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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

18. Sonntag nach Trinitatis, 07.10.2007

Predigt zu Exodus (2. Buch Mose) 20:1-17, verfasst von Ulrich Nembach

Gott und Mensch - eine grundsätzliche Betrachtung

Liebe Gemeinde,

die 10. Gebote - sie stehen im 2. Buch Moses - sind heute uns als Predigttext vorgeschlagen. Alle 10 Gebote in einer Predigt!

Die 10 Gebote sind gut, sehr gut bekannt. Erst neulich benützte eine große deutsche Zeitung die 10 Gebote als Überschrift für einen langen Artikel. Die Journalistin oder der Journalist versprachen sich davon, Aufmerksamkeit für den Artikel zu gewinnen. Die 10 Gebote sind mit Recht gut bekannt. Sie umfassen unser ganzes Leben. Dazu gehört unser Verhältnis zu Gott. Gott existiert. Er ist der Herr der Welt, ihr Schöpfer. Er ist das unabhängig davon, ob wir darüber diskutieren, ob wir ihn anerkennen oder gar seine Existenz verneinen. Wir können darüber diskutieren, ob wir unsere Eltern anerkennen, sie besuchen wollen oder nicht. Sie sind da. Sie waren vor uns da. Ihnen verdanken wir unser Leben. Wir tragen in jeder unserer Zelle im Körper die Gene unserer Eltern. Matthias Claudius hat die Frage, ob Gott existiert oder nicht, ganz einfach beantwortet. In seinem Abendlied lenkt er unseren Blick auf den Mond. Er ist aufgegangen. Dann in dem 3. Vers sagt Matthias Claudius:

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehn.

Was Matthias Claudius in diesem Lied sagt, das wir oft unseren kleinen Kindern abends vorsingen, wenn sie im Bett liegen und einschlafen sollen, ist nichts anderes als der Hinweis auf die zahlreichen Irrtümer der Wissenschaft. Galilei wurde angeklagt, weil kluge Köpfe meinten, dass die Sonne sich um die Erde drehe. Heute würden unsere Kinder lachen, wenn jemand ihnen das erzählen wollte.

Es geht in den 10 Geboten um Gott und den Menschen generell. Die ersten 3 Gebote betreffen das direkte Verhältnis des Menschen zu Gott und die anderen 7 Gebote das Verhältnis Mensch zu Mensch. Die 10 Gebote sind inhaltlich gesehen die die Kehrseite der Liebe, der Liebe des Menschen zu Gott und des Menschen zum Menschen. Wer einen Menschen liebt, bestiehlt ihn nicht, der nimmt ihm nichts weg. Das Evangelium, das wir vorhin gehört haben (Mk. 12, 28-34), sieht in der Liebe zu Gott und zum Nächsten das höchste Gebot. Wenn wir uns also heute Morgen mit den 10 Geboten beschäftigen, geht es grundsätzlich um unser Leben.

II.

Gott ist unser Herr. Dieser Satz ist die Grundlage der 10 Gebote. Der Satz ist uns vertraut - zumal in der Kirche. Ist uns auch klar, was dieser Satz beinhaltet, meint? Schauen wir in die Geschichte! Ein kleines Volk, eigentlich nur eine Gruppe von Menschen lebt in einem großen und mächtigen Land. Sie werden von der Mehrheit ausgebeutet, schikaniert, drangsaliert. Die Leute wünschen sich ein besseres Leben, Freiheit. Das ist verständlich, aber wie soll das geschehen? Sie haben gegen die Übermacht Null-Chance. Und doch, das Volk erlangt die Freiheit, darf gehen, wohin es will. Sie merken, ich meine die Geschichte des Volkes Israel in Ägypten vor fast 3 500 Jahren, nachzulesen im 2. Buch Moses, jenem Buch, in dem auch die 10 Gebote stehen. Oder da lebt ein Bettelmönch in einem kleinen Ort am Rande Deutschlands. Er wird zu einer Herausforderung des ganzen Reiches, eines damals mächtigen Deutschlands mit einem sehr starken Kaiser. Am Ende seines Lebens wird dieser Kaiser vor dem kleinen Bettelmönch, Martin Luther, resignieren. Ich könnte fortfahren, solche Geschichten aus der Geschichte zu erzählen. Sie, liebe Gemeinde, kennen diese und ähnliche selbst.

Wir sagen zu der ersten Geschichte, dass Gott selbst handelte. So steht es auch in der Bibel. Israel verehrt deshalb Gott bis heute. Bei der zweiten Geschichte, der Luthers und der unserer lutherischen Kirche, sind wir zurückhaltender. Wir zögern, Gottes Eingreifen hier zu sehen. Dabei ist der Verlauf der Reformation so merkwürdig, so voller Gefahren für Luther, sein Leben, seine Gefolgsleute, dass man sich schon fragen muss, wie ist es möglich, dass die lutherische Kirche entstehen konnte. Später zur Zeit der Gegenreformation gingen die katholische Kirche und ihr ergebene Herrscher mit Gewalt gegen die Lutheraner vor. Hier vor unserer Haustür in Göttingen, im Eichsfeld, wurden Truppen eingesetzt, um die Lutheraner wieder zu rekatholisieren. 300 Jahre dauerte dieser Kampf, wie ein Historiker zeigt. Im Osten, in Schlesien war es nicht anders. Nach dem 30-jährigen Krieg wurden lutherische Kirchen in Schlesien zwangsweise geschlossen. Einige wenige Kirchen durften die Lutheraner bauen und zwar draußen vor Städten. Heute ist eine davon, die in Schweidnitz Weltkulturerbe. Vor 300 Jahren zwang König Karl XII. von Schweden in der Arnstädter Konvention den katholischen Kaiser, den Lutheranern in Schlesien Zugeständnisse zu machen, ließ sie einige Kirchen bauen, aber sie mussten dafür mit extrem hohen Summen bezahlen. Wenn man sich diese Geschichte ansieht, muss man staunen, dass diese Kirche noch existiert. Man fragt sich: wie konnten die Menschen das aushalten, so lange den Druck ertragen? Jetzt über die Leidensfähigkeit der Menschen nachzudenken, über den Starrsinn von Menschen zu spekulieren, ist möglich, aber erklärt das wirklich das Überleben der Christen?

