Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 10.08.2014

Predigt zu Römer 6:19-23, verfasst von Ludwig Schmidt

Predigttext:

Paulus schreibt: 19 Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. 20 Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. 21 Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. 22 Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. 23 Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.

 

Liebe Gemeinde!

Wir Menschen sind auch dann nicht frei, wenn wir uns frei fühlen. Darauf macht uns Paulus in unserem Predigttext aufmerksam. Mit ihm will der Apostel nicht bestreiten, dass wir uns auf vielen Gebieten unseres Lebens so oder anders entscheiden können. Wir haben zum Beispiel die Freiheit zu wählen, wie wir im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten unseren Urlaub verbringen. Wir suchen uns aus, was wir essen, trinken und anziehen. Wir treffen auch immer wieder Entscheidungen, die für unseren weiteren Lebensweg wichtig sind. So haben wir uns etwa für eine bestimmte Partnerin oder einen bestimmten Partner entschieden, mit der oder dem wir in Zukunft zusammenleben wollen. Ich könnte noch Vieles aufzählen, wo wir in unseren Entscheidungen frei waren oder sind. Freilich sind wir in der Regel dabei nicht völlig frei. Wir müssen etwa in Familie und Beruf Aufgaben erfüllen und Verpflichtungen gerecht werden, denen wir uns nicht entziehen können und dürfen. Sie können für uns zu einer großen Belastung werden, mit der wir uns überfordert fühlen. Sie schränken unsere Freiheit ein, aber sie heben sie nicht auf.

 

Trotzdem sind Menschen nicht wirklich frei. Weil sie sich von Gott getrennt haben und nicht so leben, wie er es von ihnen erwartet, sind sie der Macht der Sünde ausgeliefert, und sie verstärken diese Macht durch ihre Gefühle, ihre Gedanken und ihre Taten. Das gilt gerade dort, wo sie sich einbilden, frei zu sein und sich deshalb an ihren Gefühlen, Vorstellungen und Wünschen ausrichten. Würde es denn in unserer Welt Kriege geben, wenn Menschen nicht andere hassen würden? Dass Hass nicht nur unter Völkern und Gruppen sondern auch bei den Beziehungen zwischen einzelnen Menschen Unheil anrichtet, sehen wir doch immer wieder an Familien, die miteinander verfeindet sind. Auch die Gier, möglichst viel zu besitzen, fügt anderen Schaden zu, weil man dann rücksichtslos nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Das konnten wir bei der Bankenkrise im Großen und können es ebenfalls im Kleinen beobachten. Es zeigt sich auch immer wieder, dass Neid die Beziehungen zwischen Menschen zerstört und das Leben der Neidischen vergiftet. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen. Selbst Menschen, die sich nicht moralisch falsch verhalten, sind der Macht der Sünde unterworfen. Sie meinen richtig zu leben, weil sie sich anständig verhalten, aber auch sie haben sich von Gott getrennt, weil bei Gott nicht zählt, was Menschen vorweisen können, sondern ob sie ihn über alles lieben und ihm immer und überall vertrauen. Dazu sind alle Menschen von sich aus nicht imstande. Das ist ihre eigentliche Sünde. In den moralischen Verfehlungen wird nur sichtbar, wie weit die Menschen sich von Gott entfernt haben. Die Sünde aber hat den Tod zur Folge, weil ein Leben fern von Gott zwangsläufig einmal zu Ende sein muss.

 

