildert das Leben Jesu. Gott begleitete Jesus. Gott war bei Jesu Taufe dabei. Gott hat Jesus von den Toten auferweckt. Petrus und die anderen Jünger haben alles miterlebt. Mit knappen Worten schildert Petrus das Erlebte. Dann fügt Petrus wichtige Worte hinzu. Er sagt:

42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten.
 43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.

Was uns betrifft, wir haben das alles schon öfters gehört. Ostern findet alle Jahre statt. Nur was Ostern heißt – haben wir das auch begriffen? Verstehen wir, was Petrus sagt? Verstehen wir die Auferstehung und Jesus als Richter und die Vergebung der Sünden, der Barriere zwischen Gott und den Menschen?

Der Friedhof vor der Kirche spricht eine deutliche Sprache. Ich wies schon darauf hin. Wir spenden von der Kanzel als Segen den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Auch darauf wies ich hin.

Wenn das so ist – und es ist so –, dann haben wir Probleme, die Auferstehung zu verstehen.

Ich versuchte einen Weg zu finden, sie dennoch zu verstehen, wenigstens ansatzweise. Dabei kam ich auf die Idee, im Gesangbuch nachzuschauen. Die Lieder stammen aus vielen Jahrhunderten. Die Auferstehung fand vor fast 2.000 Jahren statt. Das Gesangbuch ist also eine Sammlung von 2.000 Jahren Erfahrung. Und das Ganze in einem Buch zusammengestellt. Außerdem haben wir das Buch zur Hand.

Luther machte das ähnlich. Gleich mehrere Osterlieder von ihm stehen im Gesangbauch. Er greift beim Dichten der Verse auf ältere Lieder zurück.
Schlagen Sie bitte Lied Nr. 101 auf und lassen Sie uns das Lied gemeinsam singen.

Lied 101, 1-7.

Zwei Dinge sagt Luther: „Christ lag in Todesbanden.“ Das ist vorbei. Darum fordert Luther anschließend zum Singen auf: „Des wir sollen fröhlich sein. Gott loben und dankbar sein.“

Luther lobt Gott! Er dankt ihm. Luther tut dasselbe, was Menschen in der Kapelle der Universitätsklinik taten, als sie ihren Dank in das ausliegende Buch schrieben. Sie sagen Gott Dank für seine Hilfe. Der Dank Luthers reicht allerdings erheblich weiter. Luther dankt Gott, dass er Jesus von den Toten auferweckte! Mit unserem Gesang haben wir uns Luther angeschlossen und Gott gedankt.

3.

Wie feiern wir Ostern? Erstens müssen wir uns klar werden, dass Gott mit uns Frieden macht und dass sein Friede höher ist als unsere Vernunft. Das ist nicht leicht, weil eben die Grenzen unserer Vernunft überschritten werden. Diese Grenze zu überschreiten – einem Universitätsprofessor fällt das nicht leicht. Er arbeitet mit vernünftigen Gründen. Aussagen müssen sich überprüfen lassen anhand logischer Überlegungen.

Es fällt uns modernen Menschen insgesamt nicht leicht. Wir leben und arbeiten täglich mit unserer Vernunft. In der Schule, am Arbeitsplatz ist sie gefordert. Die Erfolge der Medizin wären ohne Vernunft nicht möglich.

Andererseits gibt es einen großen Bereich, in dem die Vernunft kaum, meistens gar nicht zählt. Das ist die Liebe. Menschen heiraten. Paare drängen sich gerade um schöne Hochzeitstermine. Dabei wissen alle um hohe Scheidungsraten. Die Zahl der Scheidungen im Vergleich zu den Eheschließungen in Deutschland lag 2012 nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 46,24 Prozent (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Bevoelkerung/lrbev06.html). Dennoch heiraten die Deutschen wie die Menschen in anderen Ländern auch. Dort gibt es zum Teil ähnliche Scheidungsraten. Bei der Liebe spielt die Vernunft zumindest nicht die erste Geige.

Neben den Liederdichtern und der Liebe gibt es noch ein Drittes, was uns die Auferstehung nahe bringt, vor Augen führt. Draußen auf dem Friedhof vor der Kirchentür steht ein Kreuz. Eine Familie hat es errichten lassen. Das Kreuz steht vor der Kirche. Sie bildet den Hintergrund. Die Familie, die das Kreuz errichten ließ, verwies auf die Kirche. Sie lehrt uns zu hoffen. Jeder kann das sehen.

Paulus wird noch deutlicher. Ja, er ist geradezu begeistert. Er schreibt nämlich an die Gemeinde in Korinth:

                             „Der Tod ist verschlungen vom Sieg.
                       Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“
(1. Kor. 15,55).

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Amen


Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, sei mit uns allen. Amen

Wir singen das Lied: 100 EG



Prof.Dr.Dr. Ulrich Nembach
Goettingen
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