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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 09.11.2014

Predigt zu Lukas 13:1-9 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Christian Grund Sørensen

Hes. 18,1-4a und Lukas 13,1-9 (dänische Perikopenordnung)

 

"Du bist selbst schuld!" - Du bist selbst schuld, dass da zu dick bist, dass du rauchst, dass du dich nicht genug bewegst .. Wir sind schuld, dass CO2 in die Umwelt gelangt, dass sich das Klima verändert, dass es Armut und Hoffnungslosigkeit in der Welt gibt.

"Es ist meine  Schuld!" - Ich bin selbst schuld, dass ich alleine lebe, dass meine Kinder mir nicht so viel erzählen, dass mein Selbstwert gering ist und dass ich nicht das Ziel meines Lebens erreicht habe.

Schuld, Schuld, Schuld - oder denken wir an Konsequenz?

Uf seiner Wanderung kam Jesus bei einem blinden Mann vorbei. Er war blind geboren, hatte nie das Licht des Tages gesehen, eine schöne Frau oder einen Baum am Horizont. Auch Jesus sah er nicht.

„Wer hat gesündigt, er selbst oder seine Eltern, wo er nun blind geboren ist" - fragten die Jünger. Und tun wir das nicht in Wirklichkeit auch? Zuweilen ....

Jesus antwortete ihnen (Joh. 8): Weder er selbst noch seine Eltern haben gesündigt, sondern es geschieht, damit die Taten Gottes an ihm offenbar werden".

So durchschlägt Jesus den gordischen Knoten. Er reicht die Hand aus,  und er öffnete dem Mann die Augen für die Welt und das Leben. Und für einen Blick nach innen, in den Blick Jesu selbst.

Dieselbe Problematik - der mögliche Zusammenhang zwischen Schuld und Schicksal - spricht Jesus im heutigen Evangelium am.

Ich habe eigentlich immer Pilatus gemocht. Vor allem seine fast postmoderne Frage an Jesus Karfreitag: „Was ist Wahrheit?" - Ein Mann - seiner Zeit voraus.

Und doch ist es schwer, ihn zu mögen, wenn man davon hört, dass er Leute umbrachte und zudem ihr Blut mit dem der Opfertiere im Tempel vermischte. Die ultimative Art und Weise, einen Juden zu schänden, noch im Tode.

 

Aber waren die, denen das widerfuhr, grössere Sünder? Oder was mit denen, die nicht wegkamen, als der Turm von Silo zusammenstürzte? Oder was mit denen, die in den Türmen des World Trade Center am 11. September eingeschlossen waren? Auf Utøya? In Theresienstadt?

Oder die unter uns, die Krebs haben? Gicht? Zuckerkrankheit? Geschiedene? Die, die nie die Liebe fanden? Die Arbeit? Kinder? Anerkennung? Freunde?

Was sagt uns Jesus? Gibt Gott uns die Antworten auf die Hand?

„Nein, sage ich, aber wenn Ihr nicht umkehrt, werdet Ihr alle umkommen wie diese."

Jesus hebt unsere Fragen auf eine höhere Ebene. Die Ebene Gottes. Vielleicht gibt es einen Grund für alle die Ereignisse, die uns in unserem Leben begegnen? Gute wie böse. Einige haben einfachre ursächliche Zusammenhänge, wenn z.B. ein starker Raucher erkrankt. In anderen Fällen können wir keinen Zusammenhang sehen.

Steuert Gott also das Ganze, so dass die Guten den Segen erhalten und das halbe Königreich, und die Bösen, Gottlosen und Egoisten braten in ihrem eigenen Fett?

Der Prediger des Alten Testaments kommentiert den Unterschied zwischen dem, in seinem Leben weise und kompetent zu sein, und dem, dies nicht zu sein (Pred. 2,13): „Ich sah, dass Weisheit einen Vorzug hat vor der Torheit, so wie das Licht einen Vorzug hat vor der Finsternis: Der Weise hat Augen im Kopf, der Tor wandelt im Dunkeln - Aber ich musste auch erkennen, dass ein und dasselbe Schicksal sie beide trifft".     

Das klingt so, als sei der Prediger etwas missmutig und desillusioniert. Und das steht in einem unmittelbaren Kontrast zur Verheissung des Philipperbriefes (4,4-7): „Sorget nicht, sondern bringt alle dinge und Wünsche vor Gott in Gebet und Danksagung."

Das ist aber nur ein scheinbarer Konflikt. Es ergeht uns nicht immer so, wie wir es erträumen. Es waren im World Trade Center auch Christen und Menschen, die beteten. In Theresienstadt. Es ist nicht unsere Schuld, aber es kann unser Schicksal sein.

„Und der Friede Gottes, welcher höher ist alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus".

Gott erklärt uns nicht alles über Schuld und Schicksal. Da ist kein: „Dann müssen sie es eben lernen!" über andere - unsympathische Menschen. Oder ein: „Du warst selber schuld" an uns.

Gott ist nicht der Gärtner, der alles ausreisst, weil die Zweige gerade keine Frucht tragen. Gott ist der Gärtner, der uns die Möglichkeiten gibt.

Vielleicht haben wir von zuhause oder den Kampagnen des Gesundheitswesens gelernt, dass unser Leben sich nicht auf Schuld konzentrieren soll.

Aber wenn das Augenlicht des Blindgeborenen, die Opfer des Pilatus und die, über die der Turm zusammenstürzte, nicht von der Schuld abhingen - wer sind wir dann, dass wir mehr Schuld auf unsere eigenen Schultern legen als die, die Gott uns auferlegt? Wahre Schuld können wir vor Gott bekennen. Das war nicht in Ordnung, ich tue es nicht wieder (hoffe ich jedenfalls!), vergib mir, Gott.

Nd die Schuld wurde am kreuz von Golgatha getragen. Ein für alle mal. Wie der Räuber am Kreuz erhalten wir unseren Freibrief.

 

Das Gefühl, selbst an allem schuld zu sein, ist nicht von Gott. Weder, wenn wir uns selbst über allen Klee loben - noch wenn wir das Gegenteil tun. Wir sind Königskinder. Gottes Sohn starb für uns. Wird Gott und dann verwerfen? Spukt hier vielleicht das alte griechische Wort Hybris? Übermut den Göttern gegenüber, die bewirkt, dass die Nemesis uns trifft? Ist die Schuld über uns, so dass wir nicht mehr zufrieden und froh sein dürfen?

Oder ist es ein Gesetz, dass wir nicht glauben dürfen, das wir etwas oder jemand sind? Auch wenn Gott im Buch Jesaja (Kap. 43) zu uns spricht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich rufe dich bei deinem Namen, du bist mein". Auch wenn der Turm von Silo über uns fallen sollte - oder die beiden Türme in New York oder irgendein anderer Turm in deinem und meinem Leben, dann ist das nicht unsere Schuld, dann ist es unser Schicksal.

Der Zufall, das Leben, gute oder schlechte Entscheidungen - die Hand Gottes?

Jesus gibt uns nicht die ganze Antwort. Er reicht uns nur seine Hand - die mit Wundmalen. Amen.



Pastor Christian Grund Sørensen
DK-9610 Nørager
E-Mail: cgs(at)km.dk

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