Wir Menschen können die Macht der Sünde nicht brechen. Sie ist stärker als wir. Aber Gott hat ihre Macht für alle, die an Jesus glauben, beseitigt. Dazu ist Jesus gestorben und von den Toten auferstanden. Weil wir getauft sind, haben wir Anteil an seinem Tod und an seinem neuen Leben, das der Tod nicht mehr zerstören kann. Wir sind durch unsere Taufe für immer mit Gott verbunden. Deshalb schreibt Paulus an die Christen in Rom: „Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid." Aber sind wir Christen wirklich „von der Sünde frei"? Was Paulus hier schreibt, stimmt nicht mit unserer Erfahrung überein. Wir erleben und wissen doch, dass wir immer wieder schuldig werden und darauf angewiesen sind, dass uns Gott vergibt. Daran wird sich leider bis zu unserem Tod nichts ändern. Ein Christ, der nie in seinem Leben schuldig wird, ist eine Illusion. Aber Paulus ging es bei der Freiheit von der Sünde nicht darum, dass Christen in ihrem Leben ohne Schuld sind oder sein müssen. „Frei von Sünde" bezieht sich auf die Macht der Sünde. Von ihr sind Christen tatsächlich frei. Gewiss, wir bleiben anfällig für die Sünde, aber wir sind ihrer Macht nicht mehr ausgeliefert, weil wir getauft sind. Dass uns Gott in der Taufe ein neues Leben geschenkt hat, können wir allerdings an uns und an anderen Christen nicht sehen. Wir glauben, dass wir dieses neue Leben von Gott erhalten haben, und wir dürfen zuversichtlich darauf hoffen, dass es sichtbar werden wird, wenn wir einmal in der Herrlichkeit Gottes leben. Aber unser neues Leben ist jetzt noch verborgen. Der Tod ist ja für uns noch nicht aufgehoben. Deshalb sind wir als Christen immer wieder der Versuchung ausgesetzt, uns in unserem Leben an unseren Gefühlen, Wünschen und Vorstellungen auszurichten und nicht an dem, was Gott von uns erwartet. Wir sind als Christen frei von der Macht der Sünde, aber wir sind nicht davon frei, dass wir schuldig werden. Unsere Schuld wird uns freilich nicht mehr von Gott trennen, weil er keinen fallen lässt, der an Jesus glaubt.

 

Das bedeutet freilich nicht, dass wir die Versuchung durch die Sünde nicht ernst nehmen müssen, weil uns Gott ja doch vergibt. Gewiss, Gott nimmt uns an, so wie wir sind. Er verlangt von uns dafür keine Vorleistungen. Das gilt selbst für einen Mörder. Auch ihn wird Gott nicht zurückstoßen, wenn er zum Glauben an Jesus kommt. Deshalb dürfen wir andere Christen nicht danach beurteilen, wie sie sich verhalten haben, bevor sie an Jesus glaubten. Die Taufe ist und bleibt ein großes Geschenk, das uns Gott macht. Aber sie stellt uns zugleich vor eine Aufgabe. Wir sollen werden, was wir durch die Taufe bereits im Verborgenen sind. Wir sind nun mit den Worten des Paulus „Gottes Knechte". Deshalb sollen wir zu Menschen werden, die für Gott offen sind und ihr Leben an dem ausrichten, was Gott von uns erwartet. Freilich werden wir der Versuchung durch die Sünde nicht immer widerstehen können. Aber wir sollen trotzdem an der Art, wie wir leben, zeigen, dass wir von Gott abhängig sind und abhängig sein wollen. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir anderen Gutes tun, ohne dass wir danach schielen, was wir von ihnen dafür erhalten. Wir können darauf verzichten, dass die anderen uns dankbar sind, weil wir keinen Lohn für unsere Bemühungen erwarten oder fordern. Wir tun ja mit dem Guten nur, was Gott von uns erwartet. Wenn wir in unserem Tun und Lassen abhängig davon sind, was Gott will, können wir Christen auch nicht einfach bei allem mitmachen, was andere für selbstverständlich halten. Uns sind als Christen Grenzen gesetzt, an die wir uns zu halten haben. Das fällt uns gelegentlich schwer. Es ist ja einfacher mit den Wölfen zu heulen als zu sagen: „Als Christ kann ich mich an diesem oder jenem nicht beteiligen." Andere werden wohl darüber den Kopf schütteln und denken: Ein Glück, dass ich nicht Christ, sondern ein freier Mensch bin. Vielleicht fühlen wir uns manchmal dann selbst durch unseren Glauben eingeengt. Aber die Alternative ist nicht frei oder an Gott gebunden, sondern abhängig von der Macht der Sünde oder abhängig von Gott. Beides hat Folgen, „denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn." Amen.



Prof. i.R. Dr. Ludwig Schmidt
91056 Erlangen
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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