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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 14.12.2014

Predigt zu Matthäus 11:2-11, verfasst von Juraj Bándy

Dieser Bibelabschnitt (Bibeltext) führt uns in ein Gefängnis. In diesem Gefängnis wird ein berühmter Häftling bewacht. Heute würden wir sagen: Er ist der politische Häftling Nr. 1. Es ist kein anderer als Johannes der Täufer. Er wurde ins Gefängnis gesteckt, weil er das sündhafte Leben des Königs Herodes öffentlich kritisiert hatte. Für diesen Mut wurde er verhaftet.

            Im Gefängnis, besonders in der Einzelhaft vergeht die Zeit langsam. Dort hat der Mensch sehr viel Zeit zum Nachdenken. So  war es auch mit Johannes. Er hatte Zeit über sich selbst, über seine Sendung und über die Nachrichten, die ihn erreichten, nachzudenken. Auch das am Besten bewachte Gefängnis kann man nicht ganz von der Welt isolieren.

            Johannes der Täufer bekam Nachrichten von Christus und er dachte über sie nach. Plötzlich stimmte etwas in ihm nicht. Er begann zu zweifeln. Das, was er über den kommenden Messias verkündet hatte, stimmte nicht mit dem überein, was er jetzt von Jesus hörte.

            Er stellte sich nämlich den Messias mit einer Axt in der Hand vor, mit der er sofort den Baum fällt, der keine guten Früchte trägt. Er sprach von einem Messias, der einen Dreschflegel in der Hand hat mit dem er den Samen von der  Spreu säubert. Er verkündigte einen Messias, der die Ordnung und die Herrschaft Gottes einsetzt (Mt 3, 10 - 12). Jetzt aber erfährt er, dass Jesus still, unauffällig und bescheiden durch Galiläa wandert, von der Nähe des Reiches Gottes spricht und gelegentlich ein Wunder wirkt. So hat sich Johannes den Messias nicht vorgestellt. Sein Bild vom kommenden Messias war anders. Er begann zu zweifeln: Ist Jesus derjenige, auf den man warten soll oder ist es ein anderer? Johannes der Täufer zweifelt. Derjenige, von dem der Herr selbst gesagt hat, dass er der kommende Elia sei (Mt 17, 10 ‑ 13), zweifelt. Derjenige, der bei der Taufe Christi die himmlische Stimme hörte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe" (Mt 3, 17), zweifelt. Der Mensch, von welchem unser Herr Jesus sagte, dass „unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist" (V. 11), zweifelt.

            Wenn sogar von dem größten Menschen in der Bibel berichtet wird, dass er auch eine solche Periode in seinem Leben hatte, dass auch er zweifelte, dass auch sein Glaube schwankte, wie steht die Sache dann mit uns?

            Gewiss, wir haben auch manchmal Zweifel und unser Glaube schwankt. Wir alle. Wir alle, weil der Glaube und der Zweifel irgendwie zusammen gehören. Niemand von uns ist von den Zweifeln verschont. Von den Zweifeln, die unseren Glauben angreifen und letzten Endes vernichten können. Das gilt angefangen für den „einfachen" Gläubigern, über den Presbytern, Pfarrer, bis zu den Bischöfen, samt (inklusive) dem römischen Bischof. Verschweigen/Verheimlichen wir das nicht, lernen wir lieber aus dem heutigen Bibelabschnitt(Bibeltext) von Johannes dem Täufer, was wir tun sollen, wenn unser Glaube in Krise gerät.

1. a) Nehmen wir uns ein Beispiel an Johannes dem Täufer, der sich mit seinem Problem an Jesus wandte Er hat kein Gesuch an die Oberpriester nach Jerusalem gesandt, dass sie ihm ein Gutachten darüber geben, ob Jesus der Messias sei oder nicht. Er hat nicht die Pharisäer und die Gesetzlehrer gebeten, dass sie ihm eine Expertise schreiben, ob Jesus von Nazareth der Kommende (kommende Messias) sei. Er hat seine Jünger direkt zu Jesus gesandt. Er selbst konnte nicht zu Jesus gehen, weil er verhaftet war, aber er sandte seine Jünger mit den Fragen, auf die er keine Antwort fand, zu Jesus.

            In dieser Hinsicht soll Johannes der Täufer unser Vorbild sein. Wir sind nicht im Gefängnis. Wir müssen keinen anderen Menschen mit unseren Problemen zu Jesus schicken. Wir können selbst zu ihm kommen. Wir können uns mit dem Herrn Jesus überall treffen, wo das Wort Gottes gepredigt wird, wo die Sakramente gespendet werden, wo zwei oder drei Christen sich in seinem Namen versammeln. Kommen wir zu ihm mit dem Ruf. Herr, hilf mir meine Zweifel zu überwinden.

