Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 22.06.2014

Predigt zu Lukas 12:12-31 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Eberhard Harbsmeier

 

Es fällt schwer, in diesem Text anderes als Selbstverständlichkeiten zu entdecken. Dass wir unser Geld nicht mit ins Grab nehmen können, ist ja richtig, dass Geld allein einen Menschen nicht glücklich macht, ist ebenso wahr, und dass man sich selbst betrügt, wenn man meint sich an allen Ecken und Enden zu sichern, wer wollte das bestreiten - aber andererseits: Oft ist es ja so, dass das Allerselbstverständliche doch nicht so selbstverständlich ist - es lohnt sich deshalb, doch darüber nachzudenken.

Der russische Dichter Leo Tolstoi erzählt einmal eine Geschichte vom Hemd des Glücklichen. Es handelt von einem König, der krank war, er will die Hälfte seines Königreiches dem geben, der ihn gesund macht. Alle Weisen des Reiches werden einberufen, niemand kann helfen. Aber einer von ihnen sagt: „Man soll einen Menschen finden, der froh und glücklich ist, und man soll das Hemd dieses Menschen nehmen, damit es der König anzieht, dann wird der König gesund. Der König schickt Leute aus, um einen glücklichen Menschen zu finden. Aber sie finden keinen. Niemand war zufrieden. Die Reichen waren krank, und die Gesunden waren arm. Und die, die sowohl reich und gesund waren, hatten vielleicht eine böse Frau. Irgendetwas war immer im Wege, alle hatten zu klagen, niemand war wirklich glücklich und zufrieden. Schließlich aber, als die Leute schon aufgegeben hatten, treffen sie einen armen Mann in einer armen Hütte. Der sagte: Gott sei Dank, ich hatte heute genug zu tun, ich bin satt und nun möchten ich schlafen. Was brauche ich mehr. Hier hatten sie jemanden gefunden, der glücklich war, sofort schicken einen Mann zu ihm und fragen, ob sie sein Hemd kaufen durften, um es dem König zu geben. - Aber leider, da war ein Problem - der Mann hatte gar kein Hemd.

Der Sinn dieser Gesichte liegt ja auf der Hand: Glück und Freude kann man nicht kaufen, man das nicht anziehen wie ein Hemd, man kann es nicht besitzen wie man Geld besitzt, man kann es auch nicht an andere Menschen weitergeben, wie man ein Geschenk macht. Man es auch nicht aufsparen, wie man Geld spart.

Wir hören es auch in der Epistel: Das Leben eines Menschen hängt nicht von dem ab, was er besitzt, und die Liebe zum Geld ist die Wurzel alles Bösen - und dann die Geschichte von diesem Narren, der glaubt, sein Leben sei gesichert, bloß weil er reich war. Er hatte vergessen, dass auch er sterben muss.

So weit so gut - wer würde dem nicht zustimmen, und wir könnten alle nach Hause gehen mit dem Gedanken, den ich einmal in einer Reklame einer Bank gelesen habe: Geld ist nicht alles - aber trotzdem! Den die Wahrheit ist, dass wir trotzdem mehr daran hängen als uns eigentlich lieb ist und wir uns eingestehen. Wir leben täglich, als lebten wir ewig. Ohne diese selbstgemachte Geborgenheit kommen wir nicht aus, wir können ja nicht immer daran denken, dass uns jeden Augenblick etwas passiert. Und es ist wohl auch nicht ganz unvernünftig, dass wir für die Zukunft vorsorgen.

Vielleicht können wir das besser verstehen, wenn wir auch den Anfang des heutigen Evangelium betrachten - und dann den Schlusssatz vom Reichtum in Gott.

Es geht zunächst um einen banalen Erbstreit. Zwei Brüder streiten sich um das Erbe. Und so ein Streit, so banal es ist, ist immer eine schlimme Geschichte. Ich frage mich manchmal, warum Erbstreitigkeiten etwas vom Bittersten und auch oft hässlichsten sind, was es gibt. In Dänemark lief gerade eine lange Fernsehgeschichte über eine Familie im Erbstreit. Da fühlt man sich leicht übergangen, betrogen - und bei einem Erbstreit finden wir das oft besonders unerträglich, das schafft besonders bittere Konflikte. Um sein Erbe betrogen zu werden, das erscheint besonders unerträglich.

Warum eigentlich, das Erbe ist ja eigentlich etwas, was uns nicht gehört, was wir uns nicht verdient haben. Ich glaube, da geht es im Tiefsten um etwas anderes, nicht um die Dinge oder das Geld, das wir haben möchten, sondern es geht um unsere Vergangenheit, meine Geschichte, mein Leben. Wer mich um mein Erbe betrügt raubt mir nicht nur Geld oder Dinge - sondern meine Vergangenheit, verbissen um sein Erbe kämpfen heißt im Grunde um die Vergangenheit kämpfen, deshalb oft auch bitterer Streit um Kleinigkeiten.

