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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

18. Sonntag nach Trinitatis, 07.10.2007

Predigt zu Matthäus 22:34-46, verfasst von Marianne Christiansen

Was wissen wir eigentlich von Gott? Kann Gott sich wandeln, oder sind es nur die Gedanken der Menschen von Gott, die sich wandeln können? Was wagon wire von Gott zu glauben?

Wir kennen Gott als den Schöpfer des guten Lebens, der Schönheit, der Dankbarkeit - aber wir kennen auch das Gegenteil davon: den Verlust, die Zerstörung, die Grausamkeit.

Wir kennen Gott als den Geist, wenn Glaube und Hoffnung und Liebe unter uns lebendig sind und das Leben frei atmet - aber wir kennen auch das Gegenteil davon: Schweigen, Einsamkeit, Ausgeschlossensein.

Und mittendrin kennen wir Gott als Jesus, einen Mann, der andere Menschen auferweckte und sich selbst erniedrigte, Grenzen überschritt und in die größte Verwandlung ging, die wir kennen: den Tod, und in die, die wir nicht kennen: die Auferstehung.

Seine Geschichte ist eine Verwandlung in die unerwartete und ungekannte Freude. Sie ist nicht das Gegenteil davon. Jesu Geschichte kann niemals als das Gegenteil erzählt werden - als Triumph des Todes, als Sieg der Leere. Sie ist Hoffnung.

 

Das Gespräch zwischen Jesus und den Pharisäern handelt davon, Gott zu kennen - den Sinn des Lebens zu kennen, das Gesetz, und die Hoffnung auf die Zukunft, zur Zeit Jesu in der Hoffnung ausgedrückt, dass der Sohn Davids eines Tages kommen und das Volk befreien und sich auf den Thron setzen wird.

Die Pharisäer fragen, Gott hat ein für allemal offenbart.

"Sage uns das höchste Gebot," bitten die Pharisäer - wo siehst du am klarsten Gottes Sinn des Lebens? Und Jesus antwortet: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben - das ist das erste und höchste Gebot." Das kann niemand bestreiten. Gott ist Gott - im Gedanken von Gott liegt, dass er alles begründen und der Maßstab aller Dinge sein muss. - "Aber es gibt ein anderes Gebot, das dem erstgenannten gleich ist: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."

Das ist nicht neu. Das ist zu allen Zeiten ein Teil des mosaischen Gesetzes gewesen. Aber es ist eine Enthüllung dessen, dass dasjenige, was bereits bekannt ist, sich als das erweist, das sich in das Unvoraussagbare verwandelt: der Sinn des Lebens, das Gesetz, wird in der Liebe begründet, die sich immer bewegt und bewegt wird.

Dasselbe geschieht mit der Hoffnung auf den Sohn Davids: "Ja, sicherlich ist Christus der Sohn Davids, - aber wie kann David ihn dann Herr nennen?" sagt Jesus mit einem veräppelnden Zitat aus einem der "Psalmen Davids" aus dem Alten Testament.

Könnte es der Fall sein, dass der Christus, auf den man wartet, noch mehr ist als eine Wiederholung der Größe der Vergangenheit, dass er etwas in sich birgt, das weitaus mehr ist, als David war, und das deshalb niemand voraussagen kann?

Könnte es der Fall sein, dass die Zukunft die Vergangenheit übertreffen wird? Dass Gott unerwartet Neues schafft - über das kein Mensch Herr ist oder das sich kein Mensch vorstellen kann?

In dem Gespräch Jesu mit den Pharisäern wird eine neue Bewegung geschaffen sowohl in der Lebensgrundlage als auch in der Hoffnung auf die Zukunft:

Dem Gesetz kann man nicht Genüge tun - so dass wir sagen könnten: "Jetzt habe ich alles getan" - denn es geht nicht darum, zu handeln oder nicht zu handeln, sondern es geht um die treibende Kraft in der Handlung. Es geht um die Lebensgrundlage in Liebe.

Und die Zukunftshoffnung, der Sohn Davids, den Menschen erwartet und von dem sie sich Vorstellungen gemacht haben, wird sich als weitaus größer und unbegreiflicher erweisen als die Phantasie selbst - ja, der Davidssohn, der schließlich kam, erwies sich als völlig anders, als weit mehr elend und demütig, als Freund von Unreinen und Verbrechern, und als weitaus stärker, Herr über Leben und Tod, als die Hoffnung irgendeines Menschen hätte reichen können.

In diesem letzten Gespräch zwischen Jesus und den Pharisäern im Matthäusevangelium ist es, wie wenn er sagen wollte: Ihr, die ihr glaubt, Gott zu kennen und unter Kontrolle zu haben - siehe, schon in dem Gesetz, das ihr kennt, und in der Erwartung, die ihr hegt, zeigt sich, dass Gott die Grenzen überschreitet und Wandel schafft. Ich erzähle euch das Neue. Ich bin das Neue. Und das übertrifft alles, was ihr versteht.

Und das ist es, was den Pharisäern die Zunge lähmt. Was uns allen die Sprache verschlägt, wenn wir meinen, Gott und das, was Gott tun wird, unter Kontrolle zu haben zu können.

Wir bekennen uns zu dem dreieinigen Gott. Und das Bekenntnis geht so weit, wie wir in der Bekanntschaft und Kenntnis Gottes kommen können. Es ist eine Vertrauenserklärung und einer Erklärung der Ohnmacht.