            Seien wir uns dessen bewusst, dass die Gemeinde der Gläubigen der Ort ist, wo unser Glaube stärker werden kann. Sogar der Apostel Paulus brauchte eine solche Stärkung für seinen Glauben. Er hat sich auf den Besuch in Rom nicht nur deswegen gefreut, weil er die dortigen Christen im Glauben stärken wollte, sondern auch deswegen, weil auch sein Glauben dadurch eine Stärkung bekommt. Er schreibt ihnen: „Denn mich verlangt danach, euch zu sehen, damit ich euch etwas mitteile an geistlicher Gabe, um euch zu stärken, das heißt, damit ich zusammen mit euch getröstet werde durch euren und meinen Glauben, den wir miteinander haben" (R 1, 11 - 12).

            Jeder praktizierender Pfarrer kann bestätigen, dass nicht nur der Pfarrer den Glauben der Gemeindemitglieder stärkt, sondern er manchmal auch  die Stärkung durch der Gemeinde braucht.

b) Nehmen wir uns ein Beispiel an Johannes dem Täufer darin, dass er sich sofort an den Herrn wendete. Er ließ sein Problem nicht ungelöst. Er hat sich nicht damit getröstet, dass es umsonst wäre, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, weil er sowieso keine Antwort fände. Er soll uns zum Vorbild dienen, dass für ihn die Frage „Wer ist Jesus?" dringlich war. Ist diese Frage auch für uns ebenso dringlich und ebenso wichtig? Oder haben wir andere „wichtigeren" und „dringlicheren" Fragen als die Frage, wer Jesus sei?

            Johannes der Täufer hatte im Gefängnis ganz gewiss sehr viele dringliche und wichtige Probleme. Für einen Häftling ist die Freilassung das wichtigste. „Was soll ich unternehmen, damit ich freigelassen werde?" - das ist sein Hauptproblem. Johannes hat diese Fragen beiseitegeschoben, weil für ihn die Frage „Wer ist Jesus?" eine (zentrale/elementare) Frage des Lebens ist. Deswegen wendet er sich sofort an den Herrn. Er will sofort die (eine) Antwort kriegen (bekommen) und zwar vom kompetentesten Ansprechpartner.

            Wenn wir Ausreden haben, dass wir vor der Jesus-Frage wichtigere Fragen haben, denken wir an Johannes den Täufer, der viele Fragen und Probleme gehabt hat, aber trotzdem Zeit und einen Weg für den Kontakt zu Jesus gefunden hat. Er fand deswegen Zeit , weil er ein wartender Mensch war. Er wartete auf jemanden, der das Heil bringt.

            Bist Du auch, lieber Bruder und liebe Schwester, ein solcher wartender Mensch? Die Adventszeit ist eine Zeit des Wartens. Worauf wartest du im Advent? Diese Frage stellt uns unser Bibelabschnitt. Bist du auch ein wartender Mensch wie Johannes der Täufer oder erwartest du vom Leben nichts mehr? Suchst du nicht anderswo das, was schon in Christus gegeben wurde? Vergisst du manchmal nicht, dass „unser Bürgerrecht... im Himmel" ist; „woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus" (Fil 3, 2^)?

2. Schauen wir nicht nur auf das, was Johannes der Täufer macht, als sein Glaube unsicher ist, sondern auch auf die Reaktion Jesu auf den zweifelnden Menschen. Wie reagiert der Herr auf die Frage der Jünger Johannes: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? (V. 3).

            Wir würden erwarten, dass der Herr (Jesus) zornig oder irritiert wird. Wir würden eher so eine Antwort erwarten: Wie kommt es, dass Johanns zweifelt? Wie ist es möglich, dass derjenige solche Frage stellt, der bei meiner Taufe die himmlisch Stimme hörte: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen" (Mk 1, 11)? Es ist unmöglich, dass der Glaube dessen schwankt, der das Bekenntnis abgelegt hat: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt" (J 1, 29)? Was ist mit Johannes los? Hat er alles vergessen?

