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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 14.12.2014

Wer es glaubt, wird selig!
Predigt zu Matthäus 11:2-6, verfasst von Claudia Krüger

Liebe Gemeinde,

viel ist geschehen, seit der Taufe Jesu durch Johannes, damals am Jordan.

„Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen", so hatte Johannes den Menschen gepredigt, dieser Mann aus der Wüste,  im Gewand aus Kamelhaaren. Seine  Speise, so heißt es, waren Heuschrecken und wilder Honig. Mit unmissverständlich harten Worten hatte er zur Umkehr aufgerufen, ein strenges Gericht angedroht, bei dem die Spreu vom Weizen getrennt würde und die Axt schon an die Wurzeln der Bäume gelegt sei.

Jesus aber hatte er als sehnlich erwarteten Messias angekündigt, durch den die Verheißungen der alten Propheten erfüllt werden. 

Er hat ihn getauft, und staunend miterlebt, wie der Himmel sich aufgetan hatte und der Geist Gottes über Jesus gekommen war  in Gestalt einer Taube. Und eine Stimme vom Himmel hatte ihn als Gottes geliebten Sohn offenbart, an dem der Höchste sein Wohlgefallen hat.

 

Von da an war der Gottessohn unermüdlich im Auftrag seines Vaters unterwegs: hatte Menschen geheilt, saß beim Zöllner zu Tisch, erweckte die Tochter des Jairus, hat ihnen die Bergpredigt, das Vaterunser und die Seligpreisungen nahe gebracht und ihnen ans Herz gelegt, dass sie nach seinem Vorbild und damit nach dem Willen Gottes handeln sollten.

 

Nun aber war der Täufer und Prediger aufgrund seiner Herrscherkritik im Gefängnis gelandet, es sah nicht gut für ihn aus.

Den möglichen Tod vor Augen,  war vieles mit einem Mal ins Wanken gekommen. Zweifel krochen in ihm hoch. Und wer kennt das nicht - in bedrohlicher Situation, wenn uns durch Krankheit oder Tod eines lieben Menschen, durch Trennung, Arbeitsverlust oder Anfeindung alles fragwürdig scheint. Und so lesen wir im Matthäusevangelium:

„Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen. Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen Andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert."

 

„Wer´s glaubt, wird selig!", mag einem leise resigniert oder laut und trotzig über die Lippen kommen. Nichts als ein frommer Traum aus längst vergangenen Zeiten?!

Im Pflegeheim, wo Menschen schwer hören und andere fast nichts mehr sehen, wieder andere auf den Rollstuhl angewiesen sind und so viele Menschen ihr Leben beschließen, da haben solche Worte noch einmal eine ganz andere Brisanz! „Schön wär´s!"

 

Wir können uns ganz gut in Johannes hinein versetzen. In den vehement Fragenden, der einst mit so viel Herzblut für den Verheißenen engagiert war. Er möchte endlich Gewissheit haben, ob all das, was für ihn im Leben entscheidend war, nun noch Gültigkeit hat. Ob Jesus wirklich der langersehnte Messias sei, den er damals getauft und angekündigt hat.

Ich erinnere mich an einen alten Kollegen, der mir damals im Krankenhaus gegenüber saß. Ob denn all das, was er seit Jahren geglaubt und gepredigt habe, wirklich noch gelte, hier, jetzt?

Immer wieder steigen solche Fragen brennend in uns hoch, und alle Sinn oder Unsinn unseres Lebens  hängt von dieser Antwort ab.

Johannes bekommt eine Antwort auf seine Frage, aber ist es wirklich eine richtige Antwort - oder nicht?

Jesus hätte in unmissverständlichen Worten antworten können.

Ja oder nein hätte er sagen können auf die Frage, ob er der Verheißene sei.

Aber Jesus  schickt die Jünger des Johannes zurück mit dem Auftrag, ihm zu sagen, was sie hören und sehen: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert."

Ob Johannes mit Ärger, Enttäuschung, Unmut oder tiefem Glauben und seligem Erkennen  auf diese Worte regiert hat? Wir wissen es nicht.

Und wir selbst, wie reagieren wir?

„Schön wär´s!", mögen wir seufzen und uns weiter danach sehnen, dass wir all die Rollstühle, Gehilfen und Rollatoren mit Schwung zur Seite stoßen könnten und dann leichtfüßig tanzend davon eilen! Dass die Makuladegeneration geheilt und unser Blick wieder klar das Gesicht der Nachbarin und die Farben der Weihnacht erkennen könnte! Ja, tausend Sehnsüchte könnten wir hinzufügen!

