Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Advent, 30.11.2014

Predigt zu Matthäus 21:1-9, verfasst von Winfried Klotz

1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus
2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie u mir!
3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Kap 26,18
4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da pricht (Sacharja 9,9):
5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte,
7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er etzte sich darauf.
8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 2. Kön 9,13
9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Ps 18,25-26.

 

Liebe Gemeinde!

Dass wir heute am 1. Advent auf den Bericht vom Einzug Jesu nach Jerusalem hören, mag manchen verwundern. Advent, das heißt doch: Weihnachten ist nicht mehr fern. Bald feiern wir das stimmungsvolle Fest der Geburt des göttlichen Kindes! Wir passt dazu Jesu Einzug nach Jerusalem, der doch die letzten Tage Jesu vor seiner Hinrichtung am Kreuz einläutet? Seine Auseinandersetzung mit den führenden Priestern und Theologen, seine Ankündigung von Zerstörung und Untergang Jerusalems, vom Kommen des Menschensohns zum Gericht und des Endes der Welt?

Advent, das ist doch Vorbereitung auf Weihnachten und nicht Vorbereitung auf das Ende der Welt! So meint man in heutigen Zeiten und unterschlägt eine zentralen Aussage unseres Glaubens: Jesus ist nicht geboren, damit wir einen Kult um ein göttliches Kind treiben, sondern damit durch ihn Gottes Himmel und Erde erneuernde Herrschaft in unserem Leben und in dieser Welt vorankommen. Gott hat Jesus zum Herrn gemacht! Herr ist hier keine Höflichkeitsfloskel, sondern bezeichnet Jesu Teilhabe an Gottes Macht. ER ist mein und dein Herr, im Vergehen dieser Welt und unseres Lebens wird er sich als der zeigen, auf den alles zuläuft und Gnade und Gericht erfährt. Advent, ER ist in die Welt gekommen, damit wir bei IHM ankommen. Wir sollen nicht durch dieses Leben fallen und in einem letzten Dunkel zugrunde gehen, wir sollen bei IHM ankommen. Das aber braucht Vorbereitung, das braucht eine Änderung unserer Blickrichtung und unserer Herzensbindung. Wir müssen des Ewigen im Zeitlichen ansichtig werden, damit wir durchs Zeitliche zum Ewigen gelangen. Das ist das Thema des Advent. Verabschieden wir Advent als hektische, betriebsame Zeit der Weihnachtsfeiern und des Einkaufsstress. Verabschieden wir Advent als Weihnachtszeit vor Weihnachten. Verabschieden wir Advent als Zeit der Erwartung eines lieblichen Kindes; stellen wir uns auf den ein, der in Gottes Macht gekommen ist und kommen wird.

Damit sind wir beim Einzug Jesu nach Jerusalem, denn hier können wir im Zeitlichen den Ewigen erkennen.

Jesus zieht nach Jerusalem ein, er reitet auf einem Esel, er empfängt die Huldigung einer großen Menge, aber irgendwie hat man das Gefühl, etwas gleichnishaftes geschieht, eine symbolische Handlung wird vollzogen, was hier geschieht soll etwas noch nicht Sichtbares abbilden. Jesus selbst schreibt die Handlung; nein, er folgt einer Ankündigung, die der Prophet Sacharja vor etwa 500 Jahren ausgesprochen hat: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers."

Auf einem geliehenen Esel, er hat keinen eigenen, reitet Jesu den Ölberg hinab und wieder hinauf durchs Stadttor hinein nach Jerusalem. Er sitzt nicht auf einer edlen Decke, sondern auf Mänteln, die seine Freunde auf das Reittier gelegt haben. Sein roter Teppich besteht aus Mänteln und Zweigen. Das Stärkste aber ist der Chor, gebildet aus seinen Freunden und Festpilgern. Was sie rufen ist unerhört, weil es behauptet, was nicht wirklich zu sehen ist:

„Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!"

Was meint die Menge der Festpilger mit ihren Jubelrufen? Wer ist der, der da auf einem Esel einzieht?

Sie behauptet: Jesus ist der von Gott gesandte und beglaubigte König, der, der helfen kann und wird, der im Namen des Herrn kommt; sein Erscheinen führt zur Anbetung und zum Lob Gottes im Himmel.

