Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag nach Trinitatis, 13.07.2014

Ein großes Herz
Predigt zu Römer 12:17-21, verfasst von Thomas Jabs

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

 

Liebe Gemeinde!

Ein Gedicht von Erich Kästner

Einst haben die Kerls auf Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur dreißigsten Etage.

Da sitzen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen (Erich Kästner)

 

Mit Humor dasselbe Dilemma beschrieben, dass schon Albert Schweizer formulierte. „Das Verhängnis unserer Kultur ist, dass sie sich materiell viel stärker entwickelt hat als geistig." Und nun sage ich mit eigenen Worten, was ich einmal bei Albert Schweizer las:

Der moderne Mensch hat riesige Beine um schnell vorwärts zu kommen. Eisenbahn, Auto, Flugzeug ja die Rakete. Der moderne Mensch hat riesige Arme und doch auch ganz präzise Finger.

Vom Lastenhubschrauber bis zum Präzisionsroboter. Der moderne Mensch hat superscharfe Augen, mit dem Weltraumteleskop vermag er unendlich weit und mit dem Elektronenmikroskop unendlich genau zu sehen. Der Mensch hat hochempfindliche Ohren vom Radarempfang bis zur Wanze im Telefon des Abgehörten. Wir haben Superhirne von der Großcomputeranlage im Pentagon bis zum Mikrocomputer in den neuesten Handys. Das lässt sich fortsetzen mit Geruch und Geschmack und Tastsinn. Alles am Menschen ist riesig geworden. Nur sein Herz, das ist seit je das gleiche geblieben und das ist das Dilemma und die Katastrophe der modernen Menschheit. Riesen sind wir geworden allesamt, doch Herzen haben wir immer noch so kleine wie ein Mensch seit eh und je. Wie ein Affe gar sagt Erich Kästner.

Dass dies ein Dilemma ist, hat uns das 20. Jahrhundert grausam vor Augen geführt. Und wir haben nicht sehr viel herzlicher begonnen mit dem 21. Jahrhundert als unsere Vorfahren 100 Jahre zuvor.

Nun bleiben zwei Möglichkeiten:

Ich wettere heute gegen die moderne Technik, die uns zu Riesen macht. Getreu dem Motto, gebt den Menschen keine Gewehre, wenn sich sich mit Fäusten und Knüppeln schlügen, gäbe es weniger Opfer. Nicht dass es solche Argumente nicht gäbe. Nur das sind sinnlose Jammereien ohne Ziel und Erfolgsaussichten.

Nein, es gibt keinen Weg zurück hinter die moderne Technik.

Wir bleiben Riesen. Also bleibt nur eine Alternative. Wir brauchen auch ein riesiges Herz.

Und Ihnen ist klar: Ich meine keinen Herzschrittmacher, ich meine keine aus embryonalen Stammzellen gezüchtete Herzen von einem Meter Durchmesser. Ich meine wofür Herz in unserem Wortschatz steht. Ich meine Gerechtigkeit und Frieden und Versöhnung schlicht den guten Menschen, das Herz. Das muss ebenso riesig sein, wie unsere riesigen modernen Möglichkeiten.

Das lässt sich ganz genau vergleichen.

So wie es bei unseren riesigen Möglichkeiten für Beine, Arme, Sinne und Verstand ist, so ist es beim Herzen auch. Also sehen wir uns unsere Moderne Technik und unseren Umgang damit etwas genauer an:

     1. Wir wissen nicht wie es funktioniert aber wir wissen genau wie wir es bedienen müssen - hoffentlich.

Also zum Beispiel das Auto macht uns schnell. Noch vor wenigen Jahren haben viele daran selbst herum gebastelt. Jetzt aber Hand aufs Herz: Wissen Sie wie Ihre Diebstahlsicherung, wie ihre Motorelektronik funktioniert? Ich jedenfalls nicht. Aber ich weiß genau, wie ich das Auto öffne, anlasse, fahre.

Oder Sie haben einen Computer. Wissen sie genau, wie er funktioniert, dass ein Programm öffnet, wenn ein Pfeil auf dem Symbol im Bildschirm ist und Sie dann auf eine Taste der Maus klicken? Ich nicht. Aber ich weiß sehr wohl wie ich ein Programm öffne, die Maus bediene und sogar noch etliches mehr.

Also erstens, wir wissen nicht wie es funktioniert aber wir wissen wie wir es bedienen müssen.

      2. Wir verlassen uns auf die Experten. In der Fahrschule werden wir die vielen Fragen, wie das alles funktioniert nicht beantwortet bekommen. Wir tun einfach, was uns die Fahrlehrerin oder der Fahrlehrer sagt. Wir können den Computer längst nicht mehr selbst programmieren aber wir klicken so, wie es im Handbuch steht. Wir verlassen uns auf die Experten.

Mit diesen beiden Verhaltensweisen, auf die Experten verlassen und dann tun, was sie uns gelehrt haben, damit sind wir riesig, schnell, stark und schlau. Und weiter nichts brauchen wir auch um riesig gut, gerecht, friedlich und versöhnlich zu sein.

Davon schreibt uns Paulus

Römer 12, 17-21

Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.

Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.

Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: "Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr."

Vielmehr, "wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; Dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln."