Wir verstehen Gott nicht, aber wir haben Vertrauen zu Gott, weil wir Gott in Jesus kennen und bekennen - den Menschen im Glaubensbekenntnis, der sich von der Vergangenheit zur Gegenwart zur Zukunft bewegt.

Wir können eigentlich nur auf das hoffen, was wir kennen. Wenn wir uns etwas Schönes vorstellen oder auf etwas hoffen, dann geschieht das immer im Verhältnis zu dem, was wir kennen - dass es genauso gut oder noch besser sein möge als das, was wir früher erlebt haben. Wir sind in unserer Erfahrung begrenzt. Das Neue können wir uns nicht vorstellen.

Aber von Jesus sagen wir: Er, der war und der ist und der kommen wird.

Er war - nämlich wie die Geschichte von ihm erzählt wird, die Geschichte über den Menschen Jesus.

Er ist - nämlich im Glauben an ihn, so wie er uns jetzt ergreift - das, was Bedeutung für uns erhält, das, was für uns lebendig wird.

Und er ist auch der, der kommen und alles neu machen wird. Neu - nicht nur, wie wir es voraussehen und auffassen können - sondern weit über das hinaus, was wir begreifen und verstehen können.

Die Geschichte ist noch nicht fertig erzählt. Er ist auch derjenige, der kommen wird.

Bedeutet das Furcht oder Hoffnung? Das kommt darauf an, was wir im Menschen Jesus gehört und gesehen haben.

Wir singen uns gleich durch die Geschichte des Bekenntnisses über Jesus ("Was meint ihr über Christus", Dänisches Gesangbuch 54, K.L. Aastrup, 1941) - dass er sich beugte, arm und demütig wurde, unser Nächster und uns gleichgestellt, und dann heißt es:

 

"Wir erwarten, dass er
eines Tages wieder kommen
und sein wird, wie er es war,
der Verdammten Freund."

 

Er wird sein, wie er es war - der Verdammten Freund.

Das ist die Grundlage der Hoffnung. Wir verstehen nur, was wir gehört und gesehen und erfahren haben, und wir wagen nur auf dieser Grundlage zu hoffen. Es ist wie das doppelte Liebesgebot doppelt: Wir kennen Christus - von dem, was wir gehört haben und woran wir Glauben haben - und dennoch ist er auch derjenige, der kommen und alles neu machen wird.

Das liegt außerhalb unseres Verstehens - lässt sich nur als Hoffnung, Vertrauen, Glaube verstehen.

Aber für unser Leben und die Art und Weise, wie wir dem Dasein begegnen, bedeutet es, in Vertrauen und Hoffnung auf die Zukunft zu leben.

Wir können auf der Grundlage - dem Grundgesetz leben, das Jesus uns im doppelten Liebesgebot gegeben hat: wir können uns bemühen Gott und Menschen zu lieben, und wir können uns darin üben, was wir tun und sagen, in Liebe gegründet sein zu lassen - anstatt in den zahlreichen, unterschiedlichen Motiven, die wir sonst haben mögen - im Vertrauen auf ihn, der war, der ist und der kommen wird. Und mit dem Blick auf die Hoffnung gerichtet.

Denn würden wir den Blick darauf richten, wo wir durchfallen, und auf all die Gelegenheiten, wo wir überhaupt nicht aus Liebe handeln, dann würde Verzweiflung herrschen.

Und würden wir den Blick darauf richten, wie es in der Welt geht, ob das Gute oder das Böse an Boden gewinnt, dann würden wir von Angst gelähmt.

Ja, wenn wir auch versuchen würden, einen Sinn in dem, was geschieht, zu finden und Gottes Sinn in die Katastrophen und Terrortaten hineinzulesen, dann verzweifeln wir. Dann geraten wir in Angst vor der Zukunft. Denn wie sollten wir den Sinn des Schöpfers da herauslesen können, und was sollen wir tun angesichts des Bösen in der Welt und in uns selbst, wenn wir Gottes Sinn darin finden wollen?

Nein, wir können nur den Blick auf die Jesusgeschichte gerichtet halten, auf das Bekenntnis, das Evangelium, und darauf bauen, dass in der Bewegung - vom Tod zum Leben, vom Bösen zur Liebe, von der Finsternis zum Licht - dass darin Gottes Bewegung liegt. Und dann in der Erwartung leben, dass die Bewegung uns und die ganze Welt mit in Gottes Zukunft nehmen wird.

Unser Leben ist nicht nur, was es geworden ist, was wir selbst verschuldet haben. Wenn es nur das wäre, könnten wir gewiss Zweifel nähren, inwieweit die Liebe tatsächlich die größte Macht im Dasein ist. Aber wir sind nicht nur, was wir verschuldet haben und wie das Dasein uns im Guten wie im Bösen geformt hat. Wir sind auch, was wir werden sollen, wenn er kommt und uns neu macht. Und er kommt sowohl in diesem Dasein und schließt das Leben wieder auf, wenn wir es am wenigsten erwarten, so dass es tatsächlich geschieht, dass die Liebe zu Gott und dem Nächsten dasjenige wird, wofür und wovon wir leben. Und einst außerhalb unseres Verstehens, wenn die Liebe alles in allen wird.

Das ist nicht zu verstehen. Aber es ist die Hoffnung: Dass Davids Sohn, der Menschensohn, wirklich der Herr des Daseins und sein Sinn ist und dass er schließlich alle Bosheit und den Tod selbst unter seine Füße legt.

Amen



Pastorin Marianne Christiansen
Thisted (Dänemark)
E-Mail: mch(at)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier




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