Menschen, die unversöhnlich um ihr Erbe streiten, sind Menschen, die an der Vergangenheit kleben, Menschen, die nicht loslassen können. Und wenn Jesus sich nicht darum kümmern will, so deshalb: Was man nicht weggeben kann, daran hat man im Grunde keine Freude, das gilt für das was wir besitzen, das gilt für unser Leben, wer daran klebt, verliert alles.

Wer kennt das nicht - mir fällt es persönlich unglaublich schwer, aufzuräumen, alte Sachen, Bücher die man seit Jahrzehnten nicht mehr aufgeschlagen hat. Es kostet mich große Überwindung, da aufzuräumen und alte Sachen wegzuwerfen. Aber ich mache auch die Erfahrung, dass es einem viel besser geht, wenn man sich endlich dazu überwunden hat, sich von diesen Dingen zu trennen, eine große Befreiung, man erfährt so etwas wie das Gefühl, reich in Gott zu sein.

Ich denke, das ist der Sinn von dem, was das Evangelium reich sein in Gott nennt. Ein Mensch, der sich an seinen Besitz klammert, seine Vergangenheit, seine Welt, ist im Grunde ein armer Mensch, auch wenn er vielleicht im wörtlichen Sinne reich ist mit fettem Bankkonto og großem Haus. Reich an Besitz, aber arm in Gott.

Der Sinn dieser Geschichte ist ja nicht, dass wir alle nur so drauflos leben sollen und nicht für die Zukunft sorgen sollen, als sei es verboten, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen - und dann geboten, darauf zu spekulieren, dass andere für einen Sorgen. Das wäre nicht Reichtum in Gott sondern Schmarotzertum und unverantwortlich.

Reich sein in Gott ist etwas anderes, ist zu wissen, dass wir unser Leben von Gott haben, es ist ein Geschenk, das wir weitergeben sollen.

Reich in Gott sein heißt Gott vertrauen. Es gibt kaum ein Lied unserem Gesangbuch, dass dieses Gottvertrauen so glaubwürdig zum Ausdruck bringt wie das Lied: Wer nur den Gott lässt walten, wohl das verbreitetste lutherische Lied, geschrieben von einem jungen armen 20jährigen Studenten mitten im 30jähringen Krieg auf dem Weg nach Lübeck, er hatte alles verloren, dann wendete sich das Schicksal, er bekam eine Stelle, und er schrieb dieses Lied, übrigens auch die Melodie.

Ich muss zugeben, dass ich dieses Lied lange Zeit nicht gemocht habe, es schmeckte nach falscher christlicher Selbstzufriedenheit, als sei Frömmigkeit identisch mit Erfolg. Es klang für mich mehr nach Kaiser Wilhelm und seiner lächerlichen Selbstüberschätzung als nach wahrem Gottvertrauen - so als sollten Christen als eine Art Jubelidioten herumlaufen, die angeblich nicht vom Angst und Furcht wissen.

Aber wenn man besser zuhört, auch auf Grund der Musik und Johann Sebastian Bachs vielen musikalischen Auslegungen dieses Liedes, sieht man das Lied in einem anderen Licht. Da singt kein Jubelidiot, sondern jemand, der weiß, dass es Grund gibt für Angst, Furcht und Sorge. Aber nicht diese Sorgen tragen uns im Leben und Sterben, sondern das Vertrauen zu Gott. Das Leben ist gefährlich, aber was uns trägt, ist das Vertrauen auf Gott.

Natürlich sollen wir wie der reche Bauer Vorsorge treffen, natürlich ist es wichtig, für seine Pension zu sorgen und sich nicht auf andere zu verlassen. Aber das ersetzt ja nicht das Gottvertrauen. Dann würden wir Leuten gleichen, die in ihrem Abendgebet nicht das Vaterunser beten, sondern ihre Lebensversicherung lesen, das wäre ja töricht. Oder wie ich einmal gehört habe von einem Journalisten an der dänischen Westküste, der Freiwillige interviewte, die mit Rettungsbooten Schiffbrüchige retteten. Ist es so, fragte er, dass ihr immer noch das Vaterunser betet, wenn ihr eine gefährliche Rettungsaktion beginnt? Er bekam die Antwort: Nein, jetzt haben einen Motor an Bord!

Natürlich kann weder ein Motor noch eine Lebensversicherung das Gottvertrauen ersetzen. Reich in Gott sein, heißt Gott vertrauen - und das in jeder Lage, ob wir nun arm sind oder Reich, ob wir nun Erfolg haben oder nicht, es gilt in jeder Lage:

Man halte nur ein wenig stille

Und sei doch in sich selbst vergnügt

wie unsres Gottes Gnadenwille,

wie sein Allwissenheit es fügt;

Gott, der uns sich hat auserwählt,

der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt. Amen.

 



Rektor und Professor Eberhard Harbsmeier
DK 6240 Løgumkloster
E-Mail: ebh(a)km.dk

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