Jesus zieht nach Jerusalem ein; wenn ein König das erste Mal in seine Stadt einzieht, und Jerusalem ist die Stadt Davids, des Königs mit der besonderen Verheißung Gottes, dann tritt er seine Herrschaft an. Jetzt beginnt seine Regierung. Was bedeutet es, dass Jesu Einzug als von Gott gesandter König etwas Zeichenhaftes, Symbolisches hat? Dass ihm alle irdischen Machtmittel fehlen? Dass er sanftmütig und ohne Waffen gegen eine Welt antritt, in der nur der geachtet und gefürchtet wird, der Waffen und Macht hat?

Wir können es uns durchaus auch am heutigen Konflikt in Israel veranschaulichen. Ein Bekannter aus Israel sagte vor kurzem etwa Folgendes: Die Araber verstehen nur die Sprache der Waffen; deshalb müssen wir auf jeden Anschlag entsprechend reagieren. Sich versöhnlich zeigen, wird als Schwäche betrachtet und führt nicht zu einer Befriedung.

Ist Jesu Einzug in Jerusalem nur eine Ankündigung von Herrschaft kein wirkliches Antreten? Spielt Jesus etwas vor, macht er eine Show, um auch einmal im Rampenlicht zu stehen?

Das für mich Überraschende ist: Jesus, dieser Mann aus Nazareth, ist genau so, wie er jetzt in Jerusalem einzieht, der von Gott gesandte und bevollmächtigte König Gottes. Was wie ein Schauspiel wirkt, ist doch bewusste Erfüllung des prophetischen Wortes, ungeachtet aller menschlich, irdischen Möglichkeiten. Jesus vertraut unbedingt der Macht Gottes. Der Widerspruch, der sich schon im Prophetenwort aus Sacharja zu finden scheint, nämlich dass einer als armer, sanftmütiger, machtloser König die Herrschaft antritt, wird nicht überbrückt, indem Jesus nun plötzlich doch mit allen irdischen Handlungsmöglichkeiten eines Königs ausgestattet wird. Gott wird sein Wort erfüllen, ohne und gegen menschlich-irdische Möglichkeiten.

Wir wissen, Jesu Weg wird in wenigen Tagen ganz tief hinab führen bis zur Vernichtung am Kreuz. Es wird nicht nur Jesu Anspruch vor den Augen distanzierter Beobachter lächerlich erscheinen, wie bei seinem Einzug in Jerusalem. Was soll ein Eselsreiter ausrichten gegen die Machtstrukturen in Jerusalem, gegen die Römer und den Hohen Rat? Es wird am Kreuz für Jesus völlig aus sein. So müssen wir es mit unseren menschlichen Augen sehen. Mit den Augen des Glaubens, des Vertrauens auf Gottes Zusagen, sehen wir es anders: Der, der ohne Macht in Jerusalem einzieht, der nur durch sein Wort und die Zeichen der Herrschaft Gottes Herzen bewegt und verändert, schließlich aber von den Menschen abgelehnt und vernichtet wird, den hat Gott erhöht und zum Herrn und Retter gemacht.

Was haben wir heute gesehen vom Ewigen, das ins Zeitliche gekommen ist? Wo stehen wir beim Einzug Jesu in Jerusalem? Gehören wir zur jubelnden Menge, betrachten wir Jesu Weg distanziert und mit Widerspruch, gehen wir erwartungsvoll hinter ihm her? Ist die Geschichte vom armen, sanftmütigen König, der in seine Stadt einzieht, für uns ein idealistisches Märchen, dem nur der positive Ausgang fehlt- aber so muss es halt denen gehen, die den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verlieren? Wie heißt die Botschaft für uns heute? Doch zuerst: Stell Dich auf diesen sanftmütigen, niedrigen König ein, Gott hat ihn doch zum Herrn und Richter gemacht. Suche Gott in ihm! Und damit verbunden: Geh den Weg des Vertrauens auf Gottes Zusagen, so wie Du es an Jesus siehst. Lass Dir Augen des Glaubens schenken! Stimme ein in den Jubel der Menge, die Gott lobt; Du darfst ganz unvernünftig den Weg des Eselsreiters als Gottes Weg erkennen und Dich daran und nicht am Machtgerangel der Menschen orientieren. Gott kommt zu seinem Ziel mit Dir, wenn Du Dich an seine Zusagen hältst. Dann bist Du ein adventlicher Mensch, der den Kommenden erwartet. Amen.

 

 



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König/Odenwald
E-Mail: wkl-bad.koenig@t-online.de

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