Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag nach Trinitatis, 13.07.2014

Semesterschluss-Gottesdienst
Predigt zu Lukas 10:38-42, verfasst von Nicola Stricker

 

38Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 

39Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 

40Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 

41Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 

42Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

 

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.

Gegenbilder. Auf der einen Seite Marta, die alles dafür tut, um ihrem Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Auf der anderen Seite Maria, die sich zu Jesus setzt und ihm einfach zuhört.

Wer ist uns sympathischer? Mit wem können wir uns besser identifizieren? Mal ehrlich: Ich denke, ich bin oft wie Marta. Wenn Gäste kommen, Feste und Tagungen organisiert werden müssen, dann fällt es mir schwer, mich hinzusetzen und einfach mit anderen ins Gespräch zu kommen oder den Vortragenden zuzuhören. Ich bin dann einfach zu beschäftigt damit, dafür zu sorgen, dass alles möglichst reibungslos klappt.

Wenn man die Verantwortung hat, die Hausherrin ist, dann muss man doch dafür Sorge tragen, dass das Essen ausreichend und rechtzeitig auf dem Tisch steht, dass genügend Kopien für alle Tagungsteilnehmerinnen gemacht sind! Allerdings – wenn beim Essen dann alle am Tisch sitzen, dann legen sie los, die Marias: Hast du schon gehört, was in der Nachbargemeinde los ist? Oder: Wie fandest du den Hauptvortrag? Tja, dann muss ich passen. Nein, ich kriege nichts mit. Ich habe nur Ohren für die technischen und logistischen Probleme. Nicht aber für die inhaltlichen Dinge.

Und manchmal, da packt mich auch die Wut über die Marias. Die sich an den gemachten Tisch setzen und nett plaudern. Die es als selbstverständlich erachten, dass alles läuft. Die mit den irdischen Dingen gar nichts zu tun haben.

Marta und Maria. Zwei Gegenbilder. Zwei Frauenbilder, die insbesondere die katholische Kirche gerne gegeneinander ausgespielt hat: die aktive Marta und die kontemplative Maria. Die Frau als tüchtige, aber leicht dumme und oberflächliche Hausfrau, die ganz in ihren niedrigen Tätigkeiten, in Putzen und Kochen aufgeht. Und das Ideal der Maria, die sich mit Herz, Verstand und Ohr ganz ihrem Herrn Jesus Christus widmet. Wo man Maria findet? Na, im Kloster natürlich. Als Nonne. Als Braut Christi. Ja, so eine Frau, die kann man gebrauchen. Marta hingegen...

Marta, die Hausfrau, die blind ist für das, um das es wirklich geht. Sie will dem berühmten Wunderheiler Jesus eine gute Gastgeberin sein. Und sie ärgert sich über ihre faule Schwester, die blind ist für alle Dinge, die doch noch getan werden müssen!  Sie geht sogar so weit, sich bei Jesus über ihre Schwester zu beschweren! Das ist natürlich gar nicht nett. Und das macht das Bild, das viele von Marta haben, nicht besser. Nörgelnde Hausfrauen, die andere anschwärzen. Igitt!

Marta war sicherlich erstaunt, ja vielleicht sogar beleidigt über Jesus’ Antwort : „Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“

Ob Marta wohl verstanden hat, was Jesus meint? Wir wissen es nicht. Die Geschichte geht nicht weiter. Folgende Szenarien kann ich mir vorstellen:

Marta ist beleidigt. Aber sie sagt nichts. Sie beisst die Zähne zusammen und arbeitet weiter. Kein Wort spricht sie mehr mit Jesus, bis er weiterzieht.

Marta versteht die Welt nicht mehr. Maria macht alles richtig? Marta setzt sich hin, neben Maria, aber sie bekommt nichts mit von dem, was Jesus sagt, so sehr ist sie beschäftigt damit, darüber zu grübeln, was Jesus denn nun von ihr hält. Meint er, dass sie dumm ist? Oder hat ihm die Vorspeise, die sie ihm bereitet hat, nicht geschmeckt? Hält er sie für eine schlechte Hausfrau? Oder will er einfach, dass Maria sitzen bleibt, weil Maria besser aussieht? Männer!