 

„Blinde sehen". Wir staunen über die Kunst heutiger Medizin. Man kann hierzulande schonend mit Lasertechnik von Grauem und Grünen Star heilen. Anderswo aber durch eine banale Virusinfektion erblinden. Es können uns aber auch in anderem Sinne die Augen aufgehen, so dass wir mit unserem inneren Auge erkennen, was im Leben wesentlich ist.

  

Und  womöglich wären wir gar nicht mehr hier, wenn die Medizin uns nicht ein Leben lang immer wieder neues Leben ermöglicht hätte. Oder war es Gottes Hilfe?

Woanders aber stirbt ein Kind und kein Heiland ist da, der das Töchterlein an der Hand nimmt und auferweckt.

 

Ist alles lange her und mit Christi Tod beendet?  Oder hat es nicht vielmehr damals begonnen, das Reich Gottes,  mit Jesu Worten, Heilungen und Wundern? Geht es  weiter in seinem Geist und als tägliche Herausforderung für uns alle?

Wären wir heute hier, wenn nicht seine Gegenwart uns begleitete und seine Kraft da und dort wirkte? Wenn nicht Menschen ihm nachfolgten und seine Liebe in die Welt tragen würden, unermüdlich? Wenn nicht da und dort tatsächlich noch Wunder geschähen, Menschen heil würden an Leib und Seele, uns die Augen und Ohren geöffnet würden für Gottes Traum von dieser Welt?

Freilich, wir müssen es selbst, und immer wieder neu erspüren, ob uns diese Worte nichts weiter als eine fantastische Illusion vor Augen malen, oder eine befreiende Wirklichkeit beschreiben, die uns bewegt hier und jetzt!

 

Liebe Gemeinde, unsere Antwort wird immer wieder unterschiedlich ausfallen. Einmal werden wir staunen über das, was wir in unserem Leben schon an Heilsamem und Wunderbaren erfahren haben und durchgetragen wurden. Staunen, dass wir wieder Mut bekommen haben oder der richtige Mensch im rechten Moment für uns da war. „Heiliger Geist. Kraft und lebendige Gegenwart Gottes" mögen wir es nennen. Nichts als „Zufall" - werden wir dazu sagen. Wer weiß!

 

Immer wieder tut sich eine unerträgliche Spannung auf zwischen dem „schon jetzt", und dem „noch nicht", weil Gott noch immer nicht sein Reich der Liebe und der Gerechtigkeit vollkommen verwirklicht hat.

Mit dieser Spannung werden wir auch nach dem Weihnachtsfest leben müssen, bis einst die Erfüllung kommt. „Bist du es, ...,  oder sollen wir auf einen anderen warten?" diese Frage wird immer wieder in uns aufsteigen, besonders in diesen Tagen, an denen wir auf den Friedenfürsten warten, aber der Krieg weiter geht an so vielen Orten dieser Welt.

Wir könnten an der Heillosigkeit, dem Leiden, der Blindheit - auch und gerade im übertragenen Sinne - verzweifeln und uns von Jesu Worten enttäuscht abwenden.

Aber wir können auch mit offenen Augen die Zeichen wahrnehmen und erkennen, wie sich da und dort die Welt auch zum Guten verändert - und sei es in kleinen, aber wunderbaren Erfahrungen.

Und nicht zu vergessen: Wir alle sind von unserem Schöpfer mit einem Schatz an Möglichkeiten und Begabungen ausgestattet. 

Und unsere Welt hat so große Ressourcen, dass jeder Mensch ohne Hunger leben könnte. Es liegt auch an uns Menschen, den Traum Gottes von einer gerechten wunderbaren Welt mit zu verwirklichen.

Es ist übrigens nicht entscheidend, ob uns das immer gelingt. Das wird es nicht. Aber es ist entscheidend, welches Ziel wir im Leben verfolgen.

 

Ich kann in meinem Leben das Glas als immer halbleer beklagen, oder freudig entdecken, dass es eben doch, immerhin halbvoll ist...und da steckt  Verheißung drin!

