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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres, 16.11.2014

Predigt zu 2. Korinther 5:1-10, verfasst von Suse Guenther

 

Die Gnade unseres Herr Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

2.Kor 5,1-10

Wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus abgebrochen ist, dann haben wir einen Bau, von Gott erbaut. Ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden.

Denn solange wir in der irdischen Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert…

Wir sind aber getrost und haben Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei Gott. Darum setzen wir auch unsere Ehre darein, ob wir nun daheim sind oder in der Fremde, dass wir Gott wohl gefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er zu Lebzeiten getan hat.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

In zwei Wochen, am ersten Advent also, finden in unserer Landeskirche die Presbyteriums Wahlen statt.

Unsere evangelisch-protestantische Kirche hat den Anspruch, „Kirche von unten“ zu sein. Entscheidungen werden vor Ort in der Gemeinde getroffen und dann zum immer höheren Gremium weitergegeben. Für uns die höchste Instanz ist die evangelische Kirche der Pfalz mit Sitz in Speyer. Und auch wenn in der vergangenen Woche ein neuer Leiter der Ev. Kirche Deutschlands gewählt wurde, so hat dieser doch eher repräsentative und beratende Funktion, gibt keine Entscheidungen vor. Man kann sich das so vorstellen wie den Bundespräsidenten.

Was so schön klingt, ist nicht ganz einfach. Denn es bedeutet, dass immer wieder Menschen bereit sein müssen, sich vor Ort für ihre Kirche und ihren Glauben einzusetzen. War es früher einfach, solche Leute zu finden, weil ein Amt in der Kirche immer auch Ansehen bedeutete, so ist es heute sehr schwer. Denn wer will sich schon zusätzliche Arbeit aufhalsen und dann auch noch öffentlich zu seinem Glauben stehen? Und doch ist es geschafft, dieser Tage wurden in meiner Kirchengemeinde Hornbach die Wahlvorschläge verteilt, Frauen und Männer haben sich bereitgefunden, neben ihrem Foto haben sie begründet, warum sie sich engagieren wollen.

Da lese ich dann solche Sätze:

„Die allgemeine Meinung, Kirche sei am Aussterben, stimmt nicht. Ich möchte mithelfen, dass es weiterhin so gut funktioniert bei uns“.

„Ich arbeite gern in meiner engagierten und aktiven Kirchengemeinde mit. Der überkonfessionelle Austausch über Lebens- und Glaubensfragen ist mir ein Anliegen.“

„Ich kandidiere, weil mir die Menschen und Aufgaben in unserer Kirchengemeinde sehr wichtig sind und ich schon seit Jahren gerne in der Gemeinde mitarbeite. Dafür möchte ich mich wieder einsetzen.“

„Mir gefällt in meiner Gemeinde: Das Für- und Miteinander, das Vertrauen und die Geborgenheit, zu hören und zu helfen, einfach für die Menschen da zu sein.“

„Mir ist es wichtig, an einer lebendigen Kirchengemeinschaft mitzuarbeiten. Ich möchte, dass Kirche ein Ort ist, an dem sich jeder angenommen fühlen kann – ohne Be- und Verurteilung der Person, wie das ja auch unser Auftrag laut der Bibel durch Jesus sein sollte.“

„Ich denke, Kirche ist kein alter Hut, sondern wird von Menschen gestaltet, die dieser Institution ihr Gesicht geben. Ich möchte durch meine Mitarbeit dazu meinen Beitrag leisten.“

„ Ich möchte mich als Presbyter zur Wahl stellen, um als Bindeglied zwischen Jung und Alt tätig zu sein“

„ Ich kandidiere für das Amt der Presbyterin, weil Kirche ein Stück Lebensraum ist, der gestaltet werden kann, weil Kirche für mich auch Heimat bedeutet, weil Menschen Kirche gestalten und Glauben erfahrbar machen, weil Glauben einen Rahmen braucht, weil gelebter Glauben in unserer Kirchengemeinde ein Stück Lebensqualität bedeutet und dafür möchte ich mich in Zukunft gerne einsetzen.“

 

Soweit die Zitate. Im Wahlprogramm sind weitere zu lesen, Paulus hätte sich gefreut darüber. Es ist das, was auch er auf sein Wahlprogramm damals bei den Korinthern geschrieben hätte und was in seinen Briefen zum Ausdruck kommt: Ihr Menschen seid es, die den Glauben füreinander leben. So gebt Ihr einander Heimat, ein Lebenshaus schon hier auf Erden. Paulus hat mit großem Einsatz begonnen, diese Häuser zu bauen. Manches Mal im direkten Sinne: Meist waren es Privathäuser, in denen sich die neuen Gemeinden versammeln konnten.

Meist aber im übertragenen Sinne, so wie es Presbyter unserer Tage formuliert haben: Kirche ist für mich ein Stück Lebensraum, sie ist mir Heimat.

