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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstsonntag, 08.06.2014

Gottes Wort hören, Gottes Sprache lernen
Predigt zu Römer 8:1–2. (3–9) 10–11, verfasst von Kira Busch-Wagner

 

Das sind doch die vertrautesten Bilder und Geschichten von Pfingsten. Die Jünger samt Maria mit den Feuerzungen über den Köpfen, weswegen ja auch unsere Paramente feuerrot heute aufliegen; der heilige Geist - in Erinnerung an die Taufe Jesu - in Gestalt einer Taube - obwohl in der Apostelgeschichte davon gar nicht die Rede ist. Und dann die Sache mit den verschiedenen Sprachen: Dass alle die Jünger verstehen, aus welchen Teilen jüdischer Diaspora die einzelnen Leute auch zum Wallfahrtsfest, zum Wochenfest, zu Pfingsten nach Jerusalem gekommen sind.

Welch eine Verheißung: gegenseitiges Verständnis! Und vor allem: Verständnis für die großartige Botschaft vom Leben, vom Sieg über den Tod, von der Gegenwart Christi. Alles überhaupt nicht selbstverständlich. Wie schwer ist es, gegenseitiges Verständnis herbei zu führen, wissen wir alle. Und wie schwierig wird es dann erst, wenn ich in einer Fremdsprache mich ausdrücken soll, wenn ich auf eine Fremdsprache hören soll, ihre Besonderheiten zu berücksichtigen habe. Ich weiß ja: je besser Menschen sich eingefühlt haben in eine Sprache, desto mehr ringen sie nach Worten, um bei einer Übersetzung wirklich die richtige Bedeutung zu treffen. Wenn jemand auf russisch von Welt redet, dann hat das entsprechende Wort „mir" mit dem „mir" zu tun, das Frieden bedeutet. Welt ohne Friede ist in russischer Sprache gar nicht denkbar. Wenn ein Isländer aber Welt sagt, dann ist das „heimur" und hat mit „Heimat" zu tun. Ein ganz anderer Zusammenhang, ein ganz anderer Kontext. Und bei einer Übersetzung wäre das auch jeweils besonders zu berücksichtigen. Gar nicht so einfach.

Einfach ist auch nicht der Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus nach Rom, der uns heute für den Pfingstsonntag aufgetragen ist zu bedenken. Selbst in deutscher Sprache fast unverständlich. Doch lassen Sie uns hören auf die Verse aus dem 8. Kapitel.

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.

2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
3 Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch,
4 damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.
5 Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt.
6 Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede.
7 Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht.
8 Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen.
9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.
10 Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.
11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

Soweit der Abschnitt im Brief nach Rom, von einem Paulus, der griechisch schreibt und hebräisch denkt, der vermutlich auch Latein kann, dessen Text uns ins Deutsche übersetzt ist und dabei auch noch teilweise die Übersetzung berücksichtigt, die im Mittelalter durch Luther vorgenommen wurde.

Lassen Sie uns jetzt an Pfingsten nach Verständigung suchen, nach Zusammenhängen forschen. Die einzelnen Kontexte befragen. Um vielleicht ein kleines Wunder zu erleben. Da geht es Paulus also um den Geist, und in seinem Zusammenhang auch um Leben und Tod, um Fleisch und fleischlich, um Gesetz und Gerechtigkeit. Und um den Christus Jesus.

Auch an Pfingsten erschließt sich uns heute der Text nicht auf einen Schlag. Er mag viele abschrecken und hat doch den Anspruch, uns etwas zu sagen, uns zu helfen, uns weiter zu bringen. Lassen Sie uns hinhören.

Wovon redet Paulus, wenn er vom Fleisch redet? Hier, aber auch sonst in seinen Schriften?

