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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Ostern: Exaudi, 01.06.2014

In der Hoffnung gründend
Predigt zu Römer 8:26-30, verfasst von Stefan Knobloch

 

Es ist eigentlich schade, dass aus der Lesung Röm 8,26-30 nicht deutlich wird, welcher Grundakkord, welcher basso continuo ihr zugrunde liegt. Wir hören ihn nicht mit. Es ist der Grundakkord der Hoffnung, der Hoffnung auf die in Jesus ins Werk gesetzte Erlösung. Freilich kann Paulus, so wenig wie wir das können, diese ins Werk gesetzte Erlösung gegenständlich vorzeigen. Er kann nicht sagen: Hier, das ist sie! Schaut sie euch von allen Seiten her an! Nein, so verhält es sich mit ihr nicht. Die Wirklichkeit der Erlösung ist nur zu begreifen in der Haltung der Hoffnung. Was aber nicht heißt, sie gelte einem menschlichen Phantasieprodukt. Sie verdankt ihren Wirklichkeitscharakter der Heilsgeschichte Gottes mit der Welt, nicht menschlicher Phantasie. Da wäre sie längst wie eine Seifenblase zerplatzt.

Wir sind gerettet, sagt Paulus. Zugänglich aber wird diese Rettung der im Glauben begründeten Hoffnung. Diese Hoffnung aber hat es an sich, dass sie den Menschen - so bringt es die Lesung auf den Punkt - überfordert. Wir können diese Hoffnung nicht aus eigener Kraft erbringen. Wir seien für diese Hoffnung zu schwach. In unserer Schwäche aber lasse uns Gott nicht im Stich, so Paulus.

Im Bild der schwachen Hoffnung spricht Paulus, sehr modern, im Grunde von unserer Glaubenssituation. Er begnügt sich aber nicht damit zu sagen, so sei das eben mit der Glaubensexistenz des Menschen. Paulus fordert uns gewissermaßen heraus, indem er davon zu sprechen wagt, dass Gott und nicht wir der Hauptakteur auf dem Feld des Glaubens, des Hoffnungsglaubens sind. Dieser Gedanke des Paulus mag uns befremden, er mag für uns etwas Abstoßendes an sich haben. Für Paulus aber steht er so im Zentrum, dass er ihm ungleich wichtiger ist als sein Hinweis auf die Schwäche unserer Hoffnung: Unsere Einlassung auf das Heilswerk Jesu werde vom Geist Gottes mitgetragen und gestützt! Dadurch blüht zwar unsere Hoffnung nicht gleich einem Magnolienbaum im Frühling auf, ihre Schwäche bleibt. Aber sie erhält, bildlich gesprochen, Infusionen durch Gott.

Paulus bringt das auf sehr eindrückliche Weise zur Geltung. Er macht uns darauf aufmerksam, dass das Heilswerk der Erlösung uns nicht so zugänglich sein kann, dass wir es letztlich verstünden. Wir wüssten von uns her gar nicht, so sagt er, wie wir das Feld unserer Glaubenshoffnung hegen und bestellen sollten. Wir wüssten nicht, wonach wir in unserer Gottesbeziehung wirklich ausgreifen. Da komme uns Gottes Geist zu Hilfe. Er unterstütze uns mit nicht mehr in Worte zu fassenden Stoßseufzern. Ein ansprechendes Bild: die nicht mehr in Worte zu fassenden Seufzer als Ausdruck des Glaubens! Der Geist Gottes wird zum Sprachorgan unserer Sprachlosigkeit, er trägt unsere wortlosen Seufzer vor Gott. Paulus legt auf diesen Aspekt großen Wert, dass der Heilige Geist unser Seufzen vor Gott trägt.

Der Glaube gibt sich nicht mit der Losung Ludwig Wittgensteins zufrieden, dass man, worüber man nicht sprechen kann, schweigen müsse. Für den Glauben gibt es etwas über das Schweigen hinaus. Es gibt einen Zugang zum Heilswerk Christi im sprachlosen Seufzen, das kein Ausdruck der Verzweiflung, sondern Ausdruck der Hoffnung auf die Verlässlichkeit Gottes ist. Gewissermaßen ein Seufzen aus dem tiefen Grund des Glaubens.