Marta ist verblüfft, aber sie setzt sich hin. Sie ist irgendwie erleichtert. Und ein bisschen stolz. Weil ihr hier jemand endlich mal erlaubt, sich hinzusetzen und zuzuhören. Sonst heisst es immer: Kochen und Putzen ist Frauensache! Jesus scheint darauf keinen Wert zu legen. Das ist interessant! Und irgendwie befreiend!

Jesus legt keinen Wert darauf, von vorn bis hinten bedient zu werden. Ihm ist es wichtig, dass seine Botschaft von der grenzenlosen Liebe Gottes ankommt. Dass Menschen das ernstnehmen, was er ihnen sagen will.  Dass sie sich etwas sagen lassen. Wer weiss: vielleicht hat er das häufig gehört, dass Menschen sagen: Du Jesus, das hört sich spannend an, was du da so vom Reich Gottes erzählst, ich würde gerne mehr hören, aber ich habe einfach keine Zeit!

Einfach keine Zeit. So geht es uns auch allen häufig genug. Keine Zeit, um mit der Familie etwas zu unternehmen. Keine Zeit, um zu den Veranstaltungen der ESG zu kommen. Zu beschäftigt mit Mittagessen machen oder den nächsten Tag vorzubereiten. Einfach zu ausgelaugt, um sonntags in die Kirche zu gehen. Keine Zeit, um über unser Leben nachzudenken zwischen zwei wichtigen Klausuren, zwischen all den Terminen, die uns immer weiter weg von unserer Mitte treiben.  Weg auch von unseren Mitmenschen. Keine Zeit mehr zuzuhören, sich mit dem anderen zu beschäftigen.  Dabei braucht jeder von uns ein offenes Ohr und ein tröstendes Wort. Mehr als ein tolles Essen und eine blitzeblanke Wohnung.

Am Ende will Marta gar nicht zuhören. Und vielleicht will der oder die eine von uns auch gar nicht nachdenken über das, was im eigenen Leben schiefläuft, wie leer es darin aussieht.

Viele versuchen, die innere Leere mit Aktionismus zu füllen oder mit äusserem Komfort. Einem schnellen Auto. Einem Eigenheim. Schaffe, schaffe, Häusle baue.

Ja, Martas Verhalten sollten wir hinterfragen. Und auch das unsere.

Aber auch Marias. Denn mal ganz ehrlich: Die Marias, die sich in aller Ruhe hinsetzen, sind nur zu häufig Männer. Vor allem bei Tagungen und wichtigen Anlässen. Bei solchen Anlässen wird Dienstbarkeit nämlich wieder zur weiblichen Tugend. Auch das habe ich selber merken müssen. Manch eine Maria denkt sich dann eben: das ist nicht meine Aufgabe, sondern Martas...

Von einem Mann, der mehr Marta ähnelt als Maria, haben wir in der Lesung gehört (Gen 18, 1-10). Es ist Abraham. Auch er ist gezwungen, schnell auf unerwarteten Besuch zu reagieren. Auch er ist bestrebt, ein guter Gastgeber zu sein. Aber bei Abraham läuft es dann doch ein bisschen anders ab als bei Marta, denn Abraham muss nicht alles selbst machen. Er hat ja eine Frau, die den Kuchen macht, einen Diener, der das Kalb zubereitet. Keiner erwartet von ihm als Patriarch, dass er das selbst macht. Für ihn ist es einfacher, ein guter Gastgeber zu sein, weil er die meisten Aufgaben einfach delegiert. So kann er sich schnell wieder seinen Gästen widmen.

Marta aber hat niemanden. Nicht einmal ihre Schwester hilft ihr. Aber Jesus hilft ihr, indem er ihr klarmacht, dass jetzt nicht die Zeit zum Kalbschlachten, sondern zum Zuhören ist. Die richtige Zeit erkennen, Prioritäten setzen, das ist etwas sehr Wichtiges in unserem Leben. Dazu können wir uns von der Bibel immer wieder ermutigen lassen:

31Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 

2geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 

3töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 

4weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; 

5Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; 

6suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; 

7zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 

Herr, hilf uns, zu erkennen, was du uns sagst und den richtigen Moment zu erwischen für alles Wichtige in unserem Leben.

AMEN

 

 

 



Prof.Dr. Nicola Stricker
Düsseldorf
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