Er redet von unserem vergänglichen Leben. Von der wunderbaren Schöpfung Gottes in den Grenzen ihrer Endlichkeit. Von einem Fleisch sein, das sind die realen, gelebten Verwandtschaftsbeziehungen, gewählt wie bei der Ehe oder gegeben wie bei der Großfamilie. Zum Fleisch gehört alle Kreatur, alles lebendige, in das Gott seinen Atem gegeben hat. Auf Fleisch und Blut liegt große Würde. Und die Gefahr bei sich zu bleiben. Fleischlich gesinnt sein, das heißt dann: Gott aus den Augen zu verlieren, auf sich selbst bezogen zu bleiben. Nur um das eigene Leben, um das eigene Fleisch und Blut zu kreisen. Wenn Paulus davon redet, dass jemand „fleischlich gesinnt" sei, dann hört sich das an, als habe ein Metallstück seine Kraft verloren sich auszurichten auf einen Magneten. Eigentlich geht das gar nicht. Metall richtet sich aus. Alles Fleisch ist auf Gott bezogen. Und doch nimmt Paulus mit Schrecken wahr: Es gibt die unmögliche Möglichkeit: Menschen bleiben bei sich. Menschen sind nicht auf Gott bezogen. Sind fleischlich gesinnt. Richten sich nicht mehr aus. Lassen sich nicht mehr bewegen auf Gott hin. Bleiben Gott fern und orientierungslos im Blick auf den biblischen Herrn. Leben insofern in Sünde. Nicht erst wegen böser Taten. Sondern wegen des Mangels, sich mitnehmen zu lassen auf Gott hin. Wegen des Mangels, auch nur sich umzudrehen auf Gott hin. Ganz fern zu bleiben. Paulus empfindet: Sie sind tot mitten im Leben.

Umso mehr freut sich Paulus über den Geist Gottes. Über die Kraft, die neu ausrichtet auf Gott. Über das Leben, das darin liegt. Über die Verbindung zu Gott. Über die Bewegung, den Alltag und das Fest, Leib und Seele, Arbeit und Muße, Liebe und Leid immer wieder ausrichten zu lassen auf Gott hin. Sich die Kraft Gottes angedeihen zu lassen. Nicht eingekrümmt zu bleiben, sondern sich zu strecken und zu recken auf Gott hin. Das ist für Paulus „geistlich gesinnt sein". Lebendig sein, gerecht, aufgeweckt, kraftvoll. Das ist seine Pfingstverheißung, auch wenn er die Zeilen nicht an Pfingsten geschrieben hat. Uns ist geschenkt, uns auszurichten auf Gott.

Zum zweiten: Wovon redet Paulus, wenn er vom Gesetz redet?

Im Griechischen, in der Sprache, in der Paulus schreibt, gibt es den Nomos. Die Normen. Spielregeln. Und es ist eben die Frage, welche Spielregeln jeweils greifen. Paulus kennt solche und solche. Die Spielregel des Lebens oder die des Todes, die des Geistes oder die der Sünde. Und er stellt den Leuten in Rom die Frage: nach welchen Spielregeln wollt ihr euch richten? Welchen Spielregeln wollt ihr euch unterwerfen? Die Frage nach den Spielregeln, das ist die griechische Variante vom Gesetz.

Doch an manchen Stellen, an denen Paulus vom Gesetz schreibt, stünde in biblischer Sprache, stünde hebräisch jetzt Thora. Thora ist Weisung Gottes. Darum ist sie gut und hilfreich. Sie ist präsent nicht nur in einzelnen Geboten. Sondern in dem Leben, zu dem Gott sein Israel anweist, zu dem er Israel mitnimmt. Jesus ist einer aus Israel. Einer, der sich ganz hat mitnehmen lassen auf dem Weg der Thora, auf dem Weg der Weisung Gottes, hin zum Leben.

Und was machen die Leute, die nicht zu Israel gehören? Was machen Nichtjuden? Was machen die, denen die Thora ursprünglich nicht aufgetragen ist? Denen die Weisung Gottes nicht unmittelbar gilt? Bewegt und ausgerichtet vom Geist Gottes sollen sich die nichtjüdischen Leute, so sagt Paulus, an den inneren Sinn der Thora halten, an ihre Gerechtigkeit. Was Jesus recht war, soll den Jesusleuten nun billig sein. Was Jesus eingehalten hat, soll den nichtjüdischen Christen sich dem Geist nach erschließen. So ist uns, den Christen in Deutschland 2014 geschenkt, vor Gott als solche zu gelten, die gerecht sind und die gerecht handeln. Die seiner Weisung folgen, sogar ohne die einzelnen 613 Gebote der Thora zu kennen, die sie nach jüdischer Tradition umfassen. Wir können uns drauf verlassen, dass Jesus die Thora getan hat. Wir tun das Richtige, wenn wir uns auf Jesus und seine Taten beziehen.