            Der Herr aber spricht nicht so. Er ist nicht zornig. Er hat für den zweifelnden Menschen Verständnis. Er kann sich in seine Position hineinversetzen. Erinnern wir uns, wie liebevoll er mit einem anderen bekannten Zweiflern umgegangen ist, mit dem Ungläubigen Thomas. Der Herr hat Mitgefühl mit den Zweiflern. Das ist das Evangelium, die gute Nachricht in dieser Geschichte. Freue dich, lieber Bruder und liebe Schwester, weil der Herr auch für dich Verständnis hat, wenn du Fragen, Probleme oder Zweifel  hast.

            Der Herr lässt nicht folgendes durch die Boten an Johannes ausrichten: Sagt Johannes, dass ich es bin. Ich bin es, der kommen soll, und du musst es glauben. Er sendet eine andere Botschaft. Etwas, was seinen Glauben stärken kann (soll): „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt" (V. 4 - 5). Dann fügt er hinzu: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert" (V. 6).

            Das ist keine direkte Antwort. Der Herr weist statt einer direkten Antwort auf einige Tatsachen hin, auf die sich der Glaube des Täufers stützen kann. Die Tatsachen, die Jesus aufzählt, sind keine Beweise, dass er der Messias ist. Es sind Zeichen. Zeichen, die den einen Menschen zum Glauben führen und für den anderen ein Ärgernis sind. Deswegen sagt der Herr, dass alle selig sind, die sich an ihm nicht ärgern. Unser Ärgernis kommt nämlich daher, dass das Christusbild, das wir für uns selbst entwickeln, sich nicht mit dem wirklichen Christus deckt. Der Jesus, den wir wünschten, ist anders als der, den wir brauchen. Auch für uns kann es ein Ärgernis sein, dass der Sohn Gottes in einem Stall geboren wurde und am Kreuz schmählich gestorben ist. Auch für uns ist es schwer an einen demütigen, sanften, machtlosen, verspotteten und gekreuzigten Jesus zu glauben. Von denen, die ihn auch so annehmen können, spricht er. „„Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert" (V. 6).

            Das ist aber nur die erste Stufe des Glaubens. Wir könnten sie so definieren: Ich glaube, weil ich mich nicht an Christus ärgere. Es gibt aber auch eine zweite Stufe, die der Herr so beschreibt: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" (J 20, 29).

            Wenn der Herr mit den Zweiflern Mitgefühl hat, sollten wir es auch haben. „Und erbarmt euch derer, die zweifeln", mahnt uns der Apostel Judas (Jud 22).

3. Am Ende der Geschichte finden wir etwas Überraschendes. Der Herr spricht von Johannes. Schauen wir, wie der Herr von dem Zweifler spricht. Jesus begann von Johannes zu sprechen, als seine Boten weggegangen waren. Hinter seinen Rücken. Aber nicht so, wie es wir es manchmal tun, sondern positiv. Er legt ein positives Zeugnis von Johannes ab. Von dem Johannes, der nicht ganz sicher ist, ob Jesus der Messias ist oder nicht. Er sagt, dass Johannes „mehr als ein Prophet" sei (V.9).  Er bestätigt, dass sich auf ihn die alttestamentliche Prophetie bezieht: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll" (V. 10). Und er fügt zu: „Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer" (V. 11). Johannes ist trotz seiner Schwäche ein besonderes Werkzeug in der Hand Gottes. Gott kann durch ihn große Taten vollbringen.

            Gott hat auch heutzutage solche Diener: schwache, unwürdige und unsichere Menschen. Was für ein Trost für uns ist, dass wir trotz unserer Unwürdigkeit im Dienst Gottes stehen dürfen.

            Liebe Brüder und Schwester! Johannes der Täufer ist eine typische Gestalt des Advents. In der Adventszeit ist er unumgänglich. In dieser Predigt war es aber nicht der Wegbereiter des Herrn. Heute war er kein Zeuge des Herrn. Heute war er kein mutiger Bußprediger. Heute war er ein Mensch in Glaubenskrise. Lernen wir aus seinem Beispiel, wie man aus der Krise kommen kann, so dass die Zweifel nicht unseren Glauben zerstören.

            Bleiben wir nicht in unseren Zweifeln stecken, sondern wenden wir uns an den Herrn Jesus, der Verständnis mit den Zweiflern hat. Wenden wir uns unverzüglich zu ihm, dann können wir die Wunder sehen, die er auch heute noch tut, damit wir zu den Seligen gehören, die sich nicht an ihm ärgern, sondern ihn als den Herrn und Heiland bekennen. Amen.

 



Prof. Dr. Juraj Bándy
SK – 931 01 Šamorín, Požiarnická 24, Slovakia
E-Mail: bandy@fevth.uniba.sk

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