Aus dieser menschlichen Sprachlosigkeit, aus der der Geist Gottes die Sprache des Seufzens und des Vertrauens formt, erwächst, so sagt Paulus, das Wissen, erwächst die Glaubensgewissheit, dass die menschliche Hoffnung auf Gott begründet ist. Sie läuft nicht ins Leere, auch wenn sie in ihren Inhalten nicht präzise in Worte zu fassen ist.

Paulus fasst sie gleichwohl in Worte. Er sagt, dass sich bei denen, die Gott lieben, alles zum Guten wende. Wie meint er das, möchte man hier nachfragen? Schraubt er hier seine Ansprüche plötzlich auf menschliche Maße zurück? In dem Sinn, es werde im Leben eines Menschen schon alles gutgehen? Dann hätte Paulus sein Thema der Hoffnung verraten und vergessen.

Das ist sicher nicht der Fall. Paulus bleibt seinem Anliegen, das ihn drängt, treu. Er fasst es in Sätze, denen wir allerdings nur folgen können, wenn wir sie konsequent aus seiner Perspektive der Hoffnung lesen. Er formuliert für uns ungewohnt schwierige Sätze, die nicht darauf zielen, dass wir kopfschüttelnd von Paulus Abstand nehmen. Sie zielen darauf, dass unsere Glaubenshoffnung, unsere von Gottes Geist gestützte Hoffnung, sicherer und gefestigter werde.

Paulus entwickelt einen Gedankengang, den wir gründlich missverstehen würden, ja, den wir gänzlich verfehlten und in sein Gegenteil verkehrten, würden wir ihn in Zusammenhang bringen mit der Sicht einer göttlichen Vorherbestimmung, einer göttlichen Prädestination, die für die Würde der Freiheit und der Verantwortung des Menschen keinen Raum ließe. Das liegt Paulus vollkommen fern. Ihm geht es um eine narrativ erläuternde Begründung der Hoffnung auf das Heilswerk Jesu.

Gott habe Jesus zum Erstgeborenen vieler Brüder gemacht. Damit seien die Menschen in die Wirklichkeit des Sohnes hineingenommen worden. Gott habe ihnen Anteil am Bild seines Sohnes gegeben. Und damit nicht nur am Bild des Sohnes, sondern, weil der Sohn Abbild des Vaters ist, auch am Bild des Vaters. Das blieb kein göttliches Gedankenspiel. Das setzte Gott ins Werk, heilsgeschichtlich gesehen korrekter gesagt, das vollendete Gott in der Menschwerdung seines Sohnes. In ihm berief er Menschen, in ihm und seinem Wirken richtete er ihr Leben auf (er rechtfertigte sie), in ihm „verherrlichte" er sie, indem sie Anteil an der Wirklichkeit des Auferstandenen erhielten. An einer Wirklichkeit, in der sie wie in Geburtswehen liegen (vgl. Röm 8,22).

Genau besehen, entwickelte Paulus diese Gedanken gewiss im Blick auf Menschen, die Gott lieben, die zum Glauben an die Botschaft Jesu gekommen waren. Sie hatte er in seinem Brief an die Römer vor Augen. Ihnen wollte er den Grund ihrer Hoffnung verdeutlichen. Aber da schwingt von Anfang an mehr mit. Wir dürfen hier keine gedankliche Zäsur eintragen, als gelte die Hoffnungsbotschaft Jesu nur „vorherbestimmten Auserwählten". Die Wirklichkeit des Reiches Gottes umfasst alle Menschen, auf welch unterschiedlichen Wegen, in welch unterschiedlichen Kulturen, in welch unterschiedlichen Religionen er sich ihnen auch immer offenbart. In dieser Vielfalt des Lebens verstehen sich christliche Konfessionen und Glaubensgemeinschaften, verstehen sich Kirchen als Hoffnungsträger, die bereit sind, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt" (1 Petr 3,15). Wobei das nicht überspringt, dass letztlich die Hoffnung des Glaubens nicht einfach in Worte zu fassen ist. Sie ist zu bezeugen, und sei es in der Weise der Geburtswehen.




Prof. Dr. em. Stefan Knobloch
94036 Passau
E-Mail: dr.stefan.knobloch@t-online.de

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