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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Ostern: Exaudi, 01.06.2014

Predigt zu Römer 8:26-30, verfasst von Jörg Coburger

 

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr ( nach EG 382 )

Das ist sie wieder,
die Atemlosigkeit des Römerbriefes.
Sein Staunen und Raunen,
der Römerbrief - Paulus in flagranti
behutsame fremde Kraft,
als wär´s ein Stück von mir
Seele der Kirche, heilender Geist.
Ohne Punkt und Komma Glauben beten.
Da ist es wieder, das österliche Siegeslied im 8. Kapitel.
Eine Perlenkette aus Emotion und Intellekt,
Glaubens- ABC, Buchstabieren wie in der 1. Klasse.

Unsere Schwestern und Brüder in Abraham ( Kap. 9-11 ),
dem Vater aller Glaubenden ( Kap. 4) sind mit dabei.
Da ist es wieder, das verminte Gelände Römerbrief
Und der Schlagabtausch zwischen denen,
die sich wohl immer an Jesus mit Geist betrinken wollen,
und sich dabei auf Römer 8 berufen;
denen, die bezeugen, auch Nüchternheit ist ein Charisma,
und sich dabei auf Römer 8 berufen,
denen, die sagen, wir können nichts tun,
und sich dabei auf Römer 8 berufen,
und denen, die sagen, Gott macht nicht unsere Hausaufgaben,
und sich dabei auf Römer 8 berufen,
denen, die die jeweils anderen als Kirchenchristen stigmatisieren
und sich dabei auf Römer 8 berufen
und denen, die warnen, das simul nicht zu vergessen,
weil sonst die Kirche zwangsläufig zur Sekte wird;
da ist er wieder, der Schlagabtausch zwischen denen,
die das Mengenwachstum im Glauben
gegen einen Tiefenwachstum im Glauben ausstechen wollen
und sie alle berufen sich vor allem auf Römer 8.

Da ist sie wieder, die angebliche charismatische Pipeline
Von Petrus einst bis Franziskus heute,
wer weiß, wo die Leitung leckt
und vieles entweicht.

Paulus macht Mut zu Zwischentönen.
Auf seinem Programm stehen keine Worte wie:
Echtes Beten
Echtes Bibellesen
Echter Glaube
Echte Nachfolge.
Töne einer nervös gewordenen Gemeinde.
Und wir werden staunen oder vielleicht auch trauern.
„Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn" -
so hat mich das als junger Mensch erschüttert, als ich aus der sozialistischen Schule kam, für meinen Glauben - heute würden man sagen: gemobbt - und dann abends im Jugendkreis
runtergemacht, weil ich nicht entschlossen genug glaubte, nicht treu genug betete, nicht genug aus der Bibel wusste und doch das einzige Kind in der Klasse war, dass sich aus freiem eigenen Entschluss konfirmieren ließ und keine Jugendweihe wollte. ( Ich komme also aus dem Osten!)

Wenn ich das doch lernen könnte:
Mit ganzer Kraft zu Christus gehören
und doch dem ganzen geistlichen Terror zu entgehen:
„Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn"?
Paulus sagt etwas anderes: Christus füllt unseren Mangel aus.
Der Geist hilft unserer Schwachheit auf,
denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie es gut wäre.
Da ist ein Mangel und niemand mehr darf mich dafür verklagen.
Und ich muss meinen Mangel auch nicht mehr kokketierend
oder gar unfrei, weil aus Trotz zu den Dauerjubelchristen, vor mit her tragen. Ja, ich will anders sein als die ständigen Jubelschreier und geisterfüllten Halleluja-Trunkenen. Aber damit habe ich Christus noch nicht geantwortet, der mich gerufen hatte, als sein Kind vor ihm zu leben.
Ich möchte nicht ständig gegen etwas glauben anglauben müssen, sondern frei werden.

Wir machen immer mehr, wir organisieren uns als Kirche immer besser
( oder auch nicht, denn dazu gehörte eine gelingende und wertschätzende Kommunikation ) wir sind in der Tat schwach und oft ausgebrannt und wollen unser Heil im Addieren versuchen, schließlich ist immer alles wichtig, noch eine Aufgabe, noch eine Sonder-Pfarrstelle...

Paulus macht Mut zum Fragment.
Christen sind ein Fragment.
Die Kirche ist ein Fragment.
Unsere Nachfolge bleibt fragmentarisch.
Das darf so sein.
Ganz sind Christen nicht, weil sie es ganz machen,
sondern sie sind allein von Gottes Geist her ganz, schön, und vollständig.
Lass die anderen doch perfekt sein wollen.
Es heißt auch nicht: Schwachheit wird durch Stärke ersetzt.
Schwachheit kommt durch Gnade ans Ziel.
Gottes Atem findet nicht vor, er schafft sich in uns, was er Liebenwert findet. So hat es Luther in der Heidelberger Disputation gesagt.

Meine Kirche ist nervös geworden.
Der Geist kommt unserer Schwachheit zu Hilfe.
Die Bedürftigen und alle Mangelwesen werden erneut selig gepriesen.
Geistlich arm, hungernd nach Gerechtigkeit,
Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott.

Und endlich kommen hier Wort und Sache,
von dem hier schon laufen die Rede war: Liebe.
Das steht nicht zur Debatte: Gott lieben.
Einfach so kommt das ins Spiel.
Denen, die Gott lieben, müssen alles Dinge zum Besten dienen...

Allein in der Liebe wirken wir mit Gott zusammen.
Dann sind wir in ihm und er in uns.
Das möchte ich gern. An derselben Sache dran sein.
Das Griechische spricht von einer Synergie. V. 28 ( als Verb )
Und wie denn das? Weil uns Gottes Geist eine Brücke zu sich baut.
In der Liebe zu Gott sind wir von ihm erkannt. 1.Kor. 8,3
Allein die Liebe zu Gott lehrt uns,
dass wir mit ihm reden können und rufen, selbst, wenn er schweigt.
Sein Geist ist es doch, der uns diese Einseitigkeit lehrt,
das Bleibenwollen und Sprechen müssen, nicht Aufhören, nicht Rechnen wollen und doch ist es kein Selbstgespräch.
Lassen wir Christen uns das Gebet von Definitionen der Kommunikationswissenschaft diktieren?
Wenn der eine nicht rede, sei es ein Selbstgespräch?
Wieso eigentlich nicht?
Unser Seufzen beginnt bereits,
wenn wir uns Gottes verborgener Gegenwart
nicht bewusst sind.
Der Geist seufzt in uns.
Immerzu müssen wir uns anstrengen: Echtes Beten, echter Glaube...?
Der Gebetskatalog ist immer länger geworden und
mancher hält seine Neurose für eine Wirkung des Heiligen Geistes.

Nicht mehr lauschen, hören, singen, jubeln,
weil sich der Gegenüber verbirgt und nicht reden will?
Was ist das für eine geistlose Liebe,
die sich immer nur an ein Wenn- und- Aber klammern will?
Müssen wir nicht auch mit Gott barmherzig sein?
Nichts wollen, alles erwarten.
Letztlich ist alle Theodizee ganz eitel.
Ich weiß, dass es bei ihm immer mit dem Schenken beginnt.
Wie in der Schöpfung. Das genügt.

 



Pfarrer Jörg Coburger
09439 Weissbach
E-Mail: joerg.coburger@gmx.de

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