Nun ist Paulus zu dem Zeitpunkt, als er unseren Predigttext schreibt, allerdings von großen Zweifeln geplagt. Zweifel, die auch wir Christen heute nicht fremd sind: Was bleibt von dem, was ich aufgebaut habe, mit diesen Fragen quält sich Paulus nicht zu Unrecht, gerade wenn man die Gemeinde in Korinth betrachtet: Diese buntzusammengewürfelte Hafengemeinde, die vielleicht gar nicht so weit weg war von einem St. Pauli unserer Tage. Aber so ist es nun einmal: Gerade das Kind, das einem am meisten Probleme macht, liegt einem besonders am Herzen.

Und so kommen auch im Leben eines Paulus Zeiten, wo er sich selbst in Frage stellt: War das sinnvoll, was ich aufgebaut habe? Paulus gibt es zu: Er seufzt und jammert und fühlt sich beschwert. Er ist gerade nicht in seiner zuversichtlichsten Phase, als er diese Worte an die Korinther schreibt: „Solange wir in dieser irdischen Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert“.

Wir alle kennen solche Zeiten. Im Leben unserer Kirchengemeinde und in unserem privaten Leben. Zeiten, in denen all das, was wir so mühsam erarbeitet haben, in Frage steht. Zeiten, in denen es uns schlecht geht und wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. Zeiten, in denen wir keine Antwort haben.

Mir macht es Paulus sympathisch, dass auch er nicht auf alles eine Antwort hat. Er erscheint mir umso glaubwürdiger, als er sich menschlich zeigt. Ich nehme ihm ab, dass er meine schweren Lebenssituationen verstehen kann, wenn ich lese, dass auch er davon nicht verschont war.  Ich nehme ihm daher auch seinen Lösungsversuch ab. Paulus versucht mit seiner derzeit schweren Situation umzugehen, indem er sich und seiner Gemeinde sagt: Das, was wir jetzt erleben, ist nur das Vorläufige. Das irdische Haus. Es wird ein anderes Haus kommen, ein Haus von Gott erbaut. Davon träumt Paulus, dieser Traum gibt ihm Kraft, es weiter mit dem Leben aufzunehmen.

Ich weiß nicht, ob ein solcher Traum anderen Menschen helfen kann, die für sich gerade eine Zeit der Heimatlosigkeit durchmachen. Eine schwere Zeit. Eine Erkrankung etwa, deren Ausgang und Heilungschancen ungewiss sind.  Aber helfen kann jedenfalls der Gedanke daran, dass auch der große Paulus, der uns bis heute im christlichen Glauben geprägt hat, schwere Zeiten hatte und in seiner Auseinandersetzung mit Gott und mit seinem Glauben eine Antwort für sich gefunden hat.

Wenn das so ist, dann kann auch ich in einer schweren Zeit mich auf den Weg mit Gott begeben. In ihm ein Gegenüber erwarten, das meine Klagen aushält und für mich eine ganz persönliche Antwort bereithält.

Ob das der Traum vom besseren Leben nach unserer Zeit hier ist. Oder ob es der Versuch ist, das, was uns vom Leben hier noch bleibt, mit neuen Augen zu sehen und noch einmal neu zu gestalten. Ob es die Hoffnung ist, dass Gott uns begleitet auf diesem schweren Weg voller Fragen und über diesen Weg hinaus in eine Zukunft bei ihm. Oder ob es die Erfahrung ist, dass andere Menschen, die sich im Haus Gottes mit mir versammeln mich gerade in schweren Tagen nicht im Stich lassen.

Mich persönlich trösten die alten Worte aus Psalm 23: Ich werde bleibe im Hause des Herrn immerdar. Gottes Haus: Hier wie dort. Oder, wie Jesus es ausdrückt: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“ (Joh

Es werden in jedem Menschenleben und im Leben unserer Kirchengemeinde weiter Höhen und Tiefen kommen. Aber wir bleiben immer in Gottes Haus. Es ist für uns alle Platz. Wir werden alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi: Er wird uns alle mit offenen Augen ansehen. Und für uns alle Recht sprechen. Das irdische Haus, das wir hier schon begonnen haben, wird vollendet. Zimmer, die wir jetzt nur erahnen, werden  festgebaut sein und wir werden sie beziehen können.  Wir haben eine Heimat, auch in schweren Zeiten.

Im modernen Film „Jesus liebt mich“ wird ein wenig provokativ-ironisch, aber sehr menschlich gezeigt, wie es aussehen könnte, wenn Jesus  sich unter die Menschen unserer Tage mischen würde. Dort lässt der Regisseur seinen Jesus, gespielt von Florian Fitz, sagen:“ Gottes Haus der Liebe hat viele Wohnungen, bleib nicht in der ersten stehen.“ Ich höre das für mich so: Gott hat mit mir etwas vor. Mein Weg führt weiter. Von einem ins nächste Zimmer, aber immer in seinem Haus. In solchem Glauben mache ich mich auf den Weg. In meiner Kirchengemeinde und im meinem Leben. Und über die Welt hier hinaus. Das, um noch einmal Paulus zu zitieren, tröstet uns und macht uns Lust, bei Gott daheim zu sein. AMEN

 

 



Pfarrerin Suse Guenther
Zweibrücken
E-Mail: sue.guenther@web.de

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