Ich denke, dass die Menschen dies durchstanden, hat seinen Grund darin, was später in dem Lied gesungen wurde: We shall overcome... Dort heißt es in dem 2 Vers: The Lord will see us through... (= Der Herr wird uns hindurch helfen...).

Die Liebe, das Vertrauen zu Gott trug und trägt die Menschen. Das 1. Gebot lautet: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.

 

III.

Gott fordert von uns ferner, den Nächsten zu achten. Der ganze 2.Teil der 10 Gebote handelt davon. Gott wird dort sehr deutlich und sagt, was er meint, so dass es noch heute nach tausenden Jahren verständlich ist. Parteiprogramme haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Nach einigen Jahren sind sie veraltet.

Da ist zunächst das 4. Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!"  Hier, bereits bei diesem Gebot geht es los mit der Verständlichkeit. Es meint das Kind, das seine Eltern nicht nerven soll, damit sie ihm dies oder das kaufen. Kinder haben bessere Nerven als gestresste Eltern und können dies ausnutzen. Nebenbei direkt die Kinder gefragt: Ist es wirklich notwendig, das allerneuste T-Shirt, das allerneuste Handy zu haben, bloß weil der Klassenkammerad oder jene Klassenkameradin das T-Shirt bzw. Handy hat? Die Eltern zu ehren, meint ebenfalls die Älteren, die 40-, 50-jährigen. Wann haben Sie das letzte Mal ihre Eltern im Altenheim besucht? Welche Freude haben Sie ihnen wann zum letzten Mal gemacht?

Das nächste Gebot, das 5., wendet sich an alle: Du sollst nicht töten! Leider wird dieses Gebot oft, zu oft verletzt. Die Zeitungen schreiben davon.

Von den Verletzungen des nächsten, des 6. Gebotes, schreiben die Zeitung selten etwas. Das Gebot wird zu oft nicht beachtet. Du sollst nicht ehebrechen! Jesus interpretiert dieses Gebot. Er sagt: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen „ (Mt. 5,28).  Das ist hart, zu hart, wird mancher und manche denken. Ja, es ist hart, aber es steht da. Da sollen wir nicht herum reden - weder heute morgen hier noch später draußen vor der Kirche.

Die weiteren Gebote 7 - 10 sind ebenfalls direkt und wenden sich an uns, um unserem Umgang mit unseren Mitmenschen in Ordnung zu halten. Auch hier hätten wir gern Ausnahmen. Auch hier haben wir Ausreden erfunden. Du sollst nicht stehlen! Das 7. Gebot. Wieder beginne ich bei den Kindern. Wie oft nehmen wir bereits dem Bruder oder der Schwester etwas weg? Im Kindergarten geht es weiter, über das Kaufhaus bis ... ja, wieweit? Diese Frage mag jeder und jede für sich beantworten. Er und sie werden schnell Antworten finden. Das nächste, das 8. Gebot, Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wieder deinen Nächsten", wird so häufig verletzt, dass ich gar nicht weiß, wo ich mit einer Aufzählung beginnen soll. Da ist das Mobbing. Es reicht ebenfalls vom Kindergarten über die Schule bis zu den Erwachsenen, ja bis ins Alter. Die Ausreden beginnen hier gleich mit einer Frage. So sagt mancher: „Gehört Mobbing noch zum falsch Zeugnis reden? Ich sage nur, was stimmt!" Schön, wenn das so ist. Nur die Gegenfrage: Warum sagst Du dann gerade diese Wahrheit und warum sagst Du sie diesem und jener? Ich denke, dass damit alles klar ist.

Die letzten beiden Gebote, das 9. und das 10., fordern nichts vom Nächsten zu fordern, was diesem gehört. Es werden konkret genannt die Frau des anderen, sein Haus. Dazu gehören heute unter den anderen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Mann, den eine andere Frau will, die Eigentumswohnung, die Mietwohnung, der Arbeitsplatz, der Lohn bzw. Hartz IV usw. Das steht so nicht in den Geboten direkt, ist aber unter den heutigen veränderten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen gemeint. Arbeitsplatz bzw. Hartz IV meinen heute das, was früher unter bäuerlichen Verhältnissen Knecht, Magd, Vieh waren. Sie brauchte der Mensch, um leben zu können. Heute ist es der Arbeitsplatz bzw. Hartz IV. Arbeitsplätze fallen weg, um den Gewinn zu steigern. Hartz IV Leistungen werden nicht erhöht, obwohl die Preise gestiegen sind und weiter steigen, obwohl die Mehrwertsteuer erhöht wurde.  Die für die Nicht-Erhöhungen verantwortlichen Politiker beziehen Gehälter im tausender, zehntausender Bereich, die verantwortlichen Manager gar im Millionen Bereich! Die Bibel wird an anderer Stelle auch hierzu sehr deutlich. Ich meine die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus:

„ Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.

 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre."

Die ganze Geschichte ist nachzulesen, bei Lukas (Lk. 16,19-31). Dass zur Zeit in Deutschland „nur" 8,4% arbeitslos sind und davon nicht alle Hartz IV - Empfänger, ist keine Entschuldigung. Jesus spricht von einem Reichen und einem Armen.

Ich denke, dass damit alles gesagt ist. Amen



Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

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