Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

10. Sonntag nach Trinitatis, 24.08.2014

Predigt zu Matthäus 11:16-24 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

Es gibt einen Witz, der sehr gut ein Gleichnis sein kann für die Gegenwart:

Es war einmal ein Mann, der war sehr stark in seinem Glauben. Er nahm am liebsten keine Hilfe an, denn er konnte alles mit Gottes Hilfe, sagte er. Der Mann wohnte mitten zwischen zwei Flüssen, und eines Tages kam ein Unwetter. Es regnete in Strömen und die Flüsse stiegen, die Bevölkerung wurde aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und in höhere Gebiete zu flüchten. Aber der Mann blieb, wo er war. „Ich vertraue auf Gott!" sagte er. Das Wasser stieg weiter und lief in das Haus, so dass der Mann in die erste Etage flüchten musste. Einige Menschen fuhren vorbei in einem Gummiboot und sahen ihn am Fenster. Sie wollten ihn mitnehmen, aber der Mann wollte nicht mit: „Ich vertraue auf Gott!" sagte er. Allmählich musste er auf den Dachboden flüchten und schließlich durch ein Dachfenster auf das Dach klettern, wo er saß, als ein Rettungshubschrauber einen Mann abseilte, um ihn zu rettet. Aber er wollte noch immer nicht gerettet werden og leistete so viel Widerstand, dass er ins Wasser fiel, das vorbeiströmte und ihn mitriss - dem sicheren Untergang entgegen, wenn er nicht gegen einen Filter umgestürzter Bäume stieß, auf die er klettern konnte. Da saß er und wartete, und betete natürlich, indem er sagte: „Gott, ich vertraue auf dich!" - ein leeres Boot floss vorbei, er ließ er vorbeifließen. Dann riss sich einer der großen Bäume los, und die Bäume unter ihm wurden weggerissen, saugten ihn hinab, und er ertrank. Als er bei Gott im Paradies erwachte, fragte er verblüfft: Gott, warum hast du mich nicht gerettet, ich habe doch auf dich vertraut?

Gott antwortete: Erst schickte ich eine Nachricht über das Fernsehen mit der Nachricht, dass sich eine Gefahr näherte, dann schickte ich ein Gummiboot mit Engeln, dann einen Rettungshubschrauber und dann fast ein Wunder. Als du meine Hilfe zum Leben nicht annehmen wolltest, habe ich dich nun hier bei mir an Land gebraucht - was stellst Du dir vor?

Der Mann kannte nicht  seinen rechten Zeitpunkt, nicht zu verwechseln mit einem Termin. Du hast keine Chance - ergreife sie! Das ist den richtigen Zeitopunkt zu kennen - wach zu sein und bereit zu sein, das Leben anzunehmen, das uns stets gegeben und von uns gefordert wird.

Flötenspiel und Klagelieder füllen unser Leben, und wir überhören die Aufforderung. Wehe dem Menschen, der nicht hören und verstehen kann, wenn nach uns gerufen wird. Glaube an Gott, Gebet zu Gott sind keine Sammlung von Rezepten oder ein magisches Ritual, das übernatürliche Kräfte je nach Bedarf herbeirufen kann. Glaube ist vertrauensvoll und erwartungsvoll dem Willen und der Macht eines Anderen zuzuhören - einem Anderen mit großem A: Gott. Glaube ist dem Ruf zu folgen, der Aufgabe, die jeden Tag vor dir und mir liegt.

Es ist nicht sicher, dass es gut geht - nicht gut in den Augen der Welt, nicht einmal in deinen eigenen Augen. Aber der Glaube lässt sich in sichere Hände fallen - die Hände Gottes.

 Du Mensch! Höre den Ruf - und deine und meine Antwort auf den Ruf steht um uns herum in allem geschrieben, was wir sehen und womit wir uns umgeben. Was siehst du hier? Fliesen in der Einfahrt, neun gelegt, schnurgerade, Briefkasten mit neuesten Design aus rostfreiem Stahl, Krüge mit Pflanzen, dem letzten Wohnmagazin entnommen? In der Stadt hängt vielleicht eine Reklame an der Tür, die in der Regen solide ist und mit einer Sprechanlage versehen, denn wir öffnen nicht jedem - das wagen wir nicht wegen der schlechten Erfahrungen in  dieser Richtung. Gehen wir am liebsten an einem armen Kerl auf der Straße vorbei, der bettelt, weil wir dem Ruf nicht folgen wollen?