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Er hatte endlich das Handbuch für das große Herz, die unfassbare und unendliche Liebe entdeckt und den Experten, der es uns vorgemacht hat. Das Handbuch ist die Bibel und der Experte Jesus Christus.

Der hatte gelebt, was Paulus in der Bibel gefunden hatte.

Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.

Ja das hat er getan, noch als er geschlagen, gefoltert und ermordet wurde. „Wie soll das zur Gerechtigkeit führen?", fragen wir. „So können wir doch nicht leben! Ich muss mich doch wehren!"

Sind wir die Experten oder Gott? Beim Auto verlassen wir uns auf Lehrer und Hersteller, beim Computer auf Programmierer und Handbuch aber auf Gott verlassen in unserem Leben und unseren Streit?

Anders geht es aber nicht. Wir können fachsimpeln soviel wir wollen. Wenn wir es nicht ausprobieren, werden wir bei unserem kleinen Herz und unserer zu kleinen Gerechtigkeit ewig stehen bleiben. Wollen sie etwa zu Fuß gehen und wieder Schreibmaschine schreiben? Ich nicht. Also will ich auch nicht mehr zurück zur Vergeltung sondern versuchen auf Gott zu hören.

Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.

Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. M. 32,52): "Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr."

Vielmehr, "wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; Dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln." (Spr. 25,21f)

Das stellen sie sich mal vor. Nicht rächen sondern zu essen und zu trinken geben!

Ja, ja das tun Hilfsorganisationen beispielsweise in Afghanistan und im Irak.

Sehen sie, einige haben auf Gott gehört andere nicht. Wenige haben ein großes Herz bewiesen viele dann die starke Hand mit ganz neuer Militärtechnik. Übrigens hatte der Militäreinsatz sofort 5 Milliarden Dollar genehmigt bekommen und verschlungen, ich weiß nicht wie viele Milliarden seither in diesen Ländern für Militär ausgegeben worden ist. Eines weiß ich gewiss, dass die wenigen Millionen die Brot für die Welt einsetzen konnte mehr Frieden bewirkt haben.

Wie komme ich nun dazu Gelder für Militär und Gelder für Hilfsmaßnahmen zu vergleichen? Mit gutem Grund.

Vergelten ist nur dann sinnvoll, wenn man Genugtuung schafft. Wenn man genug tut, dass ein Mensch dem Schaden zugefügt worden ist wieder leben kann, wieder genug zum Leben hat, genug Frieden, genug essen, genug eigene Kraft und genug eigenen Frieden. Und für beides muss gesorgt werden und zwar angemessen. So ist Böses mit Gutem zu vergelten: Genugtuung verschaffen, so dass jedem Menschen genug zum leben wird.

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Das tun Kirchen in anderen Ländern und auch im eigenen Land in Gefängnissen und nicht nur dort für gescheiterte und zerstrittene Menschen. Das tun Christen, wenn nicht immer, so doch immer wieder. Aber das scheint schwer.

Ach das wir Menschen nur so kleine Herzen haben.

Paulus schrieb es an die Römer. War er besser als wir, waren die Römer besser? „Das sei ferne.", würde er gesagt haben. Nein, er ist nicht besser und die Gemeinde in Rom war zeitweise so voll Streit mit der jüdischen Synagoge, dass man sie der Stadt verwies. Gerade weil wir Menschen so sind, seit Jahrtausenden, gerade weil wir so kleine Herzen haben, weist uns Paulus auf den Experten hin und seine Bedienungsanleitung für unsere Welt. Er hatte einfach entdeckt, was wir längst wissen, wenn es um Technik geht:
Da sitzen wir in einem Auto und fühlen uns sicher gefahren von dieser versierten Fahrlehrerin. Da installiert uns ein Freund auf dem Computer ein Programm, dass es nur so flutscht. Und warum können die das? Sind die besser als wir?

Das sei ferne, sie haben einfach Übung darin die Handbücher zu befolgen und den Expertenrat. Und weil sie das genau so, wie es ihnen gesagt und geschrieben wurde auch tun, nicht immer aber immer wieder, wenn sie in Schwierigkeiten geraten, weil sie bei Unsicherheiten lieber noch einmal nachlesen oder nachfragen, darum klappt das so sicher und gut bei ihnen, darum fahren sie zügig, arbeiten klug mit dem Computer, bedienen ihren Kran, fliegen die Rakete und und und.

Ja und wir, wir üben bei Ihnen fahren und computern und dann können wir das auch. Mehr nicht.

So auch Paulus, täglich liest er im Handbuch des Herzens, seiner Bibel. Wöchentlich unterhält er sich mit anderen und mit Experten darüber wie das gemeint sei, was er liest und hört und redet mit anderen welche Erfahrungen sie gesammelt haben. Das ist der Gottesdienst. Das ist die Seelsorge unter Christen. Mehr nicht.

Das legte er den Römern ans Herz. Entscheiden mussten sie das selbst. So wie Sie und ich.

Und was meinen Sie? Wollen sie Riesen sein mit viel zu kleinen Herzen? Oder machen wir es wie sonst auch und hören auf den Experten? Es liegt an uns, ob wir auf den Bäumen hocken wollen oder dazulernen. Ich wünsche uns allen ein großes Herz.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.

 



Pfarrer Thomas Jabs
12623 Berlin
E-Mail: Pfarrer.Jabs@kirche-mahlsdorf.de

(zurück zum Seitenanfang)