Wie kostbar, wenn ich erkennen kann: Doch, da gibt es einen, der es gut mit uns meint, der seinen Willen für diese, seine Welt unmissverständlich geäußert hat, der mit uns leidet an der Ungerechtigkeit und am Leid, der weint mit den Weinenden und lacht mit den Lachenden. Der sich zu uns mit unendlicher Liebe an den Tisch setzt.  Und dessen Liebe so stark ist, dass sie den Tod zu überwinden vermag.

 

Doch, manchmal erkennen wir die göttliche Kraft der Liebe, die in Christus in die Welt gekommen ist und die Gott nie wieder aus dieser Welt nehmen wird. Die Kraft der positiven Gedanken und des Heiligen Geistes, der doch schon so lange uns als Tröster, Fürsprecher und Beistand zur Seite ist und uns beflügelt.

Die Kraft, die zu verändern vermag und es auch tut. Schritt für Schritt und irgendwann einmal ganz und gar.

 

Gibt es denn eine wirkliche Alternative zu einem Gott, der uns über alle Maßen liebt und sich ganz und gar für uns hingibt? Sollen wir noch auf einen anderen warten?!

 

Auch wenn uns, wie dem Johannes, immer wieder Zweifel kommen, so bleibt Gottes Liebe zu uns unabhängig von unserem Glauben Können oder Nicht Glauben Können. Seine Liebe ist über alle Zweifel erhaben.

.

Sein Geist ist in dieser Welt, die manchmal so geistlos erscheint. „O komm Du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein"  -mögen wir immer wieder bitten. „O Heiland, reiß die Himmel auf!" - so klingt es adventlich. Er kommt zu uns wartenden Gefangenen, zu uns sehnsüchtig Hoffenden.

Eines Tages aber müssen wir nicht mehr zweifeln, nicht mehr hoffen, nicht mehr warten.

Bis dahin aber will ich glauben, lieben, träumen und hoffen.

 

Vor etwa 50 Jahren hat ein Theologe eine Predigt geschrieben: „Friede auf Erden. Predigt zu Weihnachten":

„Diese Weihnachtszeit findet uns als ziemlich rastloses Menschengeschlecht. Wir haben weder Frieden in uns noch Frieden um uns. ...Unsere Welt ist krank an Krieg. ..Und doch, meine Freunde, kann die Weihnachtshoffnung auf Frieden und guten Willen unter allen Menschen nicht länger als eine Art frommer Traum einiger Schwärmer abgetan werden. ...Ich träume auch heute noch davon, dass eines Tages das Recht offenbart werden wird wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein starker Strom. Ich träume auch heute noch davon, dass in all unseren Parlamentsgebäuden und Rathäusern Männer gewählt und dort einziehen werden, die Gerechtigkeit und Gnade üben und demütig sind vor ihrem Gott. ..Ich träume noch immer davon, dass wir mit diesem Glauben imstande sein werden, den Rat der Hoffnungslosigkeit zu vertagen und neues Licht in die Dunkelkammern des Pessimismus zu bringen. Mit diesem Glauben wird es uns gelingen, den Tag schneller herbeizuführen, an dem Friede auf Erden ist. Es wird ein ruhmvoller Tag sein, die Morgensterne werden miteinander singen und alle Kinder Gottes vor Freude jauchzen."

Sie werden es ahnen: so hat Martin Luther King zu Weihnachten 1967 gepredigt.

Lange ist es her. Und man könnte ihm entgegen halten: dort werden bis heute weiße Polizisten nicht angeklagt, wenn sie einen schwarzen unbewaffneten Jugendlichen erschießen.

 

Allem zum Trotz aber können auch staunen und erkennen: dort regiert heute ein schwarzer Präsident, und so vieles hat sich verändert und wird sich noch verändern, weil Gottes Geist in unserer Welt lebendig ist. .

"I have a dream" -auch heute noch!

Deshalb noch einmal Martin Luther King:

„Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mittnächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln - zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit."

 

Wer es glaubt, wird selig. So ist es versprochen. Aber wer es nicht glauben kann, der darf darum bitten: „Dein Reich komme!

Er kommt.

Amen.



Pfarrerin Claudia Krüger
Leonberg
E-Mail: Claudia.krueger@elkw.de

Bemerkung:
Literatur: Martin Luther King: „Friede auf Erden. Predigt zu Weihnachten 1967“ In: „Das soll dir bleiben“ hrg. von. F. Schorlemmer, Radius Verlag, 2012, S.733


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