Die Volkskirche ist nicht das Reich Gottes, das Jesus in all dem verkündigte, was er sagte und tat. Aber die Kirche ist der Ort, wo wir vom Reich Gottes hören, so dass es im  Herzen liegt - so dass wir den Ruf erkennen und auf Flötenspiel und Harfenklag hören.

Das Klagelied der Erde ist nicht dazu da, uns zu Tränen zu rühren, es erklingt, um gehört zu werden und beantwortet zu werden durch die Tat, die Stellung bezieht.

„Es nützt nichts, dass ich hier stehe und weine!" sagte eine offensichtlich bewegte Kronprinzessin Mary einmal in Afrika angesichts der Hungersnot in einem Flüchtlingslager, das sie besuchte. Der Journalist interessierte sich für die Bewegung, die Rührung, das Sensationelle i einer einzelnen Träne der Prinzessin. Aber erbaulicherweise wusste die Prinzessin Besseres und erinnerte an den notwendigen Respekt vor den leidenden Opfern. Das was nützt - das, was sie in der Situation tun konnte, war zu sehen und die Presse dazu zu bringen zu erzählen. Aufmerksamkeit zeigen, die Aufmerksamkeit der Welt auf den notwendigen Beitrag zu richten. Für ihre Tränen war kein Bedarf, sie wären nur eine weiter Belastung für die Opfer gewesen mitten im Leiden. Die behielt sie für sich, auch wenn sie den Tränen nahe war- so wie es geschieht, wenn wir erschüttert sind und die Gefühle uns physisch belasten.

Es gibt verschiedene Arten zu weinen. Es gibt Tränen als Reaktion des Körpers - sie fließen von selbst. Und dann gibt es Tränen, die sentimental sind, die keine Leidenschaft haben, die Ursache des Weinens zu ändern, sondern nur reiner Ausdruck sind. Und oft sind sie ein undurchsichtiges Gemisch in dieser Welt, das nicht leicht zu durchschauen ist.

Leidenschaft ist ein Schlüsselwort. Die Leidenschaft trotzt der Sentimentalität und verschiebt die Tränen auf später, um im Jetzt handeln zu können. Aber die Leidenschaft weint auch - später - weil die Tränen zu der Liebe gehören, die zur Tat drängt.

Leidenschaft ist auch das Schlüsselwort für die Tränen der Ohnmacht, die Tränen der Verzweiflung angesichts des Unabwendbaren. Jesus ist zornig, leidenschaftlich - Gott ist nicht fern und gleichgültig angesichts des Aufschreis der Erde und der Menschen. Wir verraten das Leben, wenn wir nicht  diesen Ruf  hören und auf ihn antworten - das Flötenspiel und das Klagelied der anderen.

Gott erduldet unsere Ablehnung, indem er ihr leidenschaftlich begegnet - und die Folgen - die Konsequenz - auf sich nimmt. Wie es alle Eltern im Kleinen erfahren müssen. Wie jeder, der liebt, hin und wieder tun muss, den Schmerz der Zurückweisung  ertragen und den Schmerz des Bruchs auf sich zu nehmen, um zu heilen, um etwas Neues zu schaffen, um immer noch etwas geben zu können - um neue Möglichkeiten zu eröffnen.

Leidenschaft beinhaltet immer ein Gebet.

Leidenschaft, Liebe ist die Sprache des Gebets - und in gewisser Weise ist das ganze Leben des Menschen ein Gebet; unsere Gefühle sind in sich Gebet an Gott, der ins Herz sieht und unsere Konflikte kennt. Auch die einsamen, stummen Konflikte in uns selbst, mit uns selbst. Oder mit denen, die den Schmerz, die Tränen nie bemerkten und uns zurückwiesen.

Wehe uns, wenn wir die gebet anderes überhören, die stumme oder die ausgesprochenen, im Flötenspiel der Freude im verzweifelten Klagelied.

Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden. Gott ist ein leidenschaftlicher Gott, der Antwort von uns fordert - verantwortungsvoll. Amen.



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
Vigersted - Ringsted
E-Mail: AMNM(at)km.dk

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