Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christvesper, 24.12.2014

Predigt zu Lukas 2:1-20, verfasst von Ludwig Schmidt

Liebe Gemeinde!

Was haben die Hirten gesehen, als sie nach Bethlehem gekommen waren? „Sie fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen", heißt es in der Weihnachtsgeschichte. Die Hirten sahen ein ganz normales Baby. Über seinem Kopf leuchtete kein Heiligenschein und auch sonst wies nichts darauf hin, dass es sich um ein besonderes Kind handelte. Die äußeren Umstände waren ebenfalls nicht einmalig. Viele Kinder wurden unter noch schwierigeren Bedingungen geboren als Jesus. Manche Frau war auf der Flucht, als sie ihr Kind zur Welt brachte. Sie hatte keine Windeln für das Neugeborene und konnte es nicht einmal in eine Futterkrippe legen. Ohne die Worte des Engels wären die Hirten nie auf den Gedanken gekommen, dass sie ein besonderes Baby sahen. Trotzdem unterschied sich dieser Säugling von allen, die jemals geboren wurden oder werden, denn er war der Sohn Gottes. Er hatte auf seine göttliche Herrlichkeit verzichtet und war ein Mensch wie wir geworden. Deshalb konnte man an seiner Gestalt und den äußeren Umständen seiner Geburt nicht erkennen, dass er ein besonderes Kind war. Dass der Sohn Gottes wirklich Mensch wurde, halten freilich viele für unmöglich. Wer davon überzeugt ist, dass es Gott gibt, der hält Gott für mächtiger und stärker als alle anderen Mächte und Kräfte. Das ist richtig, denn sonst wäre Gott nicht Gott. Aber Gott hat seine Macht dazu benutzt, dass sein Sohn Mensch wurde. In ihm machte sich der große Gott ganz klein und wurde zu einem Menschen unter Menschen. Das ist das Wunder, das wir an Weihnachten feiern.

 

Mit der Geburt Jesu lieferte ja Gott seinen Sohn Menschen aus. Auch Jesus war als Baby völlig auf seine Mutter angewiesen. Sie hat ihn gewickelt, versorgt und getröstet, wenn er weinte. Ich rede nicht von Josef, weil damals ein Vater es der Mutter überließ, sich um einen Säugling zu kümmern. Das wird bei Josef nicht anders gewesen sein. Jesus war aber nicht nur als Kind von seiner Mutter abhängig. Er bekam als Mann zu spüren, wie gewalttätig Menschen gegen andere Menschen sein können. Die damaligen Führer des jüdischen Volkes und der Römer Pontius Pilatus ließen Jesus am Kreuz hinrichten. Gott gab seinen Sohn in die Hände von Menschen. Jesus hat gerade die dunklen Seiten des menschlichen Lebens einschließlich des Todes auf sich genommen, weil sich Gott nicht damit zufrieden gab, dass er fern im Himmel und die Menschen auf der Erde leben. Er sandte seinen Sohn als Mensch in die Welt, weil er unser menschliches Geschick teilen wollte, damit wir Kinder Gottes werden können. Gott liebt seinen Sohn, aber er liebt auch uns.

 

In einer intakten Familie nehmen die Eltern an Freude und Leid ihrer Kinder Anteil. Dadurch fühlen sich Kinder bei ihren Eltern geborgen. Weil sein Sohn Mensch geworden ist, kann Gott an unserem Leben wirklich Anteil nehmen und uns jene Geborgenheit geben, um die sich gute Eltern für ihre Kinder bemühen. Freilich stimmt dieser Vergleich nur teilweise. Kinder wollen und müssen erwachsen und von ihren Eltern unabhängig werden. Das können wir als Kinder Gottes nicht wollen, weil wir sonst die enge Beziehung zu Gott verlieren, für die Jesus Mensch geworden ist. Wir würden dann auch das Wertvollste, was uns Gott als seinen Kindern verspricht, verspielen. Gott will ja nicht nur an unserem Leben Anteil nehmen, damit wir uns bei ihm geborgen wissen und fühlen, sondern er will uns auch Anteil an seinem Leben geben. Jesus wurde nicht nur wie alle Menschen geboren, sondern er ist auch gestorben, weil alle Menschen sterben müssen. Aber Jesus ist von den Toten auferstanden und lebt nun wieder bei Gott. So will Gott auch uns als seinen Kindern nach unserem Tod das ewige Leben bei sich geben. Seine Liebe zu uns ist stärker als der Tod.

 

Freilich fällt es manchmal schwer, daran festzuhalten, dass Gott uns liebt. An diesem Weihnachten ist wie in jedem Jahr nicht allen Menschen nach Feiern zumute. Einige sind einsam geworden, weil sie inzwischen niemand mehr haben, mit dem sie verbunden sind. An Weihnachten wird ihnen ihre Einsamkeit besonders bewusst. Andere sind schwer krank, wieder andere haben in ihrem Beruf oder in ihrer Familie Schwierigkeiten, die sie erheblich belasten. Aber Jesus wurde auch für jene Menschen geboren, die heute einsam sind oder große Probleme haben. Obwohl wir als Christen Kinder Gott sind, bleiben uns massive Probleme, Leiden und Sterben nicht erspart. Trotzdem haben wir allen Grund, in guten und schweren Zeiten daran festzuhalten, dass uns Gott liebt. Nur deshalb wurde ja sein Sohn Mensch. An dem Kind in der Krippe und dem Mann am Kreuz sehen wir, dass es Gott trotz allem, was dagegen sprechen mag, gut mit uns meint. In einem Weihnachtslied heißt es: „Sehet, was hat Gott gegeben, seinen Sohn zum ewgen Leben. Dieser kann und will uns heben aus dem Leid ins Himmels Freud (EG 39,3). Darauf können wir uns verlassen. Amen.



Prof. i.R. Dr. Ludwig Schmidt
Erlangen
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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