Ich meine damit nicht, dass Christen immer die besseren Menschen sind. Aber ich bin überzeugt, dass es ohne die christliche Suche, ohne den Wunsch, sich auf Jesus zu beziehen, sehr viel übler aussähe in der Welt.

Apropos Jesus: wovon redet Paulus, wenn er nicht nur von Jesus, sondern vom Christus spricht? Wenn er Jesus betitelt und bekennt als den Gesalbten, den Messias, den von Gott beauftragten? Wenn er ihm nicht einen Nachnamen, wohl aber einen Zunamen gibt?

Wenn Paulus vom Christus schreibt, vom Christus spricht, schreibt und spricht er von dessen Autorität. Er spricht von dessen Anerkennung. Noch genauer: von der Anerkennung seiner Herrschaft. Seines Willens. Seiner Haltung. Seines Lebens. Und von der Wirkung, die er darum hat.

Wir alle kennen solche stillen Anerkennungen und die Wirkung, die draus entsteht. Wer ins Theater geht, anerkennt, dass er im Zuschauerraum sitzt und nicht auf der Bühne. Wer zu den Rolling Stones ins Konzert geht, anerkennt und liebt Rock'n Roll und ist begeistert von der Art Musik und erwartet nun nicht Harfenspiel und Querflöte. Wer in die Schule geht .... - da ist es plötzlich nicht mehr so einfach mit der Anerkennung. Auch anderswo kommt es zu Konflikten, wenn die Anerkennung nicht gegeben ist, wenn verschiedene Autoritäten um Anerkennung konkurrieren. Da wird der Schiedsrichter angepöbelt, weil jemand den Ball doch hinter der Linie gesehen hat. Demonstranten berufen sich auf Rechte, die ihnen eine Regierung verweigern will. Immer geht es drum, wo die größere Autorität liegt. Wem Achtung geschenkt wird.

Bei der Anerkennung der Messianität, bei der Autorität des Christus geht der Streit sogar ums Ganze. Der Tod macht die Herrschaft des Beauftragten Gottes streitig, Gottesferne und Sünde bestreiten die Autorität des Gesalbten Gottes. Der Tod stellt damit sogar Gott selbst infrage.

Paulus sagt: Der Tod versucht es, er hat es aber nicht geschafft. Gott hat Jesus aus dem Tod herausgerufen. Lasst uns die Autorität des Christus, die Autorität des Gesalbten, des Lebendigen, des Auferweckten anerkennen. Gottes Geist möge das in uns bewirken. Lasst uns also vom Christus reden und uns zu freuen, dass Gott an Ostern, in der Auferstehung dem Leben die Macht gibt und dem Tod die Herrschaft bestreitet. Lasst uns davon reden, dass wir Christen sind. Angegriffen und gebeutelt und betroffen vom Tod. Aber im Machtbereich dessen, der den stärker ist als der Tod. Die Taufe ist dafür das Siegel, der Ausweis, die Kennkarte.

Paulus schrieb: geistlich, nicht fleischlich gesinnt sein ist Leben. Wir haben gehört: Mitten im Alltag können wir uns bewegen lassen von der Kraft Gottes.

Paulus schrieb vom Gesetz des Geistes und vom Gesetz des Todes. Wir haben gehört: er fragt uns nach den Spielregeln, denen wir uns unterwerfen.

Paulus schrieb vom Gesetz und seiner Gerechtigkeit. Wir haben gehört: Dass Jesus sich Gottes Weisung hält, kommt uns zugute.

Paulus schreibt vom Christus. Wir können es hören: da gehören wir dazu. Ins Leben.

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.

2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz, von den Spielregeln der Sünde und des Todes.

6 Aber fleischlich gesinnt sein, verkrümmt in sich selbst, ist der Tod, und geistlich gesinnt sein, aufgerichtet und frei, ist Leben und Friede.

9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. 11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

 

Liebe Gemeinde, Sprachen kann man ein Leben lang lernen, und selbst in der Muttersprache lernt man ein Leben lang Neues dazu. Sprache schenkt Verständigung. Pfingsten feiert, dass Gott uns angesprochen hat. Uns seine Sprache lehrt in seinem Geist. Und sich freut auf unsere Antwort. So schwierig manchmal die Verständigung ist. Amen.

 



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
76275